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Politik

Weiter Milliardenzuschüsse aus den Kreiskassen


Landrat Peter Bohlmann, (SPD). Foto: Landkreis Verden

Durch die erfolgreiche Weigerung des Bundes gegenüber einer „Überbrückungsfinanzierung“ wird die als „Durchbruch“ bezeichnete Verständigung der Gesundheitsministerkonferenz (GMK) am 10. Juli 2023 auf die Eckpunkte für eine Klinikreform für viele Krankenhäuser eher einen „Abbruch vor Zielerreichung“ bedeuten.

Dabei geht es nicht um die Frage, ob es tatsächlich zu viele Häuser gibt, sondern darum, dass unsystematische Krankenhausschließungen und ein kalter Strukturwandel drohen, bevor es die begrüßenswerten Angebotsveränderungen – Regionale Versorgungszentren, veränderte Versorgungslevels etc. – geben wird. Die Idee, den Kapazitätsabbau über eine „Reinigungskrise“ zu forcieren, ist auch deshalb töricht, weil Krankenhäuser Knoten und Bestandteil einer integrierten Versorgung sind und der Begriff der „Überkapazität“ allenfalls gesamtstaatlich gelten kann. So sind die Großstädte eher von „Überversorgung“ betroffen, während das Land eher mit Versorgungsproblemen zu kämpfen hat. Hier nimmt die politische Brisanz zu, weil die Vorstellung in der Bevölkerung, dass das Angebot an Gesundheitsleistungen zunehmend nicht nur vom individuellen Einkommen, sondern auch vom Wohnort abhängt, nicht mehr nur ein dumpfes Gefühl in der Fläche, sondern zunehmend durch die Faktenlage gedeckt ist – und das, obwohl in Stadt und Land der gleiche Krankenkassenbeitrag gezahlt wird.

Bedenken sollten alle Akteure auch, was die Schließung von mehreren Häusern in einer ländlichen Region beispielsweise für die Qualität und die Kosten des Rettungsdienstes bedeuten würde: nämlich längere Fahrzeiten, mehr Gerät und Wachen. Doch leider werden auch bei einigen Krankenkassen die Wechselwirkungen zwischen dem „Krankenhausbudget“ und dem „Rettungsdienstbudget“ selbst betriebsintern nicht gesehen. Zusammengefasst werden wir unsere Probleme nicht lösen, wenn sich die Diskussion um die Krankenhausversorgung weiter fast ausschließlich auf die Maximalmedizin und die elektiven Fälle beschränkt. Anforderungen stellen neben dem Rettungsdienst auch die Notarztversorgung und der Katastrophenschutz, der sich meistens mit weniger planbaren Phänomenen zu beschäftigen hat. Auch eine die stationäre Versorgung stark beanspruchende Pandemie ist, wie jüngst festgestellt, wenig „elektiv“. Die Hauptkritik an der Weigerung des Bundes, die inflationsgebeutelten Krankenhäuser finanziell zu stützen, hat jedoch über die Krankenhausversorgung hinausgehend eine gesamtstaatliche Dimension. So wurde am 10. Juli 2023 ein Kompromiss zulasten der Landkreise getroffen, die jährlich Milliardenbeträge in die Kliniken schießen und somit zu den Lückenbüßern in der stationären Versorgung geworden sind.

Abgesehen davon, dass die Landkreise auch bei der Aufnahme von Geflüchteten und dem Ausbau der regenerativen Energien die hauptsächlichen „Krisenbehörden“ sind, wird ihre systemwidrige finanzielle Belastung durch den Blick auf die in der Bundesrepublik Deutschland seit 1972 bestehende duale Krankenhausfinanzierung deutlich. Nach ihr werden Krankenhausleistungen, wie andere medizinische Behandlungen auch, über Bundesgesetze von den beitragsfinanzierten Krankenversicherungen getragen. Die Länder planen und finanzieren die Investitionen. Damit sollten die Krankenhäuser, dem Ziel der gleichwertigen Lebensverhältnisse folgend, unabhängig von der kommunalen/regionalen Finanzkraft in gleicher Qualität der Bevölkerung zur Verfügung stehen. Beauftragt wurden mit der Organisation der Versorgung die Landkreise im Rahmen ihrer Ausgleichsfunktion und die kreisfreien Städte (ohne Ausgleichsfunktion) über den sogenannten Sicherstellungsauftrag, der unter anderem mit der Zuständigkeit für den Rettungsdienst korrespondierte. Zur Mitfinanzierung wurde die kommunale Seite allenfalls über die kommunale Quote bei der Krankenhausfinanzierungsumlage zur Investitionsfinanzierung hinzugezogen, in Niedersachsen immerhin 40 % der Investitionskosten des Landes.

