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Thema des Monats

Generalistik: eine internationale Selbstverständlichkeit


Als internationale Selbstverständlichkeit bezeichnet Christine Vogler, Präsidentin des Deutschen Pflegerats e. V. (DPR), die generalistische Ausbildung. Foto: privat

Das historisch gewachsene Konstrukt der differenzierten Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege war eine deutsche Besonderheit. Im Rahmen der EU-Berufsanerkennungsrichtlinie war Deutschland bereits seit vielen Jahren aufgefordert, die Ausbildung nach internationalem Recht neu aufzustellen. Mit dem Pflegeberufegesetz wurden neben der Grundausbildungsstruktur weitere wichtige und weichenstellende Elemente für die Zukunft der Profession Pflege formuliert. So zum Beispiel die Möglichkeit, grundständig Pflege zu studieren, die Finanzierung der praktischen Ausbildung und die im § 4 formulierten vorbehaltenen Tätigkeiten des Pflegeprozesses.

Die generalistische Pflegeausbildung ist eine internationale Selbstverständlichkeit. Pflegefachpersonen – wie übrigens auch Medizinerinnen und Mediziner, Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten etc. – werden weltweit grundständig ausgebildet. Die notwendige Spezialisierung erfolgt danach. Vor 2020 konnte man in Deutschland Pflege nicht als Praxisprofession studieren, sondern musste auf Pflegemanagement, Pflegewissenschaft oder Pflegepädagogik „ausweichen“. Das hatte zur Folge, dass sich Kolleginnen und Kollegen tatsächlich aus der direkten Patientenversorgung „wegentwickelt“ haben und der Eindruck entstand, studierte Pflegefachpersonen sind nicht in der direkten Versorgung. Seit 2020 kann Pflege jetzt studiert werden, kann Praxisfelder entwickeln und entsprechend vergütet werden.

Trotzdem ist es noch ein weiter Weg, die Akzeptanz für die Pflegeausbildung im Gesundheitsbereich zu etablieren. So gibt es in den Bereichen der Pädiatrie unter der allgemeinen Situation des Fachkräftemangels momentan wieder den Ruf nach „Kinderkrankenschwestern“. Kolportiert wird, dass diese aufgrund der neuen Pflegeausbildung fehlen. Diese Behauptung stimmt nicht. Was wir noch bundeseinheitlich regeln müssen, ist die Struktur der Weiterbildung nach der Grundausbildung, zum Beispiel zur Versorgung in der Demenz, in der Schmerztherapie, in der Kinderheilkunde, in der Onkologie, in der Psychiatrie. Und die Abschlüsse müssen auch vom Gemeinsamen Bundesausschuss als qualifiziert anerkannt werden, bzw. muss die Pflegeausbildung mit den vertiefenden Abschlüssen in der Pädiatrie den alten Abschlüssen der Kinderkrankenpflege gleichgestellt werden.

Heute für die Pflege von morgen sorgen

Die pflegerische Grundausbildung jetzt infrage zu stellen, ist ein Riesenrückschritt. Die, die das tun, müssen auf den Gesamtzusammenhang blicken und nicht nur auf die aktuelle Situation, die vom Fachkräftemangel geprägt ist. Wir müssen heute für eine Pflegeausbildung sorgen, die auch morgen noch Bestand hat. Und die es uns erlaubt, auch die internationalen Pflegefachpersonen, die zu uns kommen, gut aufnehmen zu können. Den Mangel an Pflegefachpersonen hätten wir heute auch, wenn es die generalistische Ausbildung nicht gäbe und Kinder-, Kranken- und Altenpflegefachpersonen nach wie vor solitär, eng eingeschränkt auf ihren Bereich und mit wenig beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten ausgebildet würden. Was wir mit einer solchen Zersplitterung der pflegerischen Versorgung noch zementieren würden, das wären tarifliche Ungleichheiten zwischen den Berufsabschlüssen, eine unterschiedliche Anerkennung der Berufsstände, kaum Wechselmöglichkeiten und vieles mehr. Damit würden wir den Beruf wieder unattraktiv machen. Es geht auch darum, Zukunftsperspektiven für die Menschen in der Pflege zu entwickeln. Die Generalistik infrage zu stellen, weil wir heute einen Fachkräftemangel haben, das ist deutlich zu kurz gegriffen.

Anschrift der Verfasserin

Christine Vogler, BBG-Geschäftsführerin und Präsidentin des Deutschen Pflegerats e. V. (DPR), Deutscher Pflegerat e. V. (DPR), Alt-Moabit 91, 10559 Berlin