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Klinikreform: Bund und Länder einigen sich


Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) (mi.), NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (li.)(CDU), Hamburgs Gesundheitssenatorin Melanie Schlotzhauer (SPD) und Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) (re.) bei der Präsentation der Eckpunkte der Klinikreform. Foto: Kotlorz

Bund und Länder haben sich auf Eckpunkte für eine Krankenhausreform geeinigt. 14 Länder stimmten für das Eckpunktepapier, Bayern stimmte dagegen, Schleswig-Holstein enthielt sich. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sprach – etwas weniger großspurig als zuvor – von „einer Art Revolution“.

Die Vergütung soll künftig zu 60 % auf Vorhaltekosten basieren. Die Kriterien für Leistungsgruppen sollen im Rahmen eines dreistufigen Systems weiterentwickelt werden. Mit einem Transparenzgesetz für Kliniken will Lauterbach das Konzept der Einteilung der Kliniken in unterschiedliche Level retten - und in alleiniger Regie des Bundes realisieren.

Konkret sehen die Reformpläne vor:

Das Vergütungssystem mit Pauschalen für Behandlungsfälle (DRG) soll geändert werden. Das soll Krankenhäuser von wirtschaftlichem Druck und einem „Hamsterrad“ befreien, wie Lauterbach erläuterte - also von dem Druck zu immer mehr Fällen und teils auch zu Eingriffen, für die keine große Expertise bestehe. Künftig solle es daher einen großen Anteil der Vergütung, insgesamt 60 % allein für das Vorhalten von Leistungsangeboten an sich geben. Darin seien auch die Kosten für das Pflegepersonal am Bett enthalten. Durch die Einführung der Vorhaltefinanzierung erfolgt zwar eine neue Verteilung des bestehenden Erlösvolumens, allerdings ohne dass sich grundsätzlich das Erlösvolumen durch die Einführung der Vorhaltevergütung insgesamt erhöht.

Grundlage der Finanzierung durch die Krankenkassen sollen künftig genauer definierte Leistungsgruppen sein. Dafür müssten einheitliche Qualitätsvorgaben etwa bei der Ausstattung, bei Personal und Behandlungserfahrungen erfüllt sein. Das führe zu einer Konzentration vor allem komplexerer Behandlungen wie bei Krebs auf spezialisierte Krankenhäuser. Die kleinen Kliniken könnten sich dabei auf das konzentrieren, was sie besonders gut könnten, nämlich einfache Fälle zu versorgen, erläuterte Lauterbach. 2026 soll das Leistungsgruppensystem budgetrelevant werden.

Die Einteilung der Kliniken in unterschiedliche Level - von der wohnortnahen Grundversorgung über eine zweite Stufe mit weiteren Stufen bis zu Maximalversorgern wie Universitätskliniken mit Level 3 U - und eine stärker steuernde Funktion darüber hatten die Länder im Vorfeld abgelehnt. Nun will Lauterbach diese Kategorisierung mit Hilfe eines „Transparenzgesetzes“ in alleiniger Regie des Bundes realisieren. Daten zur Behandlungsqualität aller Kliniken sollen als Information für Patienten veröffentlicht werden. Dies will der Bund zum 1. Januar 2024 umsetzen. Transparent gemacht werden soll dafür auch die Verteilung der Leistungsgruppen auf die Kliniken.

Für die Ausarbeitung des Gesetzentwurfs sollen für die Länderseite Hamburg, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen sowie - für die Belange Ostdeutschlands -Mecklenburg-Vorpommern beteiligt werden.

Die Reform soll zum 1. Januar 2024 in Kraft treten, so Lauterbach. Die konkrete Umsetzung in den Budgets der Kliniken solle in den Jahren danach schrittweise wirksam werden.

Bis zuletzt gab es Gerangel um die Forderungen der Länder nach einer vorgeschalteten Finanzspritze des Bundes angesichts akuter Finanznöte vieler Kliniken. Lauterbach sagte auch mit Blick auf die Haushaltslage, das werde geprüft, fügte aber gleich hinzu: „Ich kann da keine Hoffnungen machen.“ Bis die Reform wirke, würden leider noch Kliniken in die Insolvenz gehen - das liege seiner Ansicht nach aber daran, dass die Reform nicht schon früher gemacht worden sei.

Der Bund sage lediglich zu, eine Abschätzung zu den Folgen der Finanzreform darzustellen. Den Ländern sollten hierzu „geeignete Auswirkungsanalysen und Modellrechnungen zur Verfügung gestellt werden“, so steht es im Eckpunktepapier.

Der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) kritisierte die Eckpunkte als unzureichend. „Die bayerische Gegenstimme ist keine Verweigerungshaltung, sondern ein Ausdruck eines demokratischen Widerspruchs, dass wir in der Sache noch nicht übereinstimmen. Gleichwohl bin auch ich überzeugt, dass wir eine Krankenhausreform brauchen, und klar ist auch, dass das heutige Ergebnis in wesentlichen Passagen die Handschrift Bayerns trägt. Jetzt werden wir prüfen, wie Bayern sich in den weiteren Gesetzgebungsprozess konstruktiv einbringen kann“, sagte Holetschek. Völlig unklar sei seines Erachtens weiterhin, welche Qualitätsvoraussetzungen die Bundesregierung bei den Leistungsgruppen ansetzen wolle.

