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Hamburger Krankenhaustag 2024


Jörn Wessel, 1. Vorsitzende der Hamburgischen Krankenhausgesellschaft, forderte beim Hamburger Krankenhaustag 2024 eine Wiedervorlage der Leistungsgruppen mit Auswirkungsanalyse und eine Option für regionale Nachsteuerungen. Foto: Kotlorz

Der Hamburger Krankenhaustag 2024 stand am 20. Juni ganz im Zeichen der Klinikreform des Bundesgesundheitsministeriums (BMG). Weder die Kritik der Länder noch die Verbesserungsvorschläge der Krankenhäuser zum Entwurf des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes (KHVVG) des BMG hätten bisher Berücksichtigung gefunden, sagte Jörn Wessel, 1. Vorsitzender der Hamburgischen Krankenhausgesellschaft, zur aktuellen politischen Lage. „So verhärtet waren die Fronten zwischen Bundes- und Landesebene, zwischen Krankenhäusern und Politik selten“, so Wessel. Die wesentlichen Probleme der Versorgung würden mit diesem Gesetzentwurf nicht gelöst werden. Weder führe die Krankenhausreform zu einer Entökonomisierung, noch zu einem Bürokratieabbau - ganz im Gegenteil. Das Defizit bei den Betriebskosten aus der Vergangenheit bleibe und stranguliere die Kliniken weiterhin. Für die unmittelbare wirtschaftliche Stabilisierung der Krankenhäuser fordert die Hamburgische Krankenhausgesellschaft eine sofortige, noch für 2024 wirksame Erhöhung des Landesbasisfallwerts mindestens bis zur Höhe des Orientierungswertes (6,95 %). Eine auskömmliche Finanzierung müsse Ziel und Ergebnis der Reform sein. Derzeit werde dieses Ziel verfehlt, denn die Krankenhausreform treffe hierfür nicht die notwendigen Weichenstellungen.

Ungelöst sei auch das Problem der unzureichenden Investitionsfinanzierung. Unverständlich sei, dass auch nach eineinhalb Jahren noch keine Auswirkungsanalyse der geplanten Klinikreform vorliege. Weder die Kliniken noch die Bevölkerung würden erfahren, welche Auswirkungen die Klinikreform auf die einzelnen Häuser haben werde. „Wir halten dies für unverantwortlich“, kommentierte Wessel unter Applaus des Fachpublikums.

Die Forderungen der HKG: Wiedervorlage der Leistungsgruppen mit Auswirkungsanalyse und eine Option für regionale Nachsteuerungen. Die Mindestfallzahlen, wie vom Bund geplant, lehnt die HKG ab. Die im KHVVG geplante Vorhaltefinanzierung sei ebenfalls ungeeignet, da sie nicht die tatsächliche Vorhaltung finanziere. „Es ist eher ein Instrument, das Leistungsrückgänge belohnt und Leistungssteigerungen dämpft.“ Dies werde zu Wartelistenmedizin und Rationierung führen. „Wir halten dieses Konzept für schlicht falsch.“

Der Gesetzentwurf verlagere die Klinikplanung von der Länder- auf die Bundesebene. Krankenhausplanung müsse aber weiterhin Ländersache bleiben. Der zugesagte Bürokratieabbau finde ebenfalls nicht statt; im Gegenteil: die Dokumentations-, Melde- und Prüfbürokratie steige weiter an. Dies führe die Krankenhäuser endgültig in den Bürokratieinfarkt.

Gegen den Fachkräftemangel scheine es bundespolitisch die erklärte Strategie zu sein, den Mangel zu verwalten und das Personal auf wenige Krankenhausstandorte konzentrieren zu wollen. „Wir warten seit mehreren Jahren auf das angekündigte Gesetz für eine bundeseinheitliche Pflegeassistenz. Auch hier: Stillstand!“ kritisierte Wessel.