Dass dieses dem Sozialstaatsgebot folgende System seit einem Vierteljahrhundert kriselt und im jetzigen Jahrzehnt kurz vor dem Kollaps steht, zeigen folgende Zahlen und Relationen über die Krankenhausausgaben: So bezifferte das Statistische Bundesamt für 2021 die Gesamtausgaben auf 126,94 Mrd. € und diejenigen nur für stationäre Leistungen auf 109,33 Mrd. €. Die gesetzlichen Krankenkassen (GKV) finanzierten nach eigenen Angaben für die Häuser 85,9 Mrd. €. Dass das verbleibende Delta von 23,43 Mrd. € allein zu den stationären Aufwendungen nun durch Selbstzahlungen oder Beiträge der Privaten Krankenversicherungen (PKV) geschlossen wird, ist schwer vorstellbar. Das führt zu der Frage: Wer ist in welchem Umfang der weitere Finanzier?

Genau beziffern lassen sich die nicht gedeckten Kosten im Gegensatz zu den Gesamtausgaben jedoch nicht, weil Refinanzierungsbedingungen (Rücklagenverzehr, konzerninterne Quersubventionierung, öffentliche Zuschüsse etc.) bei privaten, gemeinnützigen und kommunalen Trägern zu unterschiedlich sind. Nur die nicht leistbare und aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht erlaubte zentrale Auswertung von über 1 700 Krankenhausbilanzen würde Klarheit schaffen. Um das zu umgehen, arbeiten beispielsweise die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) bzw. das Deutsche Krankenhausinstitut (DKI) mit Prognosewerten, die sich unter anderem aus Abfragen zu den Erwartungen ergeben.

Absolut alarmierend war das Ergebnis vom März 2023 mit hochgerechneten Verlustzahlen von 740 Mio. € pro Monat (9 Mrd. € pro Jahr) in allen deutschen Krankenhäusern. Klargestellt wurde in der entsprechenden Veröffentlichung auch, dass die Hilfsprogramme des Bundes als Ausgleich für die exorbitant gestiegenen Energieverbräuche kaum etwas bringen werden, weil als Referenzmonat der wenig energieintensive März im Jahr 2022 genommen wurde.

Grundsätzlich erstaunt das nicht, weil Fördermittel häufig zunächst ins Schaufenster gestellt werden, um danach (bundesmittelschonend) deren Auszahlung mit hohen Hürden und Ausschlusskriterien zu versehen. Hier geht es jedoch nicht um das Programm zur Förderung von E-Lastenrädern, sondern um Gesundheitseinrichtungen, die jährlich über 16 Millionen Patienten versorgen.

Zu den Verlusten sind noch jährlich die auf 8 Mrd. € pro Jahr geschätzten Investitionsbedarfe zu addieren, von denen die Länder in den vergangenen Jahren in etwa nur die Hälfte tatsächlich finanzierten. Wie viel nun wirklich investiert wurde, lässt sich jedoch daran nicht ablesen, weil die Krankenhäuser teilweise mit Eigenmitteln auch investiv tätig werden und/oder die kommunalen Krankenhausträger selbst Investitionskostenzuschüsse bereitstellen bzw. Landesinvestitionen in erheblichem Maße kofinanzieren (müssen). Dies relativiert zumindest die stakkatoartig immer wiederholte Aussage der GKV, dass sie es sind, die eine mangelnde Investitionsförderung der Länder über Beiträge bzw. die Betriebskostenfinanzierung kompensieren müssen. Zusammengefasst muss nach der Addition der Investitions- und Verlustfinanzierung davon ausgegangen werden, dass jährlich fast zweistellige Milliardenbeträge an u. a. kommunalen Mitteln in die Krankenhäuser fließen.

Beispiel: elf Landkreise im Bezirk Lüneburg

Zur weiteren Begründung bietet sich ein Wechsel von der Gesundheitsstatistik auf einzelne kommunale Finanzstatistiken am Beispiel der elf Landkreise des ehemaligen Regierungsbezirks Lüneburg an, der sich als zu 100 % kreisangehöriger Raum hervorragend für die Analyse von Flächenherausforderungen eignet. Hier trugen die Kämmereileitungen zusammen, was in den Jahren 2021 und 2022 in die Krankenhäuser geflossen ist und was voraussichtlich in 2023 fließen wird.

