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Thema des Monats

Thema: Compliance Management


Tim Schleifenecker, Zentraler Compliance Beauftragter und Leiter der Abteilung Compliance-Management an der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Foto: privat

Wie viele Beschäftigte sind in das Compliance Management der Charité eingebunden?

In der zentralen Abteilung Compliance-Management sind derzeit drei Personen beschäftigt. Entscheidend ist aber, dass das Compliance-Management-System (CMS) der Charité dezentral aufgestellt ist. Somit sind in den wesentlichen Geschäftseinheiten der Charité die Leitungspersonen und in den Tochtergesellschaften die Geschäftsführungen auch zugleich Dezentrale Compliance Beauftragte (DCB) für ihre Verantwortungsbereiche. Die DCB sind ebenfalls ein integraler Bestandteil des CMS, insgesamt sind also ca. 40 bis 50 Personen im CMS mit unterschiedlicher Intensität eingebunden.

Auf welcher Ebene im Organigramm der Charité ist das CMS angesiedelt? Ist es zentral oder dezentral organisiert?

Die zentrale Abteilung Compliance-Management ist dem Geschäftsbereich Datenschutz und Governance zugeordnet, welcher wiederum direkt dem Vorstandsvorsitzenden zugeordnet ist. In dem Organigramm ist das CMS also schon sehr nah an der der Unternehmensführung angesiedelt.

Wie erwähnt, ist das CMS der Charité eher dezentral organisiert. Es besteht dabei aber auch aus einer zentralen Abteilung Compliance-Management, die das CMS steuert, Compliance-Themen und Projekte initiiert und koordiniert sowie als zentrale Anlaufstelle für die Beschäftigten und bei Bedarf auch externe Personen fungiert. Die dezentrale Komponente des CMS sind die Dezentralen Compliance Beauftragten der Einheiten, welche im Wesentlichen die ersten Ansprechpersonen in Compliance-Fragen sind und auch die Compliance-Risikoanalysen maßgeblich unterstützen sowie Compliance-Maßnahmen in den Bereichen umsetzen.

Welches sind die Schwerpunkte der Compliance in Ihrem Haus?

In einem so großen Unternehmen wie der Charité ist Compliance durch eine einzelne Einheit schwer zu koordinieren, denn es geht ja um alle relevanten externen und internen Regelungen, welche eingehalten werden sollen. In der Charité gibt es eine Vielzahl an Fachabteilungen, die die Compliance im weiteren Sinne in ihren Spezialgebieten „im Blick haben“. Für das CMS der Charité ergeben sich die Schwerpunkte aus einer zentralen Compliance-Risikoanalyse.

Das heißt, die Schwerpunkte können sich gegebenenfalls ändern. Aber ganz klar steht immer das Thema Prävention ganz oben auf unserer Agenda. Dies ergibt sich schon aus der öffentlichen Rechtsform der Charité. Ein Beispiel für die sich ändernden Schwerpunkte ist das sogenannte Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, welches ab 2023 durch relevante Unternehmen umgesetzt werden muss und vor drei Jahren noch nicht auf der Agenda der Compliance-Abteilungen von Unternehmen stand. Wir wollen hier echte Mehrwerte für die Charité schaffen, indem wir die relevanten gesetzlichen Anforderungen partnerschaftlich und gemeinsam mit den Fachbereichen sowie risikoorientiert in die bestehenden Prozesse integrieren.

Haben sich die Themen und Schwerpunkte der Compliance in den vergangenen Jahren verschoben – durch Corona und die Energiekrise beispielsweise?

Im Kern sind die Schwerpunkte der Compliance nicht unweigerlich anders. Natürlich kommen immer wieder neuen externe Regularien auf die Unternehmen zu, die beachtet werden müssen, beispielsweise das Infektionsschutzgesetz oder aber auch exportrechtliche Regularien. Das hat aber weniger mit konkreten Krisen zu tun, als mit dem sich verändernden - auch rechtlichen - Verständnis unserer Gesellschaft hin zu mehr Integrität und Verantwortungsbewusstsein. Krisen sind hier zwar ein beschleunigender Faktor, aber die herausfordernden regulatorischen Anforderungen an Unternehmen wachsen stetig.

 

Sie haben als eine der ersten Kliniken schon vor Jahren eine Whistleblower-Hotline etabliert. Ziehen Sie eine positive Bilanz?

Wir haben ein System von Compliance-Kommunikationskanälen geschaffen, in dem interne sowie auch externe Personen über vielfältige Wege mit uns kommunizieren können. Die Compliance-Kommunikationskanäle reichen dabei von (wenn gewünscht) anonymen Kanälen – über unsere Vertrauensanwälte oder eine externe Online-Plattform – bis hin zu dem Angebot von persönlichen Gesprächen mit uns. Aus unserer Erfahrung ist die Vielfältigkeit der Kommunikationsmöglichkeiten essentiell, um Personen anzusprechen, welche mit uns kommunizieren wollen. Dazu gehört eben auch die Whistleblower-Hotline.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt derzeit wegen Verstößen gegen das Vergaberecht durch die Charité-Tochterfirma CFM. Gab es Whistleblower-Hinweise über das Hinweisgebersystem der Charité?

Zu diesen sensiblen unternehmensinternen Informationen kann ich in diesem Rahmen keine Auskunft geben.

 

Sind die Hinweise immer anonym? Wie gehen Sie nach Hinweisen vor?

Die Hinweise sind nicht immer anonym, aber man erkennt doch eine Tendenz dazu, dass anonyme Meldungen abgegeben werden - dies nicht zuletzt auch aufgrund der medialen Aufmerksamkeit durch die europäischen sowie nationalen Gesetzesinitiativen und der damit verbundenen steigenden Bekanntheit dieses Themas.

Wir haben uns intern eine Art Verfahrensordnung zum Umgang mit Hinweisen auferlegt. Hierin werden zum einen Grundsätze wie beispielsweise Objektivität, Vertraulichkeit und das Gebot der Unschuldsvermutung statuiert. Zum anderen werden eingehende Hinweise immer zunächst auf Plausibilität hin geprüft. Dies muss manchmal auch in Zusammenarbeit mit anderen Fachabteilungen erfolgen, da unser Wissen in Spezialthemen zuweilen begrenzt ist. Sofern sich Hinweise als plausibel darstellen, erfolgt eine Sachverhaltsaufklärung und gegebenenfalls werden risikoorientierte Sofortmaßnahmen ergriffen. Aber auch bei unplausiblen Hinweisen stellen wir uns immer die Frage des „Was wäre, wenn?“ und prüfen die potenziell betroffenen Prozesse auf Optimierungspotential. Am Ende einer solchen Sachverhaltsfeststellung steht natürlich auch immer die Dokumentation und die Übergabe von Empfehlungen an die Fachabteilungen.

Wie viele Hinweise gibt es im Jahr und zu welchen Bereichen?

Das ist unterschiedlich und kommt auch auf viele externe Faktoren an. Ganz klar ist aber, dass ein überwiegender Teil Beratungsanfragen zu Einzelsachverhalten oder die Bitte um Begleitung eines Projektes sind.

Das Gespräch führte Katrin Rüter, Chefredakteurin