Länder fordern 12 Änderungen am KHVVG

Die Hamburger Gesundheitssenatorin Melanie Schlotzhauer (SPD) betonte ihren Unmut, dass das KHVVG im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig sein wird: „Ich finde das nicht gut, aber ich werde es nicht ändern können.“ Umso wichtiger sei es, dass die Bundesländer weiterhin an einem Strang ziehen und im formellen Verfahren im Bundesrat die Entscheidungen vorantreiben. Der Gesundheitsausschuss des Bundestages habe einstimmig 16 Änderungen am KHVVG beschlossen. Die Länder hätten einen 12-Punkte-Verbesserungsplan vorgelegt. Die Länder wollen bei der Krankenhausplanung weiterhin Gestaltungsspielräume haben. Zu hohe Mindestvorgaben seien hinderlich, weil sie von den Kliniken nicht leistbar seien. Den Stadtstaat Hamburg zeichne das Spezifikum der Metropolenregion aus, viele Patienten kämen schon jetzt aus dem Umland. Sollte die stationäre Versorgung in den ländlichen Regionen in Schleswig-Holstein und in Niedersachsen durch die Klinikreform ausgedünnt werden, könnte Hamburg an Finanzierungs- und Kapazitätsgrenzen stoßen. Diese mögliche Konsequenz sei ebenfalls nicht berücksichtigt im KHVVG. Unabhängig davon würden die drei Bundesländer Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen jetzt ihre Krankenhausplanung künftig miteinander abstimmen.

Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft e. V. (DKG), unterstrich die Relevanz der Gesundheitsversorgung für die Bevölkerung. Umfragen hätten ergeben, dass die soziale Sicherheit bei den Wählern auf Platz zwei, gleich hinter dem Thema Friedenssicherung, rangiere. „Wir wollen eine faire Refinanzierung der Durchschnittskosten, die unserer Branche entstehen“, betonte Dr. Gaß. Derzeit müssten die Kliniken monatlich 500 Mio. € zuschießen. Die aktuell stattfindenden Klinikinsolvenzen seien nur „die Spitze eines Eisbergs“. Jede Klinik versuche händeringend die Zahlungsunfähigkeit zu vermeiden, da sie mit einem „massiven Reputationsverlust“ einhergehe. „Wir brauchen eine wirtschaftliche Stabilisierung der Lage“, formulierte der DKG-Vorstandsvorsitzende als dinglichste Aufgabe an die Adresse der Politik. „Wir wollen uns nicht kalt enteignen lassen.“

Bürokratiemonster Vorhaltefinanzierung

Dr. Hannes Dahnke, Geschäftsführer vebeto Hamburg, entzauberte unter anderem die im KHVVG geplante Vorhaltefinanzierung. „Bei 90 % der Kliniken ändert sich die Einnahmeseite durch die Vorhaltefinanzierung um weniger als 1,6 %“. Dr. Dahnke stellte die rhetorische Frage: „Brauchen wir dafür dieses Bürokratiemonster?“ 

Prof. Dr. Tom Bschor, Koordinator der Regierungskommission Krankenhausversorgung, verteidigte die Notwendigkeit der Krankenhausreform. Deutschland gehöre international zu den Spitzenreitern bei der Anzahl der stationären Versorgung. Aus Gründen des Personalmangels in den Kliniken sei eine solche personalintensive vollstationäre Versorgung künftig aber nicht mehr möglich. Deutschland sei ebenfalls Spitzenreiter bei den Gesundheitsausgaben. Auch aus finanzieller Sicht seien Reformen nötig. Bei der Qualität der Versorgung sieht Prof. Bschor ebenfalls Nachholbedarf. Zweidrittel der Kliniken in Deutschland hätten weniger als 300 Betten, die optimale Größe einer Klinik liege zwischen 600 bis 900 Betten. „Im Durchschnitt haben es kleine Krankenhäuser schwerer an vielen Ecken mit der Qualität“, so Bschor.

Simon Loeser, Bereichsleiter Stationäre Versorgung bei der AOK Rheinland/Hamburg, sagte, dass aus Sicht der Krankenkasse eine Vorhaltefinanzierung auf der Basis von Planfallzahlen eine gute Antwort auf die aktuellen Probleme sei. „Wir müssen aus diesem Hamsterrad rauskommen.“

Tanja Kotlorz