Hochgerechnet auf die gesamte Bundesrepublik zeigen diese Zahlen – bei 1,73 Millionen Einwohnern bzw. zwei Prozent der Bundesbevölkerung in der Region des ehemaligen Regierungsbezirks Lüneburg –, dass bundesweit hohe Milliardenbeträge zur Krankenhausfinanzierung durch die kommunale Seite Jahr für Jahr aufgefangen werden. Dies spiegelt auch den Realitätsgehalt der DKG-Prognose wider.

Aufschlussreich sind auch die drei Zuschusskategorien des Verlustausgleiches, der Gesellschafterdarlehen zur Liquiditätssicherung und der investiven Kapitalzuführung in den Plandaten für dieses Jahr (2023). Es wird deutlich, dass die finanzielle Belastung der Kreishaushalte aktuell weiter sprunghaft ansteigt und die Landkreise somit bereits kurzfristig auf eine nicht mehr zu bewältigende Finanzierungsanforderung zusteuern.

Hinsichtlich der zur Liquiditätssicherung gewährten Gesellschafterdarlehen ist noch zu erwähnen, dass diese von den Landkreisen häufig auch in Kliniken in nicht kommunaler Trägerschaft zur Abwendung einer Insolvenz geschoben werden. Unabhängig davon gehen die Akteure dabei nicht von Überschüssen bzw. einer Rückzahlmöglichkeit seitens der Krankenhäuser aus, sodass diese Form der Zuweisung im Rahmen von Forderungsverzichten bzw. Abschreibungen in den Kreishaushalten auf eine dauerhafte Zuwendung hinauslaufen. Ähnlich sieht das bei zweckbestimmten Kapitalzuführungen bzw. Verlustausgleichen aus, während die investiven Zuführungen und die Krankenhausfinanzierungsumlage das hohe investive Engagement der Landkreise für die Häuser aufzeigt.

Dass Verluste aufgrund von Unterfinanzierung zum Massenphänomen in der Krankenhausversorgung geworden sind, zeigt sich gerade in 2022 daran, dass die Leistungsausgaben für die Gesetzlichen Krankenkassen um 4,3 % anstiegen, während die Vergütung für die Krankenhäuser nur um 2,8 % stieg. Krankenhäuser sind demnach nicht die Ausgabentreiber des Gesundheitswesens. Trotz der unstrittigen finanziellen Mehrlasten, die sie zu tragen haben, legt der Bund eine Verweigerungshaltung an den Tag, die nicht nur gegen die Häuser, sondern, wie beschrieben, auch gegen die kommunale Selbstverwaltung gerichtet ist.

Beitragserhöhung in der Pflegeversicherung

Unglaubwürdig ist die Bundesebene auch, weil sie die Unterfinanzierungsprobleme der mit fast identischen Problemen kämpfenden Pflegebranche akzeptiert und mit dem Pflegestärkungsgesetz vom 23. Juni 2023 darauf reagiert hat. Trotz der unzureichenden Lösungen, zum Beispiel im Hinblick auf die ambulante Versorgung, ist mit dem Gesetzeswerk eine Erhöhung des Beitrages zur gesetzlichen Pflegeversicherung von 0,35 Punkten zur besseren Finanzausstattung der Einrichtungen

vorgesehen.

Was ist nur die Ursache für die in der Bundeshauptstadt parteiübergreifende Position, dass im Gegensatz zur Pflegebranche der Krankenhaussektor allein durch eine verbesserte (reduzierte) Angebotsstruktur und verbesserte Betriebswirtschaft gesunden kann?

Die einfache Antwort ist: Es gibt hier weder „Lückenbüßer“ (allenfalls indirekt durch die Sozialhilfe) noch kommunale Sicherstellungsaufträge. So unterliegt die Pflegebranche dem vollständigen Wettbewerb ohne Planung, sodass durch Insolvenzen, freiwillige Betriebsaufgaben oder dem Arbeitskräftemangel geschuldete Stationsschließungen das Leistungsangebot kurzfristig sinken kann. Unabhängig von der Diskussion, ob bzw. warum das Angebot an stationären Plätzen rückläufig ist, besteht Einigkeit darüber, dass das perspektivische Angebot nicht der dynamisch steigenden Nachfrage entsprechen wird und wir 2030 mit einem Fehlbedarf von über 300 000 Pflegeplätzen rechnen müssen. Handlungsbedarf wurde auch wegen der häufig tragischen Fälle von Pflegebedürftigen gesehen, die keine bedarfsgerechten Angebote vorfinden. Politisch sah sich die Bundespolitik auch gezwungen, die teilweise unzumutbaren Eigenanteile bei der Pflege nicht ins Unermessliche steigen zu lassen. Bei der Krankenhausfinanzierung ist das einfacher, weil die Finanzierungslücken vom kommunalen Steuerzahler geschlossen werden.

