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Thema des Monats

Thema: Klima und Energie


Martin Menger, Vorsitzender der Geschäftsführung der Varisano Kliniken Frankfurt-Main-Taunus, will mit dem Neubau des Klinikums Frankfurt Höchst neue Wege gehen: Der Neubau, der Ende 2022 eröffnet werden soll, wurde als Passivhaus geplant und realisiert. Foto: Varisano-Kliniken Frankfurt-Main-Taunus

Im Gespräch mit Martin Menger, Vorsitzender der Geschäftsführung der Varisano Kliniken Frankfurt-Main-Taunus

Sind Kliniken als Betriebe mit sehr hohem Energiebedarf überhaupt geeignet für das Konzept Passivhaus?

Genau diese Frage haben sich die Planer und der Gesellschafter auch gestellt. Daher hatte das Passivhaus Institut Darmstadt im Auftrag des Landes Hessen für dieses Pilotprojekt eine Grundlagenstudie erstellt. Das kürzlich erhaltene Passivhauszertifikat bestätigt die erfolgreiche Umsetzung. Die Stadt Frankfurt am Main plant, nach Inbetriebnahme des Neubaus ein Monitoring durchzuführen. Damit kann der Betrieb des neuen Gebäudes noch besser an die Bedürfnisse der Nutzenden angepasst werden.Die gewonnenen Messwerte sollen zusammen mit der Grundlagenstudie zukünftigen Krankenhausbauten als Basis dienen, um in vielen Städten klimafreundliche Krankenhäuser entstehen zu lassen.

Die meisten Kliniken zeigen sich fassungslos angesichts der steigenden Energiepreise. Sind Sie in Zukunft besser aufgestellt?

Angesichts der aktuellen Entwicklung der Energiepreise und daraus folgender Kostensteigerungen für die Krankenhäuser kommt der Neubau in der Tat auch in dieser Hinsicht zur rechten Zeit. Dennoch kostet jede im Neubau verbrauchte Kilowattstunde mehr, selbst wenn es insgesamt weniger sein werden als in den Altbauten. Hinzu kommt: nicht alle Abteilungen des Klinikums ziehen in den Neubau. Daher trifft selbstverständlich auch uns die Energiekrise mit all ihren negativen Auswirkungen auf die Kosten.

Wieviel Energie wollen oder können Sie als Klinik im Passivhaus-Standard künftig einsparen? Lässt sich das beziffern?

Die Idee und die Funktionsweise eines Passivhausgebäudes ist, dass durch eine besonders luftdichte und konsequente Dämmung der Gebäudehülle sowie die Nutzung von Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung nur 25 % der benötigten Heizwärme auf herkömmlichem Wege bereitgestellt werden müssen.

Beim Gasverbrauch rechnen wir pro Quadratmeter mit ca. 80 % Einsparung gegenüber den Bestandsgebäuden. Beim Strombedarf sparen wir im Neubau zwischen 60 und 70 % je Quadratmeter.

Was bedeutet dies in Bezug auf die aktuelle Krise?

Je schneller wir in den Neubau kommen, desto besser.

Nutzen Sie derzeit Erdgas zur Wärme- oder Energiegewinnung?

Ja.

Kommen Sie künftig ganz ohne fossile Brennstoffe aus?

Auch ein Passivhaus braucht Heizung und Strom. Trotzdem ist die Energiebilanz herausragend, weil nichts verlorengeht. Passivhäuser brauchen etwa 90 % weniger Heizwärme als andere Lösungen. Die Klinik hat einen Energiebedarf von einem Drittel gegenüber der normalen Bauweise. Zu Beginn der Planungen wurde auch eine Photovoltaikanlage auf dem Dach geprüft, aber leider wegen des Hubschrauberlandeplatzes wieder verworfen.

Patientenkomfort und Energiesparen – geht das zusammen?

Auch beim Komfort kommt die Klinik im Passivhaus-Standard den Bedürfnissen von Patienten und Besuchern entgegen. In Krankenzimmern empfinden Patienten und Patientinnen eine erhöhte Temperatur als angenehm. In den Höchster Patientenzimmern soll die Temperatur 22 Grad betragen. Aufgrund des guten Wärmeschutzes können die höheren Raumtemperaturen mit geringerem Energiebedarf gedeckt werden. Zudem werden durch die bessere Wärmedämmung sowie die ca. 1 000 dreifach verglasten Fenster große Unterschiede zwischen Oberflächen- und Raumtemperatur vermieden. Dadurch steigt zusätzlich die Behaglichkeit in den Krankenzimmern. Übrigens: Die Fenster in den Patientenzimmern Können natürlich geöffnet werden, sie müssen es aber nicht.

Gibt es in der Klinik als „Passivhaus“ Änderungen, die die Mitarbeiter betreffen?

Der Neubau ist ein Quantensprung für alle. Davon profitieren auch unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: Er schafft eine erstklassige Arbeitsumgebung. In heißen Sommern oder kalten Wintern herrschen angenehme Raumtemperaturen. Die identische Anordnung der Räume auf den Stationen hilft bei der raschen Orientierung. Alles, was man im Neubau berücksichtigen konnte, um das Arbeiten angenehmer zu gestalten, wurde mit Beteiligung der Nutzer getan.

Im Krankenhaus gibt es hochsensible Bereiche mit besonderen Anforderungen, wie etwa die OP-Säle. Können hier Passivhaus-Standards überhaupt greifen?

Ja, auch in diesen Bereichen wurde soweit als möglich der Passivhaus-Standard beachtet.

Gerade die Medizintechnik hat gewöhnlich einen hohen Energieverbrauch. Welche Rolle spielt die Medizintechnik im Passivhaus-Konzept Ihres Hauses? Ist hier der Verbrauch ebenfalls reduzierbar?

Zusammen mit den Baubeteiligten wurde bereits bei der Planung der tatsächliche Energiebedarf des Krankenhauses ermittelt inklusive der IT-Technik, Beleuchtung, Medizintechnik und so weiter. Wo immer möglich sind selbstverständlich energieeffiziente Geräte bzw. Technologien mit geringerer Wärmeabstrahlung im Einsatz: Einerseits sparen diese Energie ein, andererseits verringern sie den Kühlbedarf.

Sehen Sie sich als „Leuchtturm“ und Vorbild für andere Kliniken?

Ja, allerdings. Angesichts der aktuellen Krise mehr denn je.

Ist der Bau einer Klinik nach Passivhaus-Standard teurer als ein herkömmlicher Bau?

Ja, der Bau ist um ca. 2 % teurer. Nach den damaligen Berechnungen hätten sich die Mehrkosten jedoch nach fünf bis sieben Jahren amortisiert. Doch da konnte man die aktuelle Preissituation noch nicht vorhersehen.

Wieviel wurde den Neubau der Klinik Frankfurt Höchst investiert?

Mit dem Generalunternehmer wurde ein Budget von etwas über 260 Mio. € vereinbart.

Hat das Land Hessen die Investition getragen?

Die Stadt Frankfurt am Main finanziert den Neubau zum überwiegenden Teil. Das Land Hessen beteiligt sich mit über 50 Mio. € an den Kosten.

Wann ist der Umzug geplant?

Aktuell laufen die letzten baurechtlichen Abnahmen. Wenn alles klappt, freuen wir uns auf den Umzug noch in diesem Jahr.

Das Gespräch führte Katrin Rüter