Für Gesundheitseinrichtungen und Krankenhäuser steht eine weitere große Herausforderung an: Es gilt. das Geschäftsmodell in Richtung Nachhaltigkeit weiterzuentwickeln. Ab 2024 besteht für alle Betriebe in Europa über 250 Beschäftigten und 40 Mio. € Umsatz die Pflicht, jährlich einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen. Dies wurde in der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der EU festgelegt.
Diese neue Direktive, deren genaue Ausgestaltung noch in einen entsprechenden Berichtsrahmen umgesetzt werden muss, ist für die Krankenhäuser nicht nur Risiko, sondern auch Chance. Der Referenzrahmen der CSRD leitet sich aus den 17 Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen (UN) ab. Mit diesen Sustainable Development Goals (SDG) haben sich die UN-Mitgliedsstaaten politische Ziele zur „Transformation unserer Welt“ im Sinne der nachhaltigen Entwicklung gegeben und diese auf insgesamt 169 Unterziele aufgeteilt.
Nachhaltigkeit und daraus abgeleitet die nachhaltige Unternehmensführung entwickelt sich schon seit einiger Zeit als eine der zentralen Herausforderungen und strategischen Aufgaben im Sinne einer zukunftsorientierten Unternehmensführung. Dies beinhaltet explizit Anforderungen an eine Unternehmensteuerung, die nicht nur ökologische, sondern im gleichen Maße auch soziale Aspekte mit der gelebten Praxis guter Unternehmensführung („Good Governance“) kombiniert.
Krankenhäuser leisten einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung
Krankenhäuser leisten dabei einen direkten positiven Beitrag zum Nachhaltigkeitsziel SDG 3: „Gesundheit und Wohlergehen: Ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters gewährleisten und ihr Wohlergehen fördern“. Zu den diversen Unterzielen zählt z.B. die Reduktion der Mutter- und Kindersterblichkeit sowie der Frühsterblichkeit aufgrund von nichtübertragbaren Krankheiten, aber auch eine für alle erreichbare allgemeine Gesundheitsversorgung, den Zugang zu hochwertigen grundlegenden Gesundheitsdiensten und den Zugang zu Arzneimitteln und Impfstoffen.
Aber es darf natürlich auch nicht übersehen werden, dass Aktivitäten von Krankenhäusern auch negative Auswirkungen auf die soziale und ökologische Umwelt haben und es so zu Zielkonflikten kommen kann. Besonders anschaulich wird dies am Beispiel der Beschäftigten in Gesundheitseinrichtungen. Durch ihre Beschäftigungswirkung tragen u.a. Krankenhäuser, aber auch Pflegeeinrichtungen zur Stärkung der regionalen Beschäftigung sowie zur Bruttowertschöpfung bei. Auch als Ausbildungsbetriebe fördern sie die soziale Entwicklung positiv. Aber: Studien der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege und des Marburger Bundes zeigen, sowohl Beschäftigte im Pflegebereich als auch Ärzte leiden extrem unter den aktuellen Arbeitsbedingungen. Viele sind nahe am Burnout oder wollen aus dem Beruf ausscheiden. Dies schadet nicht nur der Gesundheit der Betroffenen, sondern wirkt sich auch negativ auf die Patientenversorgung aus. Eine nachhaltige Unternehmensführung muss hier eingreifen und Veränderungen herbeiführen.
Ökologische Wirkungen der Aktivitäten sind nicht zu vernachlässigen
Von steigender Herausforderung sind ferner die Wirkungen auf die ökologische Umwelt. Krankenhäuser sind nicht nur Hochenergiebetriebe, sondern sie verbrauchen auch viele Rohstoffe und verursachen gefährliche Abfälle. Dies führt u.a. zu einem hohen CO2-Fußabdruck und weiteren Umweltbelastungen wie Grundwasserbelastungen. Ein Bericht des Umweltbundesamtes, der sich mit dem Ressourcenverbrauch im deutschen Gesundheitssektor beschäftigte, stellt ferner fest, dass der Gesundheitssektor (stationär und ambulant) einen jährlichen Rohstoffkonsum von ca. 107 Mio. Tonnen verursacht, wobei ungefähr ein Drittel aus heimischer Rohstoffentnahme stammt.
Dies entspricht ca. 5 % des gesamten deutschen Rohstoffkonsums, womit der Gesundheitssektor im Branchenvergleich an vierter Stelle liegt. Bemerkenswert ist dabei außerdem, im Zeitraum von 1996 bis 2016 der Rohstoffkonsum des Gesundheitssektors um ca. 80 % angestiegen ist. Weltweit zeichnete sich der Gesundheitssektor im Jahr 2014 für 4,4 % des CO2-Ausstoßes verantwortlich, was mehr ist als der weltweite Flugverkehr verursacht.
Gerade für Krankenhäuser ergeben sich dabei vielfältige Handlungsfelder, in denen noch großes Potenzial für ressourcenschonendes Verhalten zu existieren scheinen, so zum Beispiel in der effizienten Gebäudeinfrastruktur (Krankenhausbau und -sanierung), im Verpflegungsbereich oder im Einkauf von Medizinprodukten. Dabei ist zu beachten, dass in all diesen Feldern hinreichende Möglichkeiten bestehen, ökonomisches und ökologisches Optimierungspotenzial in Einklang zu bringen. Es handelt sich bei also mitnichten um ein stetes Abwägen aus Wirtschaftlichkeit und Ökologie. Die Einschätzung, dass Aktivitäten zur Steigerung der Ressourceneffizienz oder des sozialen Mehrwerts Kosten verursachen, ohne sich dabei auf die Patientenversorgung auszuwirken, ist nicht haltbar.
