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Zwischen Aufbruchstimmung und Frust


Mit klaren Zielbildern sind Veränderungen möglich, sagt Dr. Detlef Troppens, Vorstandsvorsitzende der Landeskrankenhausgesellschaft Brandenburg e. V. Foto: Oberhavel Kliniken GmbH


Michael Jacob, Geschäftsführer der Landeskrankenhausgesellschaft e. V., will, dass der Zugang zur Medizin auch in ländlichen Regionen Brandenburgs gesichert bleibt. Foto: LKB

Vor über 30 Jahren standen die Brandenburger Krankenhäuser schon einmal vor großen Veränderungen: Nach der Wende sind in wenigen Jahren über 36 % der Krankenhauskapazitäten abgebaut worden und die Zahl der Krankenhäuser ist von 73 auf heute 54 reduziert worden. Ein Prozess, der heute noch bei vielen Brandenburgern in Erinnerungen ist. Er hat von vielen Menschen viel abverlangt. Er hat aber auch gezeigt, dass Veränderungen möglich sind. „Ein klares Zielbild, ein kritisch-konstruktives Miteinander und begleitend die notwendigen Finanzmittel,“ so Dr. Detlef Troppens, Vorstandsvorsitzender der Landeskrankenhausgesellschaft Brandenburg e. V., „waren die zentralen Eckpfeiler, die zum Erfolg, zu einer funktionierenden Krankenhauslandschaft geführt haben“.

Heute stehen die Brandenburger Krankenhäuser wieder vor enormen Herausforderungen: nach Coronapandemie, Ukrainekrieg und Inflation mit struktureller Unterfinanzierung, die alle Krankenhäuser gleichermaßen trifft. In einem Flächenland mit einer Metropolregion, geprägt von Zuzug und steigender Wirtschaftskraft, aber auch mit dünn besiedelten Räumen und einer alten und immer älter werdenden Bevölkerung.Und heute steht zu befürchten, dass die von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) avisierte Krankenhausreform die Gesundheitsversorgung im Land Brandenburg vor unlösbare Probleme stellt.

Zugang zur Medizin sicherstellen

„Für uns stellt sich nicht die Frage, wie kann ich Strukturen weiter konzentrieren und eine maximale Versorgung auf möglichst universitärem Niveau sicherstellen, so, wie es Herr Lauterbach offenbar gerne möchte, sondern für uns stellt sich die Frage, wie kann ich überhaupt den Zugang zur Medizin sicherstellen“, sagt Michael Jacob, Geschäftsführer der Landeskrankenhausgesellschaft e. V.

Wie kann man eine Bevölkerung in einem dünn besiedelten Raum mit medizinischen Leistungen versorgen? Und wie schafft man das, wenn auch noch die niedergelassenen Strukturen wegfallen? Selbst die Kassenärztliche Vereinigung (KV) in Brandenburg räumt ein, dass Arztsitze sich oftmals nicht mehr besetzen lassen, weil sich in den ländlichen Gegenden einfach kein Arzt mehr niederlassen will. Dr. Troppens, der auch Geschäftsführer der Oberhavel-Kliniken GmbH ist, beschreibt die Lage an einem konkreten Beispiel: „Nehmen wir mal den Landkreis Oberhavel, da wo ich arbeite. Nördlich von Oranienburg bis nach Mecklenburg gibt es keinen niedergelassenen Kinderarzt mehr, nur noch einen Psychiater.“ Die Folge: Eltern mit kranken Kindern hätten jetzt schon weite Wege. Im Moment gebe es zwar noch kleine Kliniken mit Rettungsstellen und mit medinisch besetzten Strukturen. Doch was passiert nach einer Umsetzung der Klinikreform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach? Wenn Qualitätsanforderungen, Mindestmengen Personalvorgaben und Kombinationen von Leistungsgruppen diese kleinen Kliniken in noch größere wirtschaftliche Notlagen führen und vom Netz gehen? Dann könnte auf dem märkischen Land die medizinische Unterversorgung drohen. Und die Vorhaltefinanzierung ist zwar vom Prinzip her der richtige Ansatz, in der vorgelegten, mengenabhängigen Variante aber letztendlich wirkungslos.

