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Thema des Monats

Die neuen Generalisten arbeiten schon


Foto: Shutterstock

Die ersten Generalisten sind schon fertig. Beispiel Berlin. Mitte Dezember 2023 hat Berlins Pflegesenatorin Dr. Ina Czyborra (SPD) „die Besten der Pflege“ bei einem Festakt im Roten Rathaus gewürdigt. Geehrt wurden die Jahrgangsbesten des ersten Abschlussjahrgangs der neuen generalistischen Pflegeausbildung. „Die Besten der Pflege“ wurden gemeinsam mit ihren jeweiligen Pflegeschulleitungen und Praxisanleitenden gefeiert. Im Laufe des Jahres 2023 hatten die Auszubildenden des ersten Jahrgangs der generalistischen Pflegeausbildung in Berlin ihre Abschlussprüfungen absolviert. Berlins Pflegesenatorin bedankte sich an diesem Abend persönlich und stellvertretend bei all denen, die die ersten Schritte der neuen Pflegeausbildung gewagt und umgesetzt haben.

„Zum Beginn der neuen Pflegeausbildung mussten wir gemeinsam viele Herausforderungen meistern“, erinnerte sich die SPD-Senatorin. Es sei ein Start in der Pandemie mit Schulschließungen, Distanzunterricht und Personalmangel in der Praxis gewesen. „Viele Rahmenbedingungen wurden erst im Laufe des Umsetzungsprozesses geschaffen.“ Eine hohe Flexibilität aller Beteiligten sei notwendig gewesen. Absolventinnen und Absolventen, Schulleitungen und Praxisanleitende könnten stolz darauf sein, was sie geschafft haben, lobte Czyborra. In der neuen generalistischen Pflegeausbildung stehe die Pflegeexpertise jetzt ganz klar im Vordergrund. Es sei ein toller Beruf, der viele Karrierewege eröffne.

Anerkennung in EU-Mitgliedstaaten

Wurde bis 2020 noch getrennt in der Altenpflege, in der Gesundheits- und Krankenpflege und in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege ausgebildet, gibt es seit 2020 bundesweit die generalistische Pflegeausbildung mit dem Abschluss Pflegefachfrau/Pflegefachmann, die für pflegerische Tätigkeiten mit Menschen aller Altersstufen und in allen Pflegesektoren qualifiziert. Damit stehen diesen Auszubildenden auch im Berufsleben mehr Einsatz- und Entwicklungsmöglichkeiten offen. Die generalistische Pflegeausbildung wird in anderen EU-Mitgliedstaaten anerkannt. Die neue generalistische Ausbildung in der Pflege ist verankert im Pflegeberufegesetz, das am 24. Juli 2017 verkündet wurde und danach stufenweise in Kraft trat. Mit dem Gesetz zur Reform der Pflegeberufe wurde „der Grundstein für eine zukunftsfähige und qualitativ hochwertige Pflegeausbildung“ gelegt, wie das Bundesgesundheitsministerium (BMG) mitteilte.

Auch aus dem bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen (NRW) hört man vom Berufsverband für Pflegeberufe Lob. „Die Ausbildungszahlen in den Pflegeberufen zeigen: die Generalistik ist angekommen und sie wird angenommen“, teilte der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) Nordwest e. V. Ende 2023 mit. „Was wir beispielsweise sehen: Die generalistische Pflegeausbildung führt nicht zu vermehrten Abbrüchen“, sagte Martin Dichter, Vorsitzender des DBfK Nordwest. „Das ist ein Punkt, den Kritiker immer wieder angeführt haben. Außerdem zieht sie offenbar Auszubildende aus anderen Ländern an, da es sich nun um eine international anerkannte Pflegeberufsausbildung handelt. Fast alle der befragten Schulleitungen gaben an, dass die Bewerbungen aus dem Ausland stark zugenommen hätten. Wir sind also mit der Generalisierung absolut wettbewerbsfähig.“

