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Thema des Monats

Versorgung von Kindern und Jugendlichen gefährdet


Eine Gefahr für die pflegerische Versorgung von Kindern und Jugendlichen sieht Jakob Maske, Bundespressesprecher des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), in der generalistischen Ausbildung in der Pflege. Foto: BVKJ

Seit der Verabschiedung des Pflegeberufegesetzes 2020 kommt es in der Klink zu einem noch stärker zunehmenden Mangel an Pflegekräften für Kinder und Jugendliche, was ihre Versorgung in zunehmendem Maße gefährdet. Pädiatrische Spezialgebiete wie zum Beispiel die Neonatologie sind aufgrund der hohen Spezifikation besonders betroffen.

Dieser zunehmende Mangel an Pflegekräften für Kinder und Jugendliche entsteht nicht nur durch die grundsätzlich rückläufige Attraktivität des Pflegeberufes. Obwohl der Gesetzgeber versucht, diesem Attraktivitätsverlust aktiv entgegenzutreten, gelingt dies seit Jahren nicht. So sollte die Einführung der generalistischen Pflegeausbildung eigentlich zu einer Zunahme der Attraktivität führen, hat jedoch gerade in der Ausbildung zur Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin und zum Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger zum Gegenteil geführt.

Die neuesten Zahlen des statistischen Bundesamtes gehen allein im Jahr 2022 von einem Rückgang um ca. 7 % in der Gesamtpflege aus (die Zahlen für Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerinnen und -pfleger werden hier nicht extra aufgeführt). Allein für die Kinderkrankenpflege geht man jetzt schon von einem Defizit von ca. 6 500 Arbeitskräften aus. Umfragen der Gesellschaft der Kinderkrankenhäuser und Kinderabteilungen in Deutschland e. V. (GKinD) und des Verbandes Leitender Kinder- und Jugendärzte und Kinderchirurgen Deutschlands (VLKKD) aus den Jahren 2020 und 2021 gehen davon aus, dass sich dieses Defizit jährlich um ca. 600 Arbeitskräfte erhöhen wird.

Dieser Fachkräftemangel in der Kinder- und Jugendheilkunde kommt zum einen durch den demografischen Wandel mit einem zunehmenden altersbedingten Ausscheiden der geburtenstarken Jahrgänge in den nächsten zehn Jahren zustande, zum anderen durch die abnehmende Zahl der Auszubildenden, denen eine pädiatrische Vertiefung ermöglicht wird, was zu einem Mangel an qualifiziertem Nachwuchs führt.

Keine kleinen Erwachsenen

Zwar soll die generalistische Pflegeausbildung zu einer altersuniversellen Qualifikation führen, jedoch zeigt auch hier die Praxis deutlich, dass Kinder keine kleinen Erwachsenen sind und einer spezifischen Pflege und Qualifikation bedürfen, so wie auch in der Charta der EUROPEAN ASSOCIATION FOR CHILDREN IN HOSPITAL (EACH) gefordert wird, die allgemein anerkannt ist. So heißt es in § 8: „Kinder sollen von Personal betreut werden, das durch Ausbildung und Einfühlungsvermögen befähigt ist, auf die körperlichen, seelischen und entwicklungsbedingten Bedürfnisse von Kindern und ihren Familien einzugehen.“ Dies kann nur in einer auf Kinder- und Jugendliche ausgerichteten Ausbildung vermittelt werden, die über die vollen drei Jahre im Bereich der Kinder- und Jugendheilkunde stattfindet.

Dies kann die generalistische Ausbildung grundsätzlich nicht bieten. Das Pflegeberufegesetz sieht zwar ein Wahlrecht nach § 59 PflBG im dritten Ausbildungsjahr im Bereich der Kinder- und Jugendheilkunde vor, dies wird jedoch in den meisten Bundesländern nur unzureichend angeboten oder auch gar nicht. Selbst wenn die Möglichkeit für junge Berufsanfänger bestehen würde, im dritten Ausbildungsjahr eine Vertiefung in der Kinder- und Jugendheilkunde zugesichert zu durchlaufen, würden die beiden ersten Ausbildungsjahre unter Umständen in einem völlig anderen Fachbereich durchgeführt werden.