Holetschek ergänzte: „Bayern sieht sich als Anwalt für die flächendeckende Krankenhausversorgung – von der wohnortnahen Grundversorgung bis zur Spitzenmedizin. Ich bin enttäuscht über die falsche Qualitätsdebatte, die Herr Lauterbach in den vergangenen Wochen aufgemacht hat. Ein kurzer Weg ins nächste Krankenhaus ist auch ein wichtiges Qualitätsmerkmal. Ich denke da zum Beispiel an unser ausgezeichnetes und deutschlandweit beispielloses Schlaganfallnetzwerk in Bayern. Dieses Netzwerk rettet Leben. Und das Netzwerk lebt von den Normal- und Regelversorgern.“

Der Minister betonte: „Jetzt erwarte ich, dass der Bund sich auf seine Finanzierungsverantwortung besinnt und ein kaltes Kliniksterben verhindert. Die Finanzierung der Betriebskosten reicht schon jetzt absehbar für 2024 nicht. Da muss der Bund nachlegen, und GMK-Beschlüsse mit 16:0 dazu sprechen eine klare Sprache.“

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft kritisierte ebenfalls eine fehlende Planungssicherheit und warnte: „Die Insolvenzwelle rollt, und die Versorgung wird sich verschlechtern.“

Zu den Eckpunkten der Krankenhausreform erklärt der DKG-Vorstandsvorsitzende Dr. Gerald Gaß:

„Das Ergebnis der Bund-Länder-Gespräche ist in seinen konkreten Auswirkungen enttäuschend. Aus der großen Krankenhausreform, die vollmundig als Revolution angekündigt wurde, wurde nun ein Eckpunktepapier voller Absichtserklärungen und Prüfaufträgen.“ Natürlich sei es gut und richtig, dass man sich auf Eckpunkte für diese Reform geeinigt habe, denn „wir brauchen diese Reform dringend“, so Gaß. Positiv sei auch, dass man von dem radikalen Totalumbau, den die Regierungskommission und Minister Lauterbach ursprünglich durchsetzen wollten, Abstand genommen habe und sich auf das Modell aus Nordrhein-Westfalen geeinigt habe, das unter Beteilung von Krankenkassen und Krankenhausgesellschaft entwickelt worden sei. Positiv sei auch, dass es Öffnungsklauseln gebe, um regionale Besonderheiten abzudecken. „Doch das wiegt die negativen Auswirkungen für die nähre Zukunft nicht auf“, sagte der DKG-Vorstandsvorsitzende.

Der Bundesgesundheitsminister selbst habe konstatiert, dass es in den kommenden Monaten und Jahren zu vielen Krankenhaus-Insolvenzen kommen wird. Das werde aber lapidar hingenommen. Um die inflationsbedingten Mehraufwände auszugleichen, sehe das Eckpunktepapier nur einen Prüfauftrag für den Bund vor, ob denn noch Gelder vorhanden sein könnten. Gleichzeitig werde dieser Prüfauftrag durch die Aussagen bei der Pressekonferenz schon wieder zur Makulatur, denn der Bundesgesundheitsminister betonte, dass er hier keine Hoffnung machen könne.

Dr. Gaß weiter: „Für den großen Transformationsprozess gibt es auch nur eine Absichtserklärung einen entsprechenden Fonds aufzulegen. Näheres bleibt aber vollständig unklar. Für einen geordneten Transformationsprozess wäre es aber dringend erforderlich gewesen, klarzustellen, welche Mittel für den Umbau der Krankenhauslandschaft bereitgestellt werden. Dort wo Krankenhausstandorte geschlossen werden sollen, müssen an anderen Stellen Krankenhäuser erweitert oder neu gebaut werden. Diese fehlende Planungssicherheit ist auch für die Menschen in der Region, gerade in den ländlichen Gebieten hoch problematisch. Die Länder haben sich noch nicht einmal zu einer verbindlichen Selbstverpflichtung zur Aufstockung ihrer Investitionsmittel auf das erforderliche Niveau bereit erklärt. Damit negieren auch die Länder ihren Anteil an der derzeitig miserablen Lage der Krankenhäuser.“

Die Ministerinnen und Minister setzten ihre Hoffnung einzig und allein auf die Vorhaltepauschalen, die gezahlt werden sollen. Dabei werde klar, dass diese Finanzreform auch erst 2027 wirksam werden könne. Bis dahin blieben die Krankenhäuser mit ihren Problemen alleine. „Die Insolvenzwelle rollt und die Versorgung wird sich verschlechtern“, warnte Dr. Gaß.

Auch beim Thema Entbürokratisierung gelte: Keine einzige konkrete Maßnahme, nur Absichtserklärungen. Es sei dringend erforderlich, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kliniken von überflüssiger Bürokratie entlastet werden. "Das ist eine der zentralen Maßnahmen, um dem Personalmangel entgegenzutreten. Klare Aussagen und Maßnahmen fehlen aber komplett“, sagte Dr. Gaß.

Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi mahnt anlässlich des zwischen Bund und Ländern beschlossenen Eckpunktepapiers zur Krankenhausreform dringend, die Kliniken jetzt finanziell zu unterstützen. „Keine Klinik darf aus akuter wirtschaftlicher Not geschlossen werden, bevor die Reform überhaupt greifen kann“, sagte Verdi-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler. „Das Vertrauen darf nicht verspielt werden, dass Kliniken, die für die wohnortnahe Versorgung gebraucht werden, bestehen bleiben.“

Bühler bedauerte, dass Bund und Länder das System der Fallpauschalen nicht vollständig abschaffen wollen. „Der gefundene Kompromiss ist weit weg von einer Revolution. Wirtschaftlichen Druck von den Kliniken zu nehmen, ist überfällig – ob das durch die 60 % Vorhaltepauschalen erreicht wird, kann erst bewertet werden, wenn die konkrete Ausgestaltung bekannt ist.“ Verdi kritisiert zudem, dass der Druck zur Senkung der Personalkosten außerhalb der Pflege am Bett bestehen bleibe.

Tanja Kotlorz