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Thema des Monats

„Flexibilität ist mir wichtiger als das Gehalt“


Foto: privat

Maria Krüger, 34 Jahre, schildert im Interview ihre Erfahrungen als Leiharbeiterin in der Gesundheits- und Krankenpflege

Warum haben Sie sich für die Zeitarbeit in der Pflege entschieden?

Anfangs wollte ich nicht in die Zeitarbeit und konnte es mir ehrlich gesagt auch nicht vorstellen, ohne ein festes Kollegen-Team zu arbeiten. Jedoch war ich nach fünf Jahren in der Festanstellung zunehmend frustriert. Phasenweise waren die Dienste wirklich stressig, mit wenigen Ruhephasen. Nicht selten habe ich zehn Tage am Stück gearbeitet, worauf nur ein Tag Pause folgte. Meine gewünschten Frei-Tage wurden im Dienstplan nur bedingt oder gar nicht berücksichtigt. Hinzu kamen ständig Anfragen, ob ich nicht einspringen könne. An meinen freien Tagen wurde ich mehrfach angerufen. Von der Leitungsebene gab es wenig bis gar keine Wertschätzung. Personalfürsorge, nicht nur mir, sondern allen Pflegenden gegenüber, schien ein Fremdwort zu sein. Das Team änderte sich oft, der Unmut bei allen Beteiligten wuchs. Deshalb habe ich mich dann entschieden, mich als Zeitarbeiternehmerin zu bewerben. Ich wollte andere Häuser und Stationen kennenlernen und Einblicke bekommen, um dann später gegebenenfalls wieder von der Festanstellung bei einem Personaldienstleister in die Anstellung an einem Krankenhaus oder einer Pflegeeinrichtung zu wechseln. Aber dazu ist es nie gekommen, denn ich habe in den vergangenen Jahren sehr zu schätzen gelernt, was mir die Festanstellung in der Zeitarbeit an Vorteilen bietet.

Welche Vorteile haben Sie als Zeitarbeitskraft?

Besonders mag ich meine persönliche Flexibilität, die Möglichkeit, unterschiedliche Fachbereiche kennenzulernen und mir dadurch neues Wissen aneignen zu können. Dazu kommt: Wertschätzung! Bei meinem derzeitigen Arbeitgeber erfahre ich Wertschätzung wie bisher in keiner Anstellung als Pflegekraft in der Stammbelegschaft eines Krankenhauses. Ein großes Plus ist auch die flexible Dienstplangestaltung, die auf mich und meine Bedürfnisse abgestimmt wird. Ich habe eine ganz andere Lebensqualität, kann Termine und Privates wieder selbstbestimmt planen und muss nicht jedes Mal bangen, ob ich auch wirklich frei bekomme. In meinen früheren Festanstellungen direkt am Krankenhaus oder einer Pflegeeinrichtung sah das oft anders aus: Überstunden wurden einfach verplant, in vielen Häusern wird auf die Wünsche und Bedürfnisse wenig eingegangen. Gewiss habe ich mich mit der Ausbildung zur Pflegekraft auch für die speziellen Rahmenbedingungen dieses Berufes mitentschieden, wie den Schichtdienst. Aber die eigenen Bedürfnisse ändern sich im Laufe der Jahre auch. Ich springe auch jetzt gern mal ein, aber fühle mich dabei nicht emotional unter Druck gesetzt, wie es früher vor meiner Zeit als Zeitarbeitnehmerin der Fall war. Und die faire Entlohnung ist natürlich ein zusätzlicher Anreiz. Die wünsche ich mir für alle Pflegekräfte, egal ob festangestellt bei einem Personaldienstleister oder direkt in einem Krankenhaus. Aus meiner Sicht ist ein faires Gehalt auch Wertschätzung.

Welche Nachteile haben Zeitarbeitskräfte in der Pflege im Vergleich zu festangestellten Kollegen?

Gerade im ersten Jahr meiner Tätigkeit in der Zeitarbeit musste ich mich erst einmal daran gewöhnen, dass aufgrund der unterschiedlichen Einsatzorte auch oft die Patienten und Kollegen wechseln und ich immer wieder in neuen Strukturen und mit anderen Standards auf den Stationen arbeite. Anfangs war es für mich emotional eine Herausforderung, Patienten manchmal nur für eine Schicht zu betreuen. Mittlerweile werde ich oft an die gleichen Häuser vermittelt. Ich habe dadurch nicht ein festes Team, sondern fünf bis sechs Teams und Fachbereiche.

Gibt es eine Arbeitnehmervertretung bei der Zeitarbeit?