Darüber hinaus führen negative Einwirkungen auf die Umwelt durch eine ortgesetzte Nichtbeachtung ressourcenschonenden oder sozialverträglichen Verhaltens zu weiteren negativen, wirtschaftlichen Konsequenzen: Neben sicherlich ansteigenden Preisen für Emissionen (z.B. CO2) ist auch die künftig stark zunehmende Integration von Nachhaltigkeitskriterien in die Kreditvergabepolitik von Banken anzuführen. Nachhaltige Aktivitäten werden wohl mit einem Risikoabschlag auf den Kreditzins belohnt und im Umkehrschluss nicht-nachhaltige Aktivitäten mit einem Malus bestraft.
Nachhaltigkeit kann so auf Dauer ein Wettbewerbsvorteil mit sich bringen. Auch Patienten und Bewohner werden sich, dem allgemeinen Trend zu mehr Nachhaltigkeit folgend, künftig sicherlich mehr an Nachhaltigkeitskriterien bei der Auswahl eines Krankenhauses oder Pflegeheims orientieren. Die kann zu Wettbewerbsvorteilen führen. Dies fasst Prof. Dr. Andrew Ullmann, Arzt und Obmann der FDP-Fraktion im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages, wie folgt zusammen: „Das System, was die Menschen gesund machen soll, darf kein Auslöser schlimmer gesundheitlicher Schäden sein.“
Im Rahmen der erweiterten Berichterstattungspflicht CSRD wird es künftig auch für Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen von Relevanz sein, eine sektororientierte Messung der positiven und negativen Nachhaltigkeitswirkungen vorzunehmen und zu steuern. Es sollte sich an einem Best-of-Class-Ansatz orientiert werden. Vorreiter in der Nachhaltigkeitsberichterstattung sind bisher Krankenhauskonzerne und große Verbünde. Sie haben das Thema für sich schon entdeckt und versuchen es zu erschließen.
Sektorspezifische Erweiterung des DNK als Projekt des DVKC
Der Deutsche Nachhaltigkeitskodex (DNK) als vom Rat für Nachhaltige Entwicklung der Bundesregierung initiierter, branchenübergreifender Transparenzstandard für die Berichterstattung unternehmerischer Nachhaltigkeitsleistungen bietet aufbauend auf internationalen Standards (‚Global Reporting Initiative‘, GRI) einen optimalen Ausgangspunkt für eine ganzheitliche Befassung mit Nachhaltigkeit im deutschen Krankenhaussektor. Neben den zwanzig Standardkriterien des DNK besteht die Option einer sektorspezifischen Erweiterung der Berichterstattung. Abbildung 1 stellt den Aufbau einer DNK-Erklärung dar. Die 20 Kriterien lassen sich dabei in vier Themenbereiche kategorisieren.
Abbildung 1: Überblick über die Kriterien des DNK.
Sektorspezifische Erweiterungen der DNK-Berichterstattung wurden u.a. von Finanzinstituten, der Energiewirtschaft, der Wohnungswirtschaft oder der Ernährungsindustrie bereits umgesetzt. Für Gesundheitseinrichtungen und Krankenhäuser liegt eine solche Ergänzung noch nicht vor. Der Deutsche Verein für Krankenhaus- Controlling e.V. (DVKC) hat nun ein Projekt initiiert, welches das Ziel verfolgt, eine sektorspezifische Vorgehensweise für die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Krankenhäusern und Gesundheitseinrichtungen zu entwickeln. Hierdurch soll eine an den individuellen Voraussetzungen und Bedürfnissen von Gesundheitseinrichtungen angepasste Berichtsfassung ermöglicht werden, die gleichsam auch als Ausgangspunkt für eine strategische und ganzheitliche Befassung mit dem Thema Nachhaltigkeit dienen kann. Eine Projektgruppe mit Partnern aus Krankenhäusern bzw. Gesundheitseinrichtungen, der anwendungsorientierten Wissenschaft sowie weiteren relevanten Stakeholdern (Finanzinstitute, NGOs) konstituiert sich gerade. Dies soll auf Basis und in Abstimmung mit dem Deutschen Nachhaltigkeitskodex erfolgen und durch diesen als offizieller DNK-Branchenstandard akkreditiert werden, so dass dieser eine branchenweite Reichweite entfalten kann.
Björn Maier und Marcus Sidki
Anschrift der Verfasser
Prof. Dr. Björn Maier, Vorsitzender des Deutschen Vereins für Krankenhaus-Controlling (DVKC), Studiendekan, Studiengangsleiter BWL – Gesundheitsmanagement der DHBW Mannheim, 68163 Mannheim/Prof. Dr. Marcus Sidki, Hochschule Ludwigshafen am Rhein, Professur für VWL und Statistik, 67059 Ludwigshafen, Managing Partner IMCOG GmbH