Neben der Höhe der Finanzierung der stationären Versorgung wird es auch um die Art ihrer Finanzierung gehen, womit wir bei den 2003 eingeführten diagnosebezogenen Fallgruppen (DRG) angelangt sind. Gegen sie wird eingewandt, dass sie Ausgaben nach oben treiben, weil sie Anreize für nicht immer erforderliche Behandlungen geben und durch sie die Abrechnung von Krankenhausleistungen fast schon zur „Raketenwissenschaft“ geworden ist.

Fehlfinanzierung durch DRG

Die seit Beginn ihrer Einführung angeführte Kritik an den DRG nahm in den zurückliegenden Jahren dynamisch zu, weil sie exemplarisch ist für die in unserem Land häufig anzutreffende Regulierungsspirale. Zunächst gibt es gut klingende politische Ideen, worauf dann ein Regelwerk folgt, und wenn dies sich als nicht praxistauglich erweist, wird mit neuen Regeln oder Ausnahmen reagiert. Die DRG waren dafür besonders anfällig, weil bei ihnen betriebswirtschaftliche Fixkosten-Degressionsanalysen und eine juristische Akribie bei der Kostenträgerdefinition mit dem Neoliberalen zusammenfielen. Durch klar definierte diagnosebezogene Fallgruppierungen, die zwischenzeitlich eine Zahl von knapp 1 300 erreicht haben, sollten die Belegungszeiten in den Krankenhäusern reduziert und deren Wirtschaftlichkeit sollte verbessert werden.

Die genannte Zahl zeigt, dass es sich nicht um vergleichbare Wirtschaftsgüter handelt, deren Preis sich aus den Kosten und dem Wettbewerb ergibt, sondern dass das Produkt zunächst medizinisch zu definieren ist. Wechselwirkungen zwischen Haupt- und Begleiterkrankungen, medizinischen Maßnahmen und beispielsweise dem Patientenalter müssen erkannt und vor allem umfassend dokumentiert werden, bevor der Behandlungspreis feststeht. Damit hängt das wirtschaftliche Ergebnis der Häuser entscheidend von einer exakten und komplett dokumentierten Diagnose und vor allem von der Zahl der zu behandelnden Fälle ab. Das Streben nach einem Mengenwachstum ist vor allem relevant, weil die Vorhaltekosten komplett über die Fallpauschalen abzudecken sind.

Aus Fairnessgründen ist zu erwähnen, dass auch andere Länder wie die USA und Australien mit den DRG arbeiten, jedoch nicht als allgemeinverbindliches Abrechnungssystem. Die deutsche Unübersichtlichkeit bzw. der hiesige Bürokratiezwang zeigt sich demnach früh am internationalen Spitzenwert der Fallgruppen. Nachdem der Bundesgesetzgeber erkannte, dass das System zu sehr auf Fallzahlenmaximierung ausgerichtet wurde, ersann er im Sinne der Regulierungsspirale für das Budgetjahr 2017 den sogenannten Fixkostendegressionsabschlag. Durch ihn wurden Leistungen, die über das vereinbarte Budget hinausgingen, für drei Jahre nur noch zu 65 % vergütet. Der Abschlag wird in den Folgejahren unabhängig von der wirtschaftlichen Situation aus dem Budget herausgerechnet. Bei Leistungszahlen unter dem Schwellenwert wurden nur 20 % finanziert. Da Dienstleistungsbetriebe zur Abdeckung ihrer Fixkosten über Stückzahlen gezwungen sind, bestehen nur zwei Einflussmöglichkeiten: Entweder Wachstum („Produktionsausweitung“) oder Kostensenkung, die sich in dem „Dienstleistungssektor Krankenhaus“ bei insgesamt über 60 % Personalkostenquoten hauptsächlich auf diese Kostenart beziehen muss. Um diesem Ansatz wiederum eine Grenze zu setzen, wurde 2020 die Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung (PpUGV) mit dezidierten planwirtschaftlichen Vorgaben eingeführt mit dem Ergebnis hoher Strafzahlungen oder Bettensperrungen, wenn der Anteil Pflegefachkraft zu Patient unterschritten wird. Nun mag das verständlich sein, wenn genug Pflegekräfte auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. In Zeiten des ausgeprägten Fachkräftemangels sind sie verheerend, weil unter anderem Stationen geschlossen werden und sich damit Krankenhäuser vermehrt für den Rettungsdienst abmelden.

