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Thema des Monats

KI im Krankenhaus-Controlling

Das Krankenhaus wandelt sich zum Smart Hospital. Dabei ist Künstliche Intelligenz eigentlich kein wirklich neues Thema. Doch ist es nun zum Hype geworden. Ihr tatsächlicher Einsatz ist im Bereich von betriebswirtschaftlichen Anwendungen in Krankenhäusern insbesondere im Controlling, wenn sie dort überhaupt vorhanden oder angedacht sind, noch überschaubar. In Krankenhäusern verhält es sich dabei nicht anders als in Unternehmen anderer Branchen.

Künstliche Intelligenz beschreibt digitalisierte Anwendungen, die die Kernfähigkeiten „Wahrnehmen“, „Deuten“, „Handeln“ sowie „Lernen“ beinhalten und aufgrund dieser Fähigkeiten intelligentes Verhalten zeigen. Ein Beispiel hierfür ist das Erkennen von Verkehrszeichen im PKW und die darauf eingeleitete Geschwindigkeitsanpassung durch den Tempomat. Ein weiteres Beispiel ist das digitale Sprachmodell ChatGPT, das Anfang 2023 für hohe mediale Aufmerksamkeit sorgte. Sekundenschnell formuliert das Sprachmodell zu Fragen aller Art eine (scheinbar) plausible Antwort.

Zwar spielt das physische Erkennen im Controlling nur eine untergeordnete Rolle – allenthalben beim Eiscannen von Rechnungen –, da es bereits auf strukturierten Daten aufsetzt, doch vermag auch hier der Einsatz von Künstlicher Intelligenz die Arbeit von Controllern fundamental zu verändern. Eine Klippe ist jedoch zu überwinden: So liegt schon im einfachsten Fall etwa das Datum schön akkurat mit Tag, Monat und Jahr vor, es ist also erfasst. Doch ist das allein keinesfalls ausreichend, um Prozesse anzustoßen. Die Semantik muss beherrscht werden, denn ein Lieferscheindatum ist etwas völlig anderes als ein Rechnungsdatum. Auch sind Zusammenhänge zwischen beiden Vorgängen zu deuten und Handlungen anzustoßen. Dieser einfache Fall zeigt schon, wie komplex die Themenstellung im Controlling ist, denn die Mengen an internen wie externen Daten sind gewaltig.

Ist die Hürde „Semantik“ jedoch erst einmal genommen, wird sich Künstliche Intelligenz zu einem mächtigen Werkzeug im Controlling entwickeln. Denn gerade wegen des verhältnismäßig hohen Anteils strukturierter kognitiver Leistungen drängt sich dessen Einsatz auf, und KI-Anwendungen werden zu einer fundamentalen Neudefinition und Ausrichtung vorhandener Aufgaben dort führen und die Effizienz wie Effektivität massiv steigern. Mittels Künstlicher Intelligenz werden Controller erstens von Routineaufgaben entlastet und erreichen zweitens eine spürbar höhere Transparenz von Geschäftstätigkeit und -ergebnis. Drittens werden sie hierdurch besser als bislang imstande sein, bei strategischen wie operativen Problemstellungen auf die Bedarfe des Managements individuell angepasste Unterstützung zu bieten. Big Data unterstützen schließlich das Management zunehmend, die richtigen Entscheidungen zu treffen und die Prozesse innerhalb des komplexen Systems Krankenhaus zu optimieren. Insgesamt stellt Künstliche Intelligenz für Controller eine disruptive Technologie dar.

Controller als Business Partner

Im Mittelpunkt des Krankenhaus-Controllings stehen die Aufgabenfelder „Planung“, „Berichtswesen“ und „Performance-Messung“. Controller agieren dort als Informationsdienstleister für das Management, indem sie die für das jeweilige Feld notwendigen Daten sammeln und zielgerichtet aufbereiten. Sie handeln aber auch als Businesspartner, die für das Klinikmanagement die bereitgestellten Informationen interpretieren, schlüssige Handlungsalternativen ableiten und – im Sinne eines agilen Ansatzes – Entscheidungsprozesse interativ flankieren und unterstützen. Erst dann werden sie ihrer Managementfunktion überhaupt gerecht.

Doch gibt es im Controlling bislang nur wenig KI-Erfahrung. Nicht selten mangelt es dort außerdem am nötigen Know-how, um die mit der Einführung von KI-Lösungen verbundenen Kosten und Risiken, insbesondere aber auch die erwarteten Möglichkeiten und Chancen gewichten zu können. Das Verknüpfen von Tabellen allein reicht nicht aus. Zentral für das Controlling dürfte es sein, dass das System zunächst als Software-Roboter Korrelationen identifiziert. Künstliche Intelligenz ist in diesem Schritt noch nicht nötig. Erst dann ist das grundsätzliche „Wie“ des Zusammenhangs von Prozessen zu klären. Das steckt in der Semantik. Die Quantität und Relevanz der Zusammenhänge werden erst durch diese greifbar. Dabei bestehen Korrelationen nicht immer nur in den gewollten Zusammenhängen. Eine weiße Fläche vor dem Fahrzeug bedeutet schließlich auch nicht Hindernisfreiheit, vielmehr kann es auch die große Ladefläche eines LKWs sein.

