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KHVVG in der Kritik


Foto: Deutscher Bundestag/Werner Schüring

Gesundheitsminister der Länder und DKG: Reform gefährdet Versorgungssicherheit

Das Bundeskabinett hat der Entwurf für das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) Mitte Mai auf den Weg gebracht. Die Gesetzespläne gehen nun in den Bundestag. Die Proteste und Debatten um das KHVVG gehen indes weiter.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und mit ihr Krankenhausträger, Ärzteverbände, Krankenkassen, Gesundheitspolitiker im Bundestag und in den Ländern sowie Patientenvertreter hatten die Bundesregierung aufgefordert, dem KHVVG-Entwurf nicht zuzustimmen. Das Bundesgesundheitsministerium und das Kabinett zeigten sich unbeirrt. Doch mit der Zustimmung zum Kabinettsentwurf des KHVVG droht gleich mehrfach das Risiko der Verfassungs- bzw. Rechtswidrigkeit: Die Länder sehen die verfassungsmäßige Zuständigkeit für die Krankenhausplanung und die aus ihrer Sicht bestehenden Zustimmungspflicht ignoriert, die GKV sieht in der geplanten Finanzierung des Transformationsfonds über die Beiträge der gesetzlich Versicherten als verfassungswidrig an. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) schließlich äußert EU-rechtliche Bedenken. Dabei sind sich eigentlich alle Beteiligten einig: Eine umfassende Strukturreform der Krankenhaussektors ist unausweichlich, um eine qualitätsorientierte, nachhaltige medizinische Versorgung der Patientinnen und Patienten zu gewährleisten.

Nach einem Bund-Länder-treffen am 29. Mai forderten die Länder weiter nachdrücklich eine Berücksichtigung ihrer Forderungen: „Andernfalls ist die Sicherstellung der Versorgung gefährdet“, erklärte die diesjährige Vorsitzende des Gesundheitsministerkonferenz, Kerstin von der Decken (CDU), in einem Statement.

„Wir setzen uns konstruktiv und mit Nachdruck dafür ein, dass die Forderungen nun im parlamentarischen Verfahren Berücksichtigung finden. Dass diese nicht vorher bereits vom Bundesgesundheitsministerium in den Gesetzesentwurf eingearbeitet wurden, ist nicht nachvollziehbar, denn die Situation der Kliniken erfordert jetzt rasches Handeln. Wir brauchen eine praxistaugliche Reform. Diese haben wir bisher nicht. Ich begrüße, dass der Bundesgesundheitsminister angekündigt hat, einzelne Änderungsforderungen der Länder prüfen zu wollen. Darüber hinaus begrüße ich, dass der Bundesgesundheitsminister angekündigt hat, dass die Voraussetzungen für eine Auswirkungsanalyse ab September vorliegen werden. Aber Länder, Kliniken und Patientinnen und Patienten benötigen mehr als nur mündliche Ansagen. Erforderlich ist eine verbindliche Einarbeitung der offenen Punkte in den Gesetzesentwurf, damit wir die gemeinsamen Ziele einer guten und tragfähigen Reform erreichen“, so die Gesundheits- und Justizministerin von Schleswig-Holstein weiter.