Problem der Leiharbeit

Eine Alternative zur Erfüllung der Untergrenzen stellt lediglich die deutlich teurere Leiharbeit dar, die eine bedrohliche Expansion im Gesundheitswesen entfaltet und die – das ergeben Stichproben – bis zu 25 % der Verluste der Krankenhäuser verursacht. Dass seitens des Bundes für dieses bedeutsame Kostenproblem keine Lösung geplant ist, zeigen die in Berlin gefundenen Sprachregelungen zu dem Thema. So wird immer wieder angeführt, dass für Arbeitgeberattraktivität zuvorderst die Häuser selbst verantwortlich sind, es eine Zunahme an Pflegekräften gab und die Mehrkosten für Leiharbeit vom Bund doch nicht finanziert werden, um die Inanspruchnahme nicht zu forcieren.

Gerade der zuletzt genannte Punkt zeigt die weite und teilweise auch schon zynische Entfernung des Bundesgesetzgebers von der Praxis. Sollen sich Häuser für Stationsschließungen entscheiden, Patienten abweisen oder unabhängig von nachsorgenden Angeboten vor die Tür setzen? Schnell entkräftet ist auch der Hinweis auf die absolut gestiegene Zahl an Pflegekräften, da diese die hohen Krankenstände nicht ansatzweise kompensieren.

Auch, dass die Häuser selbst für die Arbeitgeberattraktivität verantwortlich sind, ist vor diesem Hintergrund nicht mehr als eine Ausrede, weil nun gerade in diesem Artikel ausgezeigt wurde, wer die bürokratischen und rationalisierenden Arbeitsbedingungen in den Häusern geschaffen hat. Kommunalbehörden bzw. Einrichtungen des Gesundheits-, Bildungs- und Betreuungswesens ertränken sich sicher nicht selbst oder freiwillig in einem Meer an Paragrafen.

Leider ist auch nicht davon auszugehen, dass die am 10. Juli 2023 geschaffenen Grundlagen und unzähligen Prüfaufträge perspektivisch zum Bürokratieabbau und einer damit verbundenen Effizienzsteigerung führen. So ist die Annahme illusorisch, dass bundesseitig ein unkompliziertes Verfahren für die Herausnahme der Vorhaltekosten aus der Finanzierung und erst recht bei der Herstellung der Transparenz (durch intransparente Daten) ausgewählt wird. Beispielhaft stelle 2022 auch die Ausgliederung der Pflegepersonalkosten aus der Vergütung nach DRG eine wissenschaftliche Prüfung dar, die nicht alle bestanden. Zumindest dauerte es teilweise Jahre, bis einzelne Krankenhäuser mit endverhandelten Budgets arbeiten konnten. Bürokratie hat immer Ursachen. Von daher wird darauf zu achten sein, dass der Bund in den weiteren Abstimmungen trotz seiner verfassungsrechtlich klaren Unzuständigkeit bei der Krankenhausplanung nicht versucht, indirekt über kleinteilige Vorschriften und Richtlinien „Planung“ zu betreiben.

Vielmehr sind der Wegfall der Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung (PpUGV) und die strikte Regulierung der Leiharbeit angezeigt, um kurzfristig Entlastung zu schaffen. Auch mit der Ausweitung der Sicherstellungszuschläge zum Decken der Vorhaltekosten bei einzelnen Häusern (zum Beispiel mit einem Bezug zum Rettungsdienst) in der Fläche würde die nötige Zeit gewonnen, damit nicht die Insolvenzwelle durch die Bundesrepublik rollt, bevor in den Ländern die optimierten Krankenhausplanungen bzw. -strukturen stehen.

Es wäre in unserem Land nicht das erste Mal, dass eine marktgläubige und/oder bürokratisch zentralistische Vorgehensweise zu fatalen Ergebnissen führte: wirtschaftlich, sozial und politisch!

Peter Bohlmann, Landrat des Landkreises Verden, Vorsitzender des Jugend- und Sozialausschusses des Niedersächsischen Landkreistages