Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziel, während andere uns helfen diese Website und ihre Erfahrung zu verbessern.

Aktuelles

News

DKG warnt vor Einschränkung der Patientenversorgung


Das Podium der Pressekonferenz der DKG zum Thema: "Kalter Strukturwandel gefährdet zunehmend die Patientenversorgung." Foto: Kotlorz

Die Patientenversorgung in deutschen Kliniken ist durch den kalten Strukturwandel zunehmend gefährdet. Darauf hat der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Dr. Gerald Gaß im Rahmen einer Pressekonferenz am 14. März in Berlin hingewiesen. Die Kliniken litten seit zwei Jahren unter den Folgen der hohen Inflation und der bis heute fehlenden Erlösanpassungen durch die Politik. „Aktuell fehlen den Kliniken Monat für Monat 500 Mio. €“, betonte Dr. Gaß.

Positive Auswirkungen einer Krankenhausreform (Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz KHVVG) würden ohnehin nicht vor dem Jahr 2027, eher noch im Jahr 2030 zu erwarten sein. Derzeit kämpften die Klinikträger darum, Insolvenzverfahren zu vermeiden, „denn jeder Standort verliert Vertrauen bei einer Insolvenz“, sagte Gaß. Im vergangenen Jahr sei es an 40 Standorten zu Insolvenzen gekommen. Mit sechs Insolvenzen im Januar deute sich an, dass 2024 der Negativrekord des Vorjahres gebrochen werde.

Eine aktuelle Umfrage des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI) unter allen Krankenhäusern in Deutschland mache deutlich, welche Konsequenzen aufgrund der aktuellen Politik des Bundesgesundheitsministers, der offensichtlich die weitere Entwicklung der Krankenhauslandschaft in den kommenden Jahren dem Markt überlassen wolle, drohten. Mehr als die Hälfte der Allgemeinkrankenhäuser sehen sich demnach zu drastischen Sparmaßnahmen gezwungen, wie Personalabbau und Einstellungsstopp, Schließung von Standorten, Abteilungen, Fachbereichen oder Stationen, Einschränkungen beim stationären und ambulanten Leistungsangebot und der Notaufnahme und der Einführung von Wartelisten.  

Erhöhung des Landesbasisfallwertes um 4 %

Der DKG-Vorstandvorsitzende richtete nochmals den dringenden Appell an den Bundesgesundheitsminister für einen Inflationsausgleich zu sorgen. Der Landesbasisfallwert müsse um 4 % ab dem 1. Januar 2024 angepasst werden sowie die Psychiatrie-Entgelte müssten erhöht werden. Eine solche Erhöhung des Landesbasisfallwertes entspreche etwa einem Betrag von drei bis vier Milliarden €.  Ohne diese Maßnahmen sei das unkontrollierte Kliniksterben nicht aufzuhalten.

Die Kliniken seien zu Veränderungsprozessen bereit und Bund und Länder hätten sich dahin verständigt, dass es perspektivisch 20 % weniger Klinikstandorte in Deutschland geben werde. Diese Entwicklung müsse aber strukturiert ablaufen, „evolutionär und nicht revolutionär“, sagte Dr. Gaß in Anspielung auf die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ursprünglich ausgerufene „Revolution“ bei seiner Klinikreform.

Sebastian Spottke, Vorstandsvorsitzender der Geschäftsführung der Marienhaus-Gruppe skizzierte, dass durch Klinikinsolvenzen und -schließungen Versorgungslücken entstünden, die nicht mehr geschlossen werden könnten. Zudem verurteilte er die aktuelle politische Bevorzugung der Spitzenmedizin auf Kosten der Regel- und Grundversorgung. „Patienten im ländlichen Raum werden zu Patienten zweiter Klasse gemacht.“ In der im Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) geplanten Vorhaltefinanzierung sieht Spottke eher Nachteile, vor allem für kleine Kliniken.

