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Interviews und Meinungen

„Mangelnder Wille zum Dialog, praxisferne, starre Bundesvorgaben“


NGK-Vorsitzender Rainer Rempe. Foto: Pucknat/NKG

Vor allem bedarfsnotwendige Kliniken auf dem Land sollen, so Bundesgesundheitsminister Lauterbach, besonders von der geplanten Krankenhausreform profitieren. Wird das gelingen?

Es bleibt schleierhaft, wie der Bundesgesundheitsminister dieses selbst formulierte Ziel erreichen will. Die wirtschaftliche Schieflage der Kliniken spitzt sich flächendeckend zu, während der Bund sich weigert, dieser Entwicklung etwas Substanzielles entgegenzusetzen. Der unkontrollierte Strukturwandel setzt sich ungebremst fort. Der vorliegende Referentenentwurf zum Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) gibt ebenfalls keinen Anlass zur Hoffnung. Gerade in einem Flächenland wie Niedersachsen erfüllt uns das mit großer Sorge.

Woran mangelt es den Reformplänen Karl Lauterbachs aus Ihrer Sicht?

Anstatt die Krankenhausträger in die Reform einzubeziehen, entscheidet der Bundesgesundheitsminister weitgehend am grünen Tisch und versucht seine zentralistischen Vorstellungen vom Umbau der Krankenhauslandschaft im Alleingang zu verwirklichen. Neben einem mangelnden Willen zum Dialog kritisieren wir insbesondere, dass der Minister eine frühzeitige Auswirkungsanalyse zu seinen theoretischen und praxisfernen Vorschlägen verweigert. Und das, obwohl sein Reformgesetz gravierende Folgen für jeden einzelnen Krankenhausstandort und die wohnortnahe stationäre Versorgung der Bevölkerung hat. Gerade die besonderen Aspekte der Flächenländer wie Niedersachsen finden in den starren Bundesvorgaben keine ausreichende Berücksichtigung.

Im Rahmen einer „Enquetekommission zur Sicherstellung der ambulanten und stationären medizinischen Versorgung“ haben sich Landtagsabgeordnete kurz vor der Coronapandemie intensiv mit Experten und Praktikern des Gesundheitswesens ausgetauscht, angelehnt an die Ergebnisse wurde für die aktuelle Krankenhausplanung in Niedersachsen ein Versorgungsstufenmodell mit acht Versorgungsregionen installiert. War das alles vergebens?

Wir haben in Niedersachsen unsere Hausaufgaben vorbildlich erledigt und sind vom Bund ausgebremst worden. Als Krankenhausgesellschaft waren wir aktiv in der Enquetekommission des Landtags beteiligt. Insofern wäre es sehr enttäuschend, wenn die Erkenntnisse aus diesem sehr konstruktiven, transparenten und kooperativen Prozess nicht in die Praxis einfließen würden. Die Novellierung des Niedersächsischen Krankenhausgesetzes ist zwischenzeitlich auf Grundlage der Enquetekommission erfolgt. Eine Konkretisierung war in einer weiteren Verordnung geplant, wurde aber im vergangenen Jahr wegen der Diskussionen um die Bundesreform weitgehend zurückgestellt. Das Land sollte nun alles daransetzen, seine eigenen Planungen auch unabhängig vom Erfolg oder Misserfolg der Pläne von Professor Lauterbach umzusetzen. Die Krankenhäuser sind aus eigenem Antrieb mitten in der Umsetzung des schon länger geplanten Strukturwandels. Dieser bereits eingeschlagene Weg in Niedersachsen muss unbedingt fortgesetzt werden und darf nicht durch zentralistische Erwägungen des Bundes ausgebremst werden.

Was erwarten, was erhoffen Sie vom Gesundheitsminister Niedersachsens, Herrn Dr. Philippi?

Im Hinblick auf die Krankenhausreform erwarten wir vom Gesundheitsminister, dass das Land Niedersachsen keine Kompetenzen in der Krankenhausplanung abgibt. Die Planung der Krankenhausstrukturen ist originäre Aufgabe des Landes. Daran darf nicht gerüttelt werden. Im Hinblick auf das KHVVG und zugehörige Verordnungen des Bundes gilt: Niedersachsen darf nicht die „Katze im Sack kaufen“. Die Länder müssen vor dem Inkrafttreten der Reform Klarheit über ihre konkreten Auswirkungen haben. Zudem müssen neben der Entscheidung über die Versorgungsstrukturen die notwendigen Investitionsmittel für den Umbau der Krankenhauslandschaft zur Verfügung gestellt werden. Außerdem ist es richtig und konsequent, dass Minister Dr. Philippi die Einlösung des Versprechens von Professor Lauterbach einfordert, den Landesbasisfallwert noch im Jahr 2024 für das Jahr 2024 anzuheben. Das ist ein Gebot der Redlichkeit.

Wie wird die Krankenhauslandschaft in Niedersachsen in vier Jahren aussehen, wie in zehn Jahren?

Ohne die Bundes-Bremse durch die stockenden Reformbemühungen des KHVVG wären wir in vier Jahren sicher schon weiter. Die Krankenhäuser haben vielfach konkrete Pläne und Medizinkonzepte entwickelt um Zusammenlegungen von Standorten, Fusionen und eine Konzentration der Leistungserbringung im Rahmen von Kooperationen zu erreichen. Die aktuellen Unsicherheiten, wer was künftig noch machen darf, halten die Planungen unnötig auf. Wenn dieser Knoten gelöst wird und auf einer soliden Finanzierungsbasis eine geplante Umstrukturierung gelingt, werden wir in Niedersachsen in zehn Jahren ein gestuftes Versorgungssystem haben, welches in den acht Versorgungsgebieten den Bürgerinnen und Bürgern in einer Balance zwischen flächendeckender Grundversorgung und gut erreichbarer Spezialversorgung die bestmögliche Versorgung bietet.

Haben Sie einen Grundsatz, ein Credo, das Ihre Arbeit als NKG-Vorsitzender leiten wird?

Moderne und bedarfsgerechte Krankenhausstrukturen müssen stets gemeinsam mit den Krankenhausträgern geplant werden. Die Berücksichtigung von Trägervielfalt und die Konzentration auf die gemeinsamen Interessen aller Krankenhäuser sind die Stärken der NKG. Dieses Wesensmerkmal des Verbands wird in den kommenden Jahren noch an Bedeutung gewinnen. Mein Wunsch ist, dass die NKG weiterhin als Hör- und Sprachrohr aller Krankenhäuser wahrgenommen und in die Entscheidungsprozesse eingebunden wird. 

Zur Situation der Kliniken in Niedersachsen siehe siehe auch hier