Nach mehreren Monaten zäher Diskussionen und intransparenter Abstimmungen hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) alle Beteiligten vergrätzt. Selbst die Unterstützung der Länder, die im Bundesrat noch für das Transparenzgesetz gestimmt hatten, hat der Bundesgesundheitsminister verloren. Die Bundesländer hatten bereits am 30. April in einer gemeinsamen Stellungnahme aller Länder zum KHVVG deutliche Kritik am Kabinettentwurf geübt und erklärt, es gäbe keine gemeinsame Basis mit dem Bund zur Krankenhausreform. Vor allem die Länder könnten – wie schon beim Krankenhaustransparenzgesetz – über den Vermittlungsausschuss das Gesetzgebungsverfahren noch deutlich in die Länge ziehen. „Es besteht Einigkeit unter allen Ländern, dass das Bundesgesundheitsministerium rasch umfassende Änderungen am Gesetzentwurf vornehmen muss. Die Einstimmigkeit verdeutlicht eindrucksvoll, dass parteipolitische Erwägungen hier für die Länder irrrelevant sind; es geht um die Sache“, unterstrich von der Decken bereits nach dem Kabinettsbeschluss zwei Wochen zuvor. Die Länder hatten in ihrer gemeinsamen Stellungnahme das BMG einmal mehr zu umfangreichen Änderungen aufgefordert. Mehrere Bundesländer, allen voran Bayern und Nordrhein-Westfalen, drohten mit einer Verfassungsklage. Die Ministerinnen und Minister der 16 Länder verlangen weiterhin vor allem eine Auswirkungsanalyse des Gesetzes. „Es ist unverantwortlich, solche weitreichenden Entscheidungen zu treffen, ohne die Konsequenzen einmal analysiert und simuliert zu haben“, so Ministerin von der Decken. Kritik der Gesundheitsminister bezieht sich vor allem die Fragen zur Zustimmungspflicht durch die Länder, zu den Fristen der Umsetzung und zur neuen Vergütungssystematik.

Eine versorgungssichernde Ausgestaltung der Vergütungssystematik gehört weiterhin zu den Hauptforderungen aller Länder. Dies sei ein Kernpunkt der ursprünglichen, gemeinsamen Reformidee. Bisher sei im Gesetzentwurf jedoch weiterhin eine mittelbare Fallzahlabhängigkeit bei der Vergütung enthalten, die nicht dem eigentlichen Prinzip der Vorhaltevergütung entspricht, heißt es in einer Stellungnahme der GMK-Vorsitzenden vom 29. Mai. Die Vergütung der Grund- und Notfallversorgung müsse in Teilen unabhängig von der Fallzahl sein, um die Versorgung zu sichern und potenzielle Fehlanreize zu beenden.

Die DKG warnt vor „unabsehbaren Verwerfungen und einer Gefährdung der Versorgungssicherheit für die Patientinnen und Patienten“ durch das KHVVG-Entwurf. Die Reform müsse zu den Kompromissen zwischen Bund und Ländern zurückkehren, das Leistungsgruppenmodell nach NRW-Vorbild einführen und eine tatsächlich fallzahlunabhängige Strukturkostenfinanzierung einführen. Auch das eigentliche Ziel der Entbürokratisierung werde nicht nur verfehlt. Die Reform verschärfe die Personalengpässe durch mehr Bürokratie und Überregulierung sogar noch.

„Praxisfern, teuer und ungerecht“

Dazu erklärt der DKG-Vorstandsvorsitzende Dr. Gerald Gaß: „Man muss konstatieren, dass das Ministerium den propagierten Dreiklang aus Entökonomisierung, Entbürokratisierung und Existenzsicherung mit diesem Entwurf vollständig verfehlt. Der Dreiklang besteht vielmehr aus wirtschaftlichen Fehlanreizen, Bürokratieaufwuchs und unkontrolliertem Kliniksterben.“

Auch der Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung Kay Scheller kritisiert den Entwurf des KHVVG. Vor allem bemängelt er, ebenso wie die Deutsche Krankenhausgesellschaft, das Fehlen einer Auswirkungsanalyse, um Folgen der Reform sachgerecht einschätzen zu können. Äußerst kritisch sieht der Bundesbeauftragte auch die Finanzierungslast von 25 Mrd. € im Transformationsfonds, die der GKV und damit den Beitragszahlerinnen und -zahlern aufgebürdet werden soll.