„Brandbeschleuniger für Bürokratie“

„Wir haben es jetzt schon mit Wartelisten und übervollen Ambulanzen zu tun“, beschrieb Andrea Lemke, Pflegedirektorin im Waldkrankenhaus Spandau in Berlin die aktuelle Lage in ihrer Klinik. In dem von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geplanten Transparenzgesetz, das am 22. März erneut zur Abstimmung im Bundesrat steht, sieht Lemke noch mehr Bürokratie auf die Kliniken zukommen. Das MDK-Reformgesetz sei bereits ein „Brandbeschleuniger für Bürokratie“ gewesen. Die Kliniken müssten sich mit über 60 Daten-Sätzen und zahlreichen Prüfungen durch den MD befassen. Das Klinikpersonal stehe bei solchen Prüfungen tagelang nicht zur Patientenversorgung zur Verfügung. Ihr Appell: „Jede Nachweispflicht muss auf den Prüfstand!“

Dr. Martin B. Hochstatter, Ärztlicher Leiter Rettungsdienst der Stadt Brandenburg an der Havel, wies darauf hin, dass 70 bis 80 % der Patienten auf dem Land eine Grund- und Regelversorgung bräuchten. Gingen kleine Kliniken vom Netz, sei die Versorgung dieser vor allem älteren Patienten gefährdet. Zudem sei auch die Ausbildung der Notfallsanitäter in Gefahr, da zu deren dreijähriger Ausbildung auch ein klinisches Jahr gehöre. Das Kliniksterben schwäche zudem die Attraktivität des ländlichen Raumes, da noch zahlreiche weitere Berufe und Wirtschaftszweige mit den Kliniken verknüpft seien.

Die Zahl der geburtshilflichen Abteilungen habe sich in Deutschland seit 1991 bereits nahezu halbiert habe, von 1 186 auf 606, bilanzierte Andrea Köbke, Beirätin für den Angestelltenbereich beim Deutschen Hebammenverband, e.V. Unkontrollierte Schließungen von Geburtshilfen gingen zu Lasten von Müttern und Kindern. Eine weitere Ausdünnung der Versorgung führe dazu, dass Geburten vermehrt im Rettungswagen stattfänden, anstatt in den Kliniken. Bisweilen würden Frauen jetzt schon abgewiesen von Kliniken. Köbke forderte, dass mit einer Krankenhausstrukturreform dringend auch eine Versorgungsplanung einher gehen müsse.

Wartezeiten in der Kindermedizin

In der Kindermedizin habe es bereits einen drastischen Bettenabbau gegeben, sagte Sebastian Beitzel, Pflegedirektor der Hannoverschen Kinderheilanstalt Auf der Bult. Es gebe schon jetzt sehr lange Wartezeiten. Aktuell müssten Kinder manchmal fünf bis acht Monate auf eine Operation warten. Dennoch machten die Kliniken Defizite bei der Versorgung der jungen Patienten. Auch die einmalige Finanzspritze des Bundesgesundheitsministers von 300 Mio.€ für alle Kinderkliniken bundesweit habe an der Finanzmisere der Kinderkliniken kaum etwas geändert.

Während viele Kliniken seit der Coronapandemie eher Fallzahlenrückgänge verzeichnen, sieht die Lage in der Psychiatrie und der Psychosomatik umgekehrt aus, beschrieb Dr. Sylvia Claus, Ärztliche Direktorin Pfalzklinikum Klingenmünster.  Vor allem in der Kinder- und Jugendpsychiatrie seien die Fallzahlen dramatisch gestiegen. „Wir haben auch einen hohen Anteil an Notfallpatienten“, sagte Dr. Claus.

Trotz des großen Patientenandrangs würden psychiatrische Kliniken Stationen schließen müssen und auch Patienten teilweise nicht mehr aufnehmen können. Ursache seien die Personalrichtlinien in der Psychiatrie. Der G-BA hatte im Auftrag des Gesetzgebers für die stationäre psychiatrische, kinder- und jugendpsychiatrische und psychosomatische Versorgung verbindliche personelle Mindestvorgaben festgelegt. Diese Richtlinien erweisen sich offenbar als Bumerang.

Für seelisch Kranke bestehe bei Nichtbehandlung die Gefahr, dass sich ihre Leiden chronifizierten. Erschwerend komme hinzu, dass ambulante Versorgungsstrukturen zunehmend wegbrechen.

Tanja Kotlorz