Schwieriger Start in der Pandemie

Martin Dichter beruft sich auf einen Bericht der Dienstleistung, Innovation, Pflegeforschung (DIP) GmbH, der allerdings auch auf Probleme hinweise. Einige davon hätten die Pflegeschulen mit viel Aufwand gemeistert. Dazu gehörten zum Beispiel die Umstellung auf die generalistische Ausbildung inmitten der Pandemie mit Einschränkungen in Schulen sowie Praxisbetrieben und infektionsbedingte Ausfallzeiten bei allen Beteiligten. Parallel dazu mussten sie eine „Ad-hoc-Digitalisierung“ und Konzepte zum Distanzlernen umsetzen.

Neue Herausforderungen – wie jüngste PISA-Ergebnisse verdeutlichen – seien die Defizite der Bewerber. Viele Schulen gaben an, Ausbildungsverträge mit Personen abgeschlossen zu haben, die sie in früheren Jahren nicht genommen hätten. Der Fachkräftemangel erhöhe zusätzlich den Druck, auch weniger qualifizierte Bewerber zu akzeptieren. Hinzu komme die auch in anderen Branchen zu beobachtende Einstellung der sogenannten „Generation Z“, die sich oft kurzfristig für eine Ausbildung entscheide, sie aber auch schnell wieder abbreche, sofern die persönlichen Vorstellungen nicht mit der Ausbildungs- und Arbeitsrealität übereinstimmten. Sie wissen, dass sie rasch einen neuen Ausbildungsträger oder einen Ausbildungsplatz in einem anderen Beruf finden, denn Mangel herrscht überall.

Rückblickend fällt die vorläufige Bilanz zur generalistischen Pflegeausbildung auch bei Claudia Moll (SPD), Bevollmächtigte der Bundesregierung für Pflege, eher positiv aus: Die Reform der Pflegeausbildungen sei zwar „ein riesiger Kraftakt für alle Beteiligten“ gewesen. Sie sei aber notwendig gewesen, um den steigenden Anforderungen in der Versorgung gerecht zu werden und die Ausbildung international anschlussfähig zu machen.

Ein noch positiveres Votum für die generalistische Pflegeausbildung kommt von der BBG-Geschäftsführerin und Präsidentin des Deutschen Pflegerats e. V. (DPR), Christine Vogler: „Die generalistische Pflegeausbildung ist eine internationale Selbstverständlichkeit. Pflegefachpersonen – wie übrigens auch Medizinerinnen und Mediziner, Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten etc. – werden weltweit grundständig ausgebildet. Die notwendige Spezialisierung erfolgt danach.“

Kritik an der generalistischen Pflegeausbildung üben nach wie vor Kinder- und Jugendärzte. Bereits 2015 schlugen die Pädiater Alarm. „Die Pflege kranker Kinder wird sehr darunter leiden, wenn die spezielle Ausbildung von einer generalistischen Ausbildung abgelöst wird; dies wird zu einem deutlichen Qualitätsverlust in der Pflege führen“, hieß es bereits damals in einer Resolution. Die Kinder- und Jugendärzte in Praxis und Klinik sowie die Kinderchirurgen forderten den Erhalt der Ausbildung zur Gesundheits- und Kinderkrankenpflegekraft. Die Pädiater fürchteten, dass diejenigen jungen Menschen, die sich für die Kinderkrankenpflege interessierten, nicht mehr zur Ausbildung anträten, weil sie befürchten müssten, überall eingesetzt zu werden.

Die Kernforderung der Kinder- und Jugendärzte: „Als Eltern, Kinder- und Jugendärzte, Kinderchirurgen und Kinderkliniken fordern wir den Erhalt der Kinderkrankenpflege in der Erstausbildung, weil gerade Kinder eine spezialisierte Pflege benötigen. Sollte die generalistische Pflegeausbildung realisiert werden, wären kranke Kinder eindeutig die Verlierer und damit Opfer der Pflegeausbildungsreform.“ Auch heute, nach Abschluss des ersten Jahrgangs der generalistischen Pflegeauszubildenden, fordern die Kinderärzte ein Umdenken. Jakob Maske, Kinder- und Jugendarzt sowie Bundespressesprecher des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), sagt, der Beruf der Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin und des -pflegers müsse wieder für Berufsanfänger attraktiv gemacht werden.