Ein weiteres Manko der Klinikreform des Bundes sei, so Dr. Troppens, dass der Bundesgesundheitsminister Qualität nur an Strukturen festmache. Es gehe ihm nicht um Ergebnisqualität. „So wird der Begriff der Qualität missbraucht, um neue Strukturen zu schaffen. Die Bevölkerung wird angelogen.“

Jacob sagt, die Klinikreform der Bundesregierung kranke an vielem. Diese gehe grundsätzlich davon aus, dass es überall zu viele Kliniken mit zu schlechter Qualität gebe. Vor allem für den Osten Deutschlands treffe dies nicht zu. Jacob: „Man braucht Klinikstrukturen, vor allem wenn es keine mehr oder nur noch ausgedünnte ambulante Strukturen gibt.“ Und man brauche flexible Instrumente für eine ambulant-stationäre Versorgung, man benötige regionale Gestaltungskompetenz und die Planungshoheit der Länder müsse gesichert sein.

Für das Flächenland Brandenburg sei die Erbringung von Leistungen durch Kooperationen sowie eine sektorenübergreifende Versorgung von Gesundheitseinrichtungen ein entscheidender Hebel für die Sicherstellung einer wohnortnahen, hochwertigen medizinischen Versorgung.

Ländliche Strukturen

Auch Brandenburgs Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Die Grünen) habe sich beim Ringen der Länder mit dem Bund um eine Modifizierung des KHVVG immer wieder hörbar für die speziell ländlich geprägte Struktur ihres Bundeslandes und für die kleinen Kliniken im Land Brandenburg stark gemacht. Tatsächlich bekommt die rot-schwarz-grüne Landesregierung in Brandenburg von der Krankenhausgesellschaft Brandenburg gute Noten für ihre Gesundheitspolitik. Die Investitionen des Landes in die Kliniken wurden nach und nach angehoben, betragen mittlerweile die für die Substanzerhaltung dringend notwendigen gut 200 Mio. € im Jahr. Eine Kraftanstrengung, die bundesweit einmalig sei – aber jetzt dringend für die kommenden Jahre verstetigt werden müsse. Sowohl SPD wie auch Bündnis 90/Die Grünen hätten dies zumindest in ihre Wahlprogramme aufgenommen.

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) bekräftigte im Rahmen einer Krankenhauskonferenz seine Forderung an den Bund, dass Voraussetzungen geschaffen werden, um alle Krankenhausstandorte im Land erhalten zu können: „Für uns in Brandenburg hat die Bewahrung der flächendeckenden, qualitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung höchste Priorität. Wir übernehmen mit großer Entschlossenheit Verantwortung für unsere Krankenhäuser, damit diese auch zukünftig als Standorte der Gesundheitsversorgung zur Verfügung stehen. Von einer echten Reform erwarten wir Versorgungssicherheit, Sicherung von Qualität, Bürokratieabbau und finanzielle Stabilität.“

Angesichts der bei allen Kliniken in Deutschland klaffenden Finanzlücke bei den Betriebskosten, für die der Bundesgesundheitsminister die Verantwortung trage, versucht das Land Brandenburg für seine Kliniken Hilfestellung zu geben. Die Brandenburgische Staatskanzlei hat den klammen Kliniken Kredite bei der Investitionsbank des Landes in Aussicht gestellt. Nur leider sieht das EU-Beihilferecht keine günstigen Kreditkonditionen vor. Die Zinsen betragen 7 %. Kaum eine finanzschwache Klinik wird dieses Angebot wahrnehmen können. Aber wie gesagt: es ist Aufgabe des Bundes, für eine ausreichende Finanzierung der Betriebskosten zu sorgen.

Finanzspritzen für kommunale Kliniken

Bisher gab es mit dem Fall des Krankenhauses Spremberg erst eine Klinikinsolvenz in Brandenburg. Man könnte meinen, dann sei die Lage ja gar nicht so dramatisch in Brandenburg. Doch weit gefehlt. Denn würden Städte und Landkreise ihren kommunalen Häusern derzeit nicht so massiv unter die Arme greifen, zum Teil zweistellige Millionenbeträge zuschießen, dann würde es für einige Kliniken düster aussehen. Beispiele sind das kommunale Klinikum Ernst von Bergmann. Die Landeshauptstadt Potsdam hat im Haushalt für 2023 bis 2025 eine Summe von insgesamt 58,5 Mio. € für die anteilige Finanzierung des Klinikums Ernst von Bergmann eingeplant, um dieses finanziell zu stabilisieren. Das finanziell angeschlagene Universitätsklinikum Ruppin-Brandenburg (UKRB) in Neuruppin bekam vom Kreistag Ostprignitz-Ruppin 13 Mio. € zugesprochen als Rettungsschirm. Ohne diese großen Finanzspritzen könnten diese Kliniken nicht mehr überleben. Das Geld fehlt nun aber an anderer Stelle für kommunale Aufgaben.