Diese Aussicht entspricht in der Regel nicht den Vorstellungen eines Berufsanfängers oder einer Berufsanfängerin, die sich für den Fachbereich der Kinder- und Jugendheilkunde interessiert.

Hier besteht in der Regel der Wunsch, mit Kindern zu arbeiten, was in der generalistischen Ausbildung in den ersten zwei Ausbildungsjahren nicht garantiert werden kann. Dadurch kommt es zu einer hohen Abwanderung in andere Berufszweige, die diese Aussichten schneller erfüllen könne, wie zum Beispiel der Beruf der Erzieherin und des Erziehers oder der Lehrerin und des Lehrers. In Berlin führt das zum Beispiel dazu, dass die Zahl der Auszubildenden von circa 240 auf in diesem Jahr circa 80 zurückgegangen ist.

Oberflächliche Ausbildungsinhalte

Ein weiterer Effekt des Pflegeberufegesetzes ist der pädiatrische Pflichteinsatz von 60 bis 120 Stunden, der in der generalistischen Ausbildung für alle Auszubildenden vorgesehen ist. Dieser kann natürlich nicht eine dreijährige Ausbildung ersetzen, es werden nur oberflächliche Ausbildungsinhalte vermittelt, und er führt in der Regel auch nicht zu dem Wunsch, sich in diesem Fachgebiet zu spezialisieren, wenn es überhaupt die Möglichkeit dazu gäbe. Er führt im Gegenteil zu einer Schwemme an Auszubildenden auf den pädiatrischen Stationen. Pädiatrische Ausbildungsplätze werden für jeweils nur sehr kurze Einsatzzeiten besetzt und den ausbildenden Pflegekräften in der Kinder- und Jugendheilkunde wird zusätzliche Arbeit generiert, die noch dazu frustran ist, da eine längerfristige Beschäftigung in diesem Fachbereich nicht zu erwarten ist.

Die durch die Veränderung der Ausbildungssituation entstandene Mangelsituation wird durch die Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung, die medizinisch ganz sicher sinnvoll ist, auch nochmals verschärft, da der Bedarf an spezialisierten Kinderkrankenpflegepersonal dadurch deutlich angestiegen ist. Gerade in diesen hochspezialisierten Gebieten, wie die Neonatologie, die Kinderonkologie oder Kinderherzchirurgie, wird es aber keinen ausreichend spezialisierten Nachwuchs geben. Wer wird also in Zukunft fachgerecht ein Frühgeborenes mit einem Geburtsgewicht von 450 Gramm versorgen können?

Wird hier nicht zeitnah gegengesteuert, ist eine qualitativ hochwertige Pflege absehbar nicht mehr zu leisten. Hochspezialisierte Kinderkrankenpflege, wie zum Beispiel die Level 1 Neonatologie, wird nahezu wegbrechen. Eine generalistisch ausgebildete Pflegekraft kann diese hochspezifischen Aufgaben nicht übernehmen, für die Spezialisierung gehen in der jetzigen Ausbildungsform mindestens zwei Jahre Zeit verloren. Das können wir uns für die Gesundheit unserer Kinder und Jugendlichen nicht leisten.

Daher muss hier dringend ein Umdenken erfolgen, der Beruf der Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerein und des -pflegers muss wieder für Berufsanfänger attraktiv gemacht werden. Kinderkrankenpflegeausbildung muss von Anfang an auf Kinderstationen erfolgen, Ausbildungskapazitäten müssen erhöht werden und unter Umständen auch durch gesetzliche Regelungen verpflichtend in ausreichender Menge vorzuweisen sein. Bundesweite Erhebungsmechanismen zur Erfassung der Mangellage im Bereich der Kinderkrankenpflege müssen eingerichtet werden, um diese frühzeitig zu erfassen, um dann rechtzeitig gegensteuern zu können.

Anschrift des Verfassers

Jakob Maske, Kinder- und Jugendarzt, Bundespressesprecher BVKJ, Vorstandsmitglied BVKJ, Goebenstraße 24, 10783 Berlin