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Editorial

Wer soll das bezahlen?


Man fühlt sich an das berühmte Karnevalslied von Jupp Schmitz aus dem Jahr 1949 erinnert, wenn man den aktuellen Tarifabschluss im öffentlichen Dienst zur Kenntnis nimmt. Mindestens 12 % durchschnittliche Gehaltzuwächse, das ist ein starkes Signal an alle jetzt noch folgenden Tarifverhandlungen. Niemand kann ernsthaft erwarten, dass andere Gewerkschaften, wie zum Beispiel der Marburger Bund, sich dieses Ergebnis nicht zum Vorbild nehmen werden. Jenseits der Krankenhäuser werden die Löhne und Gehälter in den öffentlichen Einrichtungen und Behörden durch steigende Gebühren oder entsprechende Steuereinnahmen in den kommunalen Haushalten refinanziert. Bezahlen werden also alle Steuer- und Gebührenzahler, die die Dienstleistungen öffentlicher Einrichtungen in Anspruch nehmen.

Anders sieht das in den Krankenhäusern aus. Hier müssen die hohen Tarifsteigerungen zumindest jenseits des Pflegedienstes ganz wesentlich durch Einsparungen refinanziert werden. Denn die bisherigen Finanzierungsregeln sehen vor, dass die Steigerungen der Tariflöhne nur zur Hälfte erlöswirksam ausgeglichen werden. Das hat noch nie ausgereicht und wird ganz besonders bei dieser Tarifrunde bleibende Spuren in den Ergebnissen der Klinikträger hinterlassen.

Nun könnte man angesichts der vielfach zu lesenden Meldungen über hohe Defizitausgleiche durch die kommunalen Haushalte für ihre Krankenhäuser auf die Idee kommen, dass es die Aufgabe der öffentlichen Haushalte sei, die Krankenhausversorgung zu kofinanzieren. Das ist aber Mitnichten der Fall. Solche Defizitausgleiche sind nicht nur wegen der wettbewerbsrechtlichen Verzerrungen ein Problem, sie sind auch systemwidrig, weil sie die gesetzliche Pflicht der Kostenträger zur Zahlung einer angemessenen und damit grundsätzlich kostendeckenden Vergütung in Frage stellen. Wenn praktisch kaum noch ein Klinikträger ein positives Betriebsergebnis aus seinem operativen Krankenhausgeschäft erzielen kann, darf man mehr als nur Zweifel an der aktuellen Funktionsfähigkeit unseres Finanzierungssystems haben. Die aktuellen Preise, die die Krankenhäuser über den Landesbasisfallwert und die PEPP Entgelte abrechnen sind eindeutig gesetzeswidrig, denn die wirtschaftliche Existenz der Krankenhäuser ist nicht mehr gewährleistet, wenn die Selbstkosten in der Gesamtschau bei der Preisgestaltung unterschritten werden.

Für die Jahre 2023 und 2024 brauchen wir jetzt dringend die politische Entscheidung, dass die Personalkostensteigerungen in vollem Umfang von den Krankenkassen und damit von den Beitragszahlungen refinanziert werden. Schon vor diesem Tarifabschluss war die wirtschaftliche Lage der deutschen Krankenhäuser miserabel. Dies hat mittlerweile auch Bundesgesundheitsminister Lauterbach erkannt, und er betont es auch immer wieder in seinen öffentlichen Aussagen („die Krankenhäuser sind in höchster Not“) zur aktuellen Lage. Nur Konsequenzen aus dieser Erkenntnis werden bisher nicht gezogen. Selbst unter Berücksichtigung der Einmalzahlungen für die Energiehilfe türmen sich die branchenweiten Defizite bis Ende 2023 auf über 10 Mrd. € auf. Dieser Tarifabschluss im öffentlichen Dienst und die weiteren noch folgenden Tarifabschlüsse werden dieses Defizit nochmals deutlich erhöhen, weil die Schere zwischen Kosten- und Erlösentwicklung immer weiter auseinanderklafft. Der kalte Strukturwandel über Insolvenzen ist mittlerweile in allen Bundesländern und Regionen angekommen. Obwohl die Politik nicht müde wird, zu betonen, dass ein solcher kalter Strukturwandel nicht in ihrem Interesse liegt, sieht sie tatenlos zu wie ehemals solvente Klinikträger ins straucheln kommen.

Was wir jetzt brauchen ist ein schnelles und umfassendes Vorschaltgesetz, das den dauerhaften Inflationsausgleich und die volle Refinanzierung der aktuellen und zukünftigen Personalkostensteigerungen regelt. Die Lage am Arbeitsmarkt und der Wettbewerb um die Fachkräfte wird auch in den kommenden Jahren zu ungewohnt hohen Tarifabschlüssen führen. Die von vielen Ökonomen befürchtete Lohn-Preisspirale hat längst eingesetzt.

Auch die Gesundheitspolitiker müssen sich dieser Realität stellen und die Mechanismen der Krankenhausfinanzierung endlich neu justieren. Ansonsten stehen sie und wir alle im Herbst vor den Scherben ihrer Untätigkeit.

DKG-Vorstandsvorsitzender

Dr. Gerald Gaß