Eine direkte Arbeitnehmervertretung in der Zeitarbeit ist mir nicht bekannt. Es gibt jedoch Institutionen, an die man sich wenden kann. Den Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ e.V.) und dessen Kontakt- und Schlichtungsstelle (KuSS) beispielsweise. Und natürlich bleibt es uns allen offen einer Gewerkschaft beizutreten.

Für wie viele Kliniken haben Sie schon gearbeitet und welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

Im Laufe der Jahre waren es insgesamt 16 unterschiedliche Kliniken und Standorte. Meine positiven Erfahrungen überwiegen eindeutig: Ich habe viele nette Teams und Kollegen kennengelernt, unterschiedliche Fachbereiche erlebt und gelernt, neue technische Geräte zu bedienen. Dadurch ist mein Erfahrungsschatz enorm gestiegen. Auf vielen Stationen werde ich freundlich empfangen, gut ins Team aufgenommen und gleichwertig behandelt. Im Großen und Ganzen hat sich das Bild der Zeitarbeit auch deutlich gebessert. Viele meiner Kollegen von früher sind mittlerweile auch in die Zeitarbeit gewechselt. Negative Erfahrungen habe ich aber leider auch gemacht, wenn auch nur selten. Mir sind beispielsweise mal mehr Patienten zugeteilt worden – mit dem Satz: „Du verdienst ja auch mehr und kannst daher auch mehr arbeiten!“ Viele Menschen haben einfach noch zu viele Vorurteile gegenüber Zeitarbeit.

Hat eine Klinik schon versucht Sie abzuwerben?

Ja, mehrfach sogar. Es gibt einfach zu wenig Personal. Selbst mit der Hilfe der Zeitarbeit sind es schlichtweg zu wenige Pflegefachkräfte.

Wie sieht die jeweilige Einarbeitung in den Kliniken aus?

Wenn ich neu auf einer Station bin, werden mir grob die Station, die Lager, der Reanimationswagen und gegebenenfalls das Dokumentationsprogramm gezeigt. Alles Weitere erfrage ich dann bei den Kollegen oder auch Ärzten. Meine Standardfrage ist: „Wie sind eure festen Abläufe im Dienst?“ Vieles ist sich sehr ähnlich, das Rad der Patientenversorgung wird nicht neu erfunden. Aus meiner Sicht ist es das Wichtigste, zu kommunizieren. Ich kann nicht alles wissen und lerne nie aus. Beim Thema Einarbeitung hat sich einiges geändert. Mein Arbeitgeber, die Zeitarbeitsfirma, hat mir angeboten, mich auch in anderen Bereichen, beispielsweise wenn von mir gewollt in der Anästhesie einzuarbeiten und dorthin zu wechseln. Mittlerweile haben auch Kliniken den Wunsch, längerfristig Zeitarbeitskräfte zu buchen, dafür hat meine Zeitarbeitsfirma auch ein Einarbeitungskonzept entwickelt.

Wie stellen Sie sich immer wieder auf neue Arbeitgeber ein?

Ich informiere mich vorab, um welche Einrichtung und welchen Fachbereich mit welcher Ausstattung es sich bei meinem neuen Einsatz handelt. Dazu tausche ich mich mit anderen Zeitarbeitskollegen vor Ort aus, wir helfen uns alle untereinander. Und am ersten Einsatztag bin ich immer deutlich früher vor Ort, um mir einen Überblick zu verschaffen.

Zeitarbeit gilt in vielen Branchen als schlecht bezahlt. Nicht so in der Pflege. War die bessere Bezahlung auch ein Beweggrund für Sie, sich für die Leiharbeit zu entscheiden?

Ganz klar, nein. Ich würde auch in der Zeitarbeit bleiben, wenn sich die Gehälter in den Kliniken anpassen würden. Die Flexibilität ist für mich persönlich wichtiger als das Gehalt.

Es heißt, als Zeitarbeiter kann man sich Arbeitszeit und Schichten aussuchen, im Gegensatz zur festangestellten Pflegekraft. Stimmt das?

Ja, in meinem Fall stimmt das. Ich schreibe mir meinen Dienstplan und auch die Schichten selbst und werde dann von den jeweiligen Kliniken gebucht. Es gibt tolle Dienstplankonzepte, leider werden sie in vielen Häusern nicht genutzt. Je größer das Team, umso schwieriger ist es natürlich, auf die Wünsche und Bedürfnisse jedes einzelnen Mitarbeiters einzugehen. Aber ich denke, es wäre möglich, individuelle Dienstpläne bedingt für alle zu ermöglichen. Dazu benötigen die Stationen aber insgesamt mehr Personal und nicht nur eine Minimalbesetzung. Der Pflegenotstand schlägt da voll durch und seit Covid herrscht einfach eine Schadensbegrenzungs-Mentalität. Da wird auf individuelle Dienstpläne wenig geachtet, weil man einfach froh ist, überhaupt noch Pflegekräfte zu haben. Das höchste Glücksgefühl ist da mal eine Schicht ohne Krankmeldung.