Auch die Bemessung des Anteils der einzelnen Länder an Mitteln aus dem Transformationsfonds nach dem Königsteiner Schlüssel wird in der Stellungnahme als nicht sachgerecht kritisiert. Dieser gewichtet die Einwohnerzahl eines Landes mit einem Drittel und sein Steueraufkommen mit zwei Dritteln. Der Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung empfiehlt in seinem Gutachten zum KHVVG-Entwurf, versorgungsspezifische Indikatoren wie etwa die Morbidität, die Demographie und den Investitionsbedarf der Krankenhäuser bei der Mittelverteilung zu berücksichtigen. Scheller, der zugleich Präsident des Bundesrechnungshofes ist, fordert zudem Mitsprachemöglichkeiten von Bund und GKV bei der Krankenhausplanung, sofern sie auch künftig zur investiven Finanzierung von Krankenhausstrukturen mit beitragen sollten. 

„Der von Bundesgesundheitsminister Lauterbach abgesegnete Gesetzentwurf geht vollkommen an den Bedürfnissen der Krankenhäuser, ihrer Mitarbeitenden und nicht zuletzt der Patientinnen und Patienten vorbei. Die radikalen Pläne zum Umbau der Krankenhauslandschaft sind praxisfern, fachlich unausgegoren und gefährden die hochwertige stationäre Versorgung der Bevölkerung. Bleibt es bei den vorgesehenen Regelungen sind Engpässe, lange Wartelisten und ungleiche Lebensbedingungen in Stadt und Land vorprogrammiert. Letzteres ist insbesondere für Flächenländer wie Niedersachsen nicht akzeptabel“, sagt Rainer Rempe, Vorsitzender der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft (NKG).

Auch die Gesetzlichen Krankenkassen sind deutlich unzufrieden mit dem Kabinettsentwurf KHVVG:  Das Ziel einer bedarfsgerechten Modernisierung der Krankenhauslandschaft bleibe unerreicht, so Ulrike Elsner. Die Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen (vdek) kritisiert vor allem den 50-Mrd.-€-Transformationsfonds, der zur Hälfte aus GKV-Beitragsgeldern finanziert werden soll: „Der Umbau der Kliniklandschaft ist als gesamtgesellschaftliche Aufgabe vom Staat zu finanzieren.“ Ein aktuelles Rechtsgutachten von Prof. Dr. Dagmar Felix von der Universität Hamburg belege, dass diese Regelung verfassungswidrig ist. Elser spricht in Ihrer Stellungnahme zudem von einem „faktischen Verbot der Krankenhausrechnungsprüfung“ durch den Kabinettentwurf.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung sieht „die ohnehin bestehenden Wettbewerbsnachteile des ambulanten Bereichs gegenüber den Krankenhäusern noch einmal verschärft“ Die Vorstände der KBV sehen im KHVVG-Entwurf einen „Verstoß gegen EU-Beihilferecht“ und fordern die EU-Kommission auf, zu prüfen, ob das geplante Gesetz wenigstens teilweise gegen EU-Recht verstößt.

Die Ampelkoalition nehme „bleibende Schäden der Krankenhauslandschaft in Kauf“, sagt der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Tino Sorge. „Ohne sich über die konkreten Folgen für die Versorgung vor Ort klar zu sein, plant die Bundesregierung im Alleingang den Umbau auf Kosten der Länder und Versicherten.“

Lauterbachs Krankenhausreform sei keine Revolution, sondern ein Etikettenschwindel, sagt Martin Schirdewan, Vorsitzender der Partei Die Linke: „Die Krankenhäuser werden nicht aus den ihnen auferlegten ökonomischen Zwängen befreit.“

KGNW: Bundesregierung muss Transparenz über Folgen der Krankenhausreform schaffen