Die Brandenburger Krankenhäuser stehen trotz allem für einen Veränderungsprozess bereit, der Standorte neu strukturiert, der neue Versorgungsmodelle implementiert und kooperative Formen der Zusammenarbeit fordert. Das hat gute Tradition in Brandenburg: Viele Modelle sind hier erfolgreich erprobt worden. Beispielsweise arztentlastende Instrumente wie AGNES2 oder ambulant-stationäre Strukturen wie in Templin und Spremberg. Aber sie brauchen den passenden ordnungspolitischen Rahmen – der zurzeit leider (noch) nicht gegeben ist.

Und es braucht eine in der Verantwortung des Landes liegende Krankenhausplanung. Hier habe sich das Land Brandenburg auf den Weg gemacht, mit Blick auf die neue Welt die Planung weiterzuentwickeln. Aber mit den Beteiligten, nicht gegen sie. Auf der Basis von Regionalanalysen finden Dialogformate in den Regionen, teilweise heruntergebrochen auf Landkreisebene statt, an denen auch die Landeskrankenhausgesellschaft beteiligt sei. Ein besonderer Fokus liege hierbei auf der Lausitz, in der am 1. Juli 2024 die erste staatliche Universitätsmedizin in Cottbus startet und der Aufbau vernetzter Strukturen fest geplant seien. In einer die Krankenhausplanung begleitenden Arbeitsgruppe würden zudem der Planungsprozess, die Planungsinhalte und die Methodik besprochen.

Leistungsgruppen nach NRW-Vorbild

Das Land Brandenburg wolle methodisch die Leistungsgruppen (nach NRW-Systematik) einführen. Die Landeskrankenhausgesellschaft bewertet dies unter der Bedingung, dass die Vorgaben flexibel ausgestaltet und Kooperationen möglich sind als gangbaren Weg. Theoretisch müssten die Feststellungsbescheide zum 1. Januar 2026 an die Brandenburger Kliniken rausgehen, so zumindest lautet die Planung des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) bzw. abgeleitet aus der Lesart des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes (KHVVG). „Das ist extrem ambitioniert“, sagt Michael Jacob, vor dem Hintergrund, dass ein bereits routiniertes Planungsverfahren normalerweise zwei Jahre benötige.

Gleichzeitig werde der Planungsprozess mit dem Land Berlin abgestimmt, welches ebenfalls Leistungsgruppen als Planungsmethodik einführen wolle. Dies schließe neben methodischen Fragen auch Aspekte wie den Planungshorizont oder die Abstimmung zu einzelnen hochspezialisierten Leistungen (Schwerbrandverletze, Transplantationen etc.) mit ein. Auch hier seien die für die Gesundheitsversorgung relevanten Akteure aus beiden Ländern über einen Regionalausschuss beteiligt. Im Ergebnis werde es aber – schon alleine aus rechtlichen Gründen – zwei Krankenhauspläne geben. Dies schließe natürlich die Zusammenarbeit über die Ländergrenzen nicht aus. Schon heute gebe es in der Telemedizin und der Teleradiologie gut funktionierende Kooperationen.

Damit in Zukunft die Gesundheitsversorgung flächendeckend gelingen könne, werde es entscheidend darauf ankommen, das entsprechende Fachpersonal für die Einrichtungen auszubilden, zu gewinnen und zu halten. Auch hier sei man im Land Brandenburg auf allen Ebenen aktiv. Ein wichtiger Baustein seien die ausländischen Fachkräfte, die schon heute einen wesentlichen Beitrag für die gesundheitliche Versorgung der Brandenburger Bevölkerung leisteten.

Es werde sich zeigen, wie sich hier der jüngste Wahlerfolg der AfD bei der gleichzeitig stattgefundenen Europa- und Kommunalwahl auswirke. In vielen Kreistagen ist die AfD nun stärkste Kraft und sitzt damit auch in den Aufsichtsräten von kommunalen Krankenhäusern.

Der Verfassungsschutz indes hat den Landesverband der AfD Brandenburg als rechtsextremen Verdachtsfall eingestuft, einzelne Mitglieder der AfD als gesichert rechtsextrem. 

Am 22. September 2024 sind in Brandenburg Landtagswahlen. Im Moment würde die jetzige Landesregierung aus SPD, CDU und Grünen keine Mehrheit mehr bekommen.

Tanja Kotlorz