Es heißt, der Einsatz von Zeitarbeitern verschlechtert das Betriebsklima. Stimmt das?

Ich kann den Unmut in manch einer Stammbelegschaft nachvollziehen. Aber ein schlechtes Betriebsklima entsteht nicht durch den Einsatz von Zeitarbeitern. Die Versäumnisse liegen bei der Politik und den Klinikleitungen. Ich denke, Zeitarbeit ist höchstens ein Symptom und keine Ursache des Problems. Viele Mitarbeiter fliehen regelrecht in die Zeitarbeit, weil sie die Situation auf den Stationen nicht mehr tragen können. Das merke ich natürlich auch als Zeitarbeiterin. Ich habe deswegen nicht weniger zu tun. Der Stress und die Unterbesetzung bleiben. Dafür habe ich die Möglichkeit, so zu arbeiten, wie es für mich persönlich am besten passt und werde nicht zu Hause angerufen, ob ich einspringen kann.

Wo sehen Sie die Ursachen für den Fachkräftemangel in der Pflege? Was müsste passieren, damit der Beruf attraktiv wird?

Da spielen viele Faktoren eine Rolle: Eine hohe körperliche und psychische Arbeitsbelastung, Schichtdienst und Wochenend- und Feiertagsarbeit sind schon mal per se heutzutage nicht sehr attraktiv. Zudem gibt es wenig Wertschätzung und Anerkennung in dem Berufsfeld. Auszubildende werden, wenn sie sich schon dazu entschieden haben den Beruf auszuüben, schlecht angelernt, sind eher günstige Hilfskräfte, bekommen wenig gezeigt und beigebracht und springen dann ab.

Dann kommt dazu, dass man selbst einen anderen Arbeitsanspruch hat. Ich möchte meine Patienten gern intensiver versorgen. Eben auch mal für Ängste da sein, ausgiebig pflegen, mir Zeit nehmen und auch Zeit für einen sterbenden Menschen aufbringen. Dafür fehlt oft die Zeit. Es ist eher selten möglich und das frustriert ungemein. Eine bessere Patientenversorgung steht bei vielen an erster Stelle. In der Realität gestaltet es sich wie ein Abarbeiten, weil die Arbeitsbelastung eben sehr hoch ist. Nicht selten werden nur kurze oder keine Pausen gemacht. Da kommt vieles einfach zu kurz und das möchte man eben nicht und das frustriert. Solche Phasen kann man in der Regel kompensieren. Leider sind es seit vielen Jahren keine Phasen mehr, sondern tägliche Realität. Unzählige sehr gute, motivierte Pflegekräfte verlassen deswegen den Beruf. Wenn sie dauerhaft stressige Dienste haben, fallen sie zu Hause einfach nur ins Bett, um wieder halbwegs fit für die nächste Schicht zu sein. Das geht auf lange Sicht eben nicht gut.

Zudem kommt die geringe Wertschätzung der Politik (siehe Corona und die vielen Versprechungen) und der Klinikleitungen. Damit meine ich nicht nur die Pflegefachkräfte, sondern alle Kollegen im Krankenhaus - egal in welchem Bereich. Es fängt damit an, ob für das Personal Getränke bereitgestellt wird, kleine Obstkörbe oder andere Zuwendungen angeboten werden oder nicht und hört bei Geburtstagsglückwünschen auf. Oder ein ganz einfaches „Danke“, dass man stressige Phasen mitgemacht hat und, dass man permanent eingesprungen ist. So etwas wird selten als Unternehmenskultur im Krankenhaus gelebt.

Ich denke man müsste gute Konzepte anbieten. Als Beispiel fallen mir erst einmal eine höhere Entlohnung ein. Weitere Ideen wären, eine Vollzeitstelle mit einer Arbeitszeit von 35 Stunden in der Woche zu definieren, ein früheres Renteneintrittsalter zu ermöglichen, so dass Pflegekräfte eben mit 63 Jahren in Rente gehen dürfen. Statistisch gesehen ist die Lebenserwartung von Pflegekräften geringer. Das wären Anreize, die nach und nach umgesetzt werden könnten. Klar können wir derzeit nicht einfach fehlendes Personal backen, aber den Beruf durch ausgewählte Maßnahmen attraktiver gestalten.

Das Interview führte Tanja Kotlorz

„Aus meiner Sicht ist ein faires Gehalt auch Wertschätzung“, sagt Maria Krüger, Zeitarbeiterin in der Pflege. Foto: privat