Laut Pflegeberufegesetz (PflPG) soll bis Ende 2025 überprüft werden, ob für die gesonderten Berufsabschlüsse in der Altenpflege oder der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege weiterhin Bedarf besteht. Eine solche Evaluation steht jetzt noch aus.

Regelungen im Pflegeberufegesetz (PflPG)

  • Die bisher im Altenpflegegesetz und im Krankenpflegegesetz getrennt geregelten Pflegeausbildungen wurden in einem neuen Pflegeberufegesetz zusammengeführt.
  • Alle Auszubildenden absolvieren zwei Jahre lang eine gemeinsame, generalistisch ausgerichtete Ausbildung, in der sie einen Vertiefungsbereich in der praktischen Ausbildung wählen. Auszubildende, die im dritten Ausbildungsjahr die generalistische Ausbildung fortsetzen, erwerben den Berufsabschluss „Pflegefachfrau“ bzw. „Pflegefachmann“.
  • Auszubildende, die ihren Schwerpunkt in der Pflege alter Menschen oder der Versorgung von Kindern und Jugendlichen sehen, können wählen, ob sie – statt die generalistische Ausbildung fortzusetzen – einen gesonderten Abschluss in der Altenpflege oder der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege erwerben wollen.
  • Bis Ende 2025 soll überprüft werden, ob für die gesonderten Berufsabschlüsse in der Altenpflege oder der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege weiterhin Bedarf besteht.
  • Nach zwei Dritteln der Ausbildung ist eine Zwischenprüfung zur Ermittlung des Ausbildungsstandes vorgesehen. Den Ländern wird dadurch die Möglichkeit eröffnet, die mit der Zwischenprüfung festgestellten Kompetenzen im Rahmen einer Pflegeassistenz- oder -helferausbildung anzuerkennen. Ein Bestehen der Prüfung ist nicht erforderlich, um die Ausbildung fortzuführen.
  • Für den Pflegebereich sind damit erstmals bestimmte berufliche Tätigkeiten vorgesehen, die dem Pflegeberuf nach diesem Gesetz vorbehalten sind, also nur von entsprechend ausgebildetem Personal ausgeführt werden dürfen.
  • Ergänzend zur beruflichen Pflegeausbildung wurde ein Pflegestudium eingeführt. Das Pflegestudium eröffnet neue Karrieremöglichkeiten sowie Aufstiegschancen und befähigt unmittelbar zur Pflege von Menschen aller Altersstufen auf wissenschaftlicher Grundlage und Methodik.
  • Ein Schulgeld darf nicht mehr erhoben werden. Zudem haben die Auszubildenden Anspruch auf eine angemessene Ausbildungsvergütung.
  • Die Finanzierung der Pflegeausbildung wurde auf eine völlig neue Grundlage gestellt. Sie erfolgt einheitlich über Landesfonds. Durch ein Umlageverfahren werden ausbildende und nicht ausbildende Einrichtungen gleichermaßen zur Finanzierung herangezogen.
  • Bei Umschulungen werden Lehrgangskosten durch die Arbeitsagenturen und Jobcenter übernommen; dabei wird die Möglichkeit zur dreijährigen Umschulungsförderung dauerhaft verankert.
  • Die generalistische Pflegeausbildung wird über die EU-Richtlinie über die Anerkennung von Berufsqualifikationen automatisch in anderen EU-Mitgliedstaaten anerkannt. Die gesonderten Abschlüsse in der Altenpflege und der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege können weiterhin im Rahmen einer Einzelfallprüfung in anderen EU-Mitgliedstaaten anerkannt werden.

Tanja Kotlorz