Für das Krankenhaus-Controlling ist also gerade die „Lebenswirklichkeit“ interessant: Wo und warum sind Prozessschritte zu langsam? Wo und warum hapert es bei der Beschaffung? Wo und warum wandern Patienten ab oder umgekehrt? Welche Maßnahmen führen zu einer besseren Nutzung der vorhandenen Kapazitäten, strukturierteren Einkauf und, nicht zuletzt, höherer Zufriedenheit der Patienten? Dies zu identifizieren ist auch der eigentliche Gewinn von Künstlicher Intelligenz: Aktuell erschöpfen sich die Systeme in der Darstellung von Fakten. Hierbei ist es allein dem Controller überlassen, Interdependenzen aus dem „Kaffeesatz“ von visualisierten Trends, Prozessgraphen und Tortendiagrammen zu interpretieren. Controlling und Management müssen sich erst selbst eine Hypothese zurechtlegen und diese dann durch Navigation durch den Datenwust plausibilisieren. Mittels Künstlicher Intelligenz können unterschiedliche Hypothesen direkt bewertet oder sogar neue aufgestellt werden. Sie liefert autonom Vorschläge, wo Verbesserungen zu finden sind. Und da hier Algorithmen zugrunde liegen, sind die Ergebnisse auch wesentlich belastbarer als vom Menschen durchgeführte Analysen von Stichproben in Form der Betrachtung einzelner Geschäftsvorfälle.

Dies entlastet den Controller, der sich lieber in der Rolle des Business Partners denn als Informationsdienstleister sieht, jedoch aufgrund zeitraubender Aktivitäten blockiert ist. Denn schließlich liegt in der automatisierten Abarbeitung von regelbasierten Routineaufgaben wie sie etwa bei der Aufbereitung von Informationen für das Reporting oder die Vorbereitung der strategischen wie operativen Planung anfallen, eine entscheidende Einsatzmöglichkeit von Künstlicher Intelligenz im Krankenhaus-Controlling. Die KI-Anwendung vergrößert das Einsatzspektrum des bereits genutzten Software-Roboters erheblich.

Proof of Concept als Basis

Die Einführung von KI-Anwendungen im Krankenhaus-Controlling ist mit einem erheblichen Einsatz finanzieller und zeitlicher Ressourcen verbunden. Eine Lösung „von der Stange“ gibt es nicht. Auch ist die für die Implementierung nötige Expertise in Krankenhäuser häufig nicht in einem ausreichenden Maße vorhanden. Um die Krankenhaus-IT-Abteilungen, die an der Schnittstelle zur Informatik mitunter sekundieren könnten, ist es mitunter nicht besser bestellt.

Insgesamt ist es jedoch noch ein sehr junges Feld, und sicher sind KI-Anwendungen im Controlling noch explorative Innovationsprojekte, bei denen der letztendliche Nutzen unbestimmt ist. Doch ist ihr Einsatz zu verlockend, um das Thema nicht kurz- beziehungsweise mittelfristig auf die Agenda zu setzen. Empfehlenswert ist es, den Einsatz von KI-Anwendungen zuerst exemplarisch anhand kleinerer und abgegrenzter Pilotprojekte innerhalb eines agilen Projekt-Managements zu erproben. Dadurch kann nicht nur ein Proof of Concept erbracht werden, vielmehr wird gleichzeitig auch die notwendige Bereitschaft für eine breite Umsetzung im Controller-Bereich erlangt; aber auch das Management, das oft aus dem Controlling stammt, kann so überzeugt werden.

Dann, in die volle Breite ausgerollt, bewirkt der Einsatz von Künstlicher Intelligenz einen radikalen Kulturwandel im Krankenhaus-Controlling. Controller definieren sich über KI-Anwendungen nicht mehr allein über ihr Herrschaftswissen, das sie ohne Zweifel über Daten und Methoden haben. Sie können sich als Daten Scientists hierdurch erhebliche Freiräume schaffen, die sie jedoch auch für eine intensivere Entwicklung hin zum Business Partner ausfüllen müssen.

Trotz der enormen Leistungsfähigkeit von Künstlicher Intelligenz, wie sich ChatGPT in einem völlig anderen Feld demonstriert, bleibt es weiterhin dem Menschen und seiner Intelligenz vorbehalten, aus den zur Verfügung gestellten Analysen die richtigen Schlüsse zu ziehen und hierauf Entscheidungen für die Zukunft des Krankenhauses zu begründen.

Operation Zukunft

Noch ist der Umsetzungsgrad von Künstlicher Intelligenz im Krankenhaus niedrig. Bei digitalen Anwendungslösungen handelt es sich auch im Jahr 2023 immer noch vor allem um Insellösungen, die nicht als Teil einer grenzübergreifenden Vernetzung zum Einsatz kommen. Das liegt auch an Restriktionen, die mit wichtigen und zwingend zu berücksichtigen Aspekten der Cybersicherheit und des Datenschutzes einhergehen, denn wer die Chancen der Künstlichen Intelligenz nutzen möchte, der muss auch ihre Risiken und Nebenwirkungen kennen. Wie das Smart Hospital konkret aussehen wird, wird die Zukunft zeigen. Im Controlling und auch darüber hinaus.

Dr. Christian Stoffers, Vorstandsvorsitzender Zentrum für die Digitalisierung der Wirtschaft Südwestfalen, Friedrichstr. 133, 57072 Siegen/Dr. Nicolas Krämer, Vorstandsvorsitzender HC&S AG, Lippstädter Str. 42, 48155 Münster