Der Vorstand der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW) erklärte zum Kabinettbeschluss, die vom Bundesgesundheitsminister als Rettung versprochene Krankenhausreform werde nicht nur zu spät kommen, sie enthalte auch keinen zusätzlichen Euro, um das angelaufene Milliardendefizit in Folge der unbestrittenen Inflationskosten zu decken. „Die Bundesregierung muss deshalb als Sofortmaßnahme für eine Anpassung des Landesbasisfallwertes sowie der Psychiatrieentgelte liquiditätswirksam noch für 2024 sorgen, damit die Krankenhäuser die Versorgung der Patientinnen und Patienten sicher aufrecht erhalten können“, heißt es in einer Erklärung vom 16. Mai. Indem der Bundesgesundheitsminister entgegen seiner öffentlichen Zusage nun das KHVVG im Alleingang als „nicht zustimmungspflichtiges Gesetz“ durchsetzen will, begehe er nicht nur Wortbruch. Er lasse damit auch den Respekt für die fachliche Expertise der verfassungsmäßig zuständigen Bundesländer vermissen und auch die Hinweise der Praktiker aus Ärzteschaft und Krankenhäusern weitgehend unberücksichtigt. „Wir fordern Minister Lauterbach deshalb auf, zu einer gemeinsamen Reformarbeit mit den Bundesländern und den Praktikern zurückzukehren“, so die KGNW.

HKG: nachhaltige Verbesserung der wirtschaftlichen Situation der Krankenhäuser wird ins Gegenteil verkehrt

„Dem von Gesundheitsminister Lauterbach vorgelegten Gesetzentwurf fehlt bereits ein belastbares Finanzierungssystem und damit das Herzstück der Reform. Es wird keine auskömmliche wirtschaftliche Ausstattung der Kliniken sichergestellt und die zukünftigen Auswirkungen des Gesetzentwurfes werden nicht im Vorfeld analysiert. Auch hat man seitens des Bundesgesundheitsministeriums die begründeten Nachbesserungsvorschläge der Länder sowie aktuelle wissenschaftliche Analysen zu den bestehenden Finanzierungslücken der Krankenhäuser – bislang jedenfalls – gänzlich ignoriert. So wird das Ziel der Reform, eine nachhaltige Verbesserung der wirtschaftlichen Situation der Krankenhäuser und damit der flächendeckenden Gesundheitsversorgung zu erreichen, ins Gegenteil verkehrt. Ohne Anstrengungen zur Nachbesserung werden die Folgen auf den Rücken der Klinikmitarbeiter und Patienten ausgetragen werden. Es ist beeindruckend und gleichzeitig ermutigend, dass sich sämtliche Bundesländer geschlossen in einer geeinten Stellungnahme klar und deutlich positioniert haben. Die Stellungnahme verdeutlicht noch einmal: So nicht, Herr Lauterbach!" erklärt Prof. Dr. Steffen Gramminger, Geschäftsführender Direktor der HKG.

Bernadette Rümmelin, Geschäftsführerin des Katholischen Krankenhausverbands Deutschland: „Nun ist der Bundestag in der Pflicht, das wichtige Projekt Krankenhausreform zu retten. Die Parlamentarier müssten das Reformkonzept nun endlich vom Kopf auf die Füße stellen: „Dazu gehört, die dringend notwendige enge Abstimmung mit den Ländern und den Akteuren aus der Praxis nachzuholen. Nur in diesem Zusammenspiel kann die regionale Versorgungssicherheit für die Zukunft gewährleistet werden. Die Regierungsfraktionen dürfen sich nicht dem Druck beugen, die Reform allein als Nachweis ihrer Handlungsfähigkeit in einem schnellen Verfahren durch das Parlament zu bringen. Denn wird das Reformgesetz unverändert beschlossen, droht die Krankenhausversorgung im Chaos zu versinken.“ Ohne nachhaltigen Inflationsausgleich führe der kalte Strukturwandel zu nicht planbaren Klinikschließungen. Für die Patienten drohten Rationierung und längere Wartezeiten für die Behandlung.

Mit der Kabinettsentscheidung werde der Dissens zwischen Bund und Ländern nun in den Bundesstag und Bundesrat getragen, so der Vorsitzende des Deutschen Evangelischen Krankenhausverbands (DEKV) Christoph Radbruch „Die dringend benötigte Planungssicherheit für die Krankenhäuser ist weiterhin nicht gegeben“, erklärt. krü