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Thema des Monats

Im Gespräch Mit Prof. Dr. Julia Oswald, Professorin für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Krankenhausmanagement und -finanzierung, an der Hochschule Osnabrück


Prof. Dr. Julia Oswald. Foto: privat

Pandemie, Krieg, Inflation und Krankenhausreform: Wie kann Krankenhauscontrolling unter Extrembedingungen überhaupt funktionieren?

Von diesen Ereignissen ist zunächst das Management betroffen, indem es das Krankenhaus mit Blick auf die Existenzsicherung durch Krisen jeglicher Art navigieren muss. Für das Controlling, verstanden als Unterstützungsfunktion für das Management, gelten daher stets die gleichen Anforderungen, unabhängig von den Szenarien der Krankenhausumwelt und den Herausforderungen für das Management.

Controlling funktioniert somit nur über eine stabile, partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Manager und Controller, insbesondere unter Bedingungen, die durch hohe Unsicherheit sowie Struktur- und Kulturbrüche gekennzeichnet sind. Ein wesentlicher Stabilisator dabei ist die Vertrauensbereitschaft in der Partnerschaft, die keinen allgemeinen Regeln folgt. Die Zusammenarbeit zwischen einem Controller und zum Beispiel dem Geschäftsführer oder einem Chefarzt ist das Ergebnis des tatsächlichen Verhaltens der Aufgabenträger in der sozialen Beziehung und damit informaler Natur und persönlichkeitsabhängig. Vertrauen fördert den kommunikativen Austausch zwischen den Beteiligten und beeinflusst darüber das Ausmaß und die Qualität der ausgetauschten Informationen und letztlich auch die Akzeptanz der Controllingsysteme und -instrumente bei den Berufsgruppen und Abteilungen im gesamten Krankenhaus.

Den Grundstein dafür legt das Führungsverständnis und die ihm zugrundeliegenden Wertevorstellungen und Grundsätze als Bestandteil der Unternehmenskultur. Außerdem wirkt der gesetzte formale Rahmen zum Verhältnis von Management und Controlling auf die Interaktionsstrukturen der Beziehung ein. Hier muss festgelegt werden, welche Entscheidungen vom Management zu treffen sind, was dafür benötigt wird und inwiefern sich das Controlling hier unterstützend einbringen soll, etwa, ob es nur Informationen liefern oder auch beraten soll, und wie das Controlling organisatorisch eingebunden werden soll, im Sinne einer Aufgabenzuordnung, der Abteilungs- und Stellenbildung.

Damit das Management und Controlling auch in Extremsituationen handlungsfähig bleibt müssen also geeignete organisatorische und führungsbezogene Rahmenbedingungen gegeben sein. Denn: Je reibungsloser das Zusammenspiel von Management und Controlling, desto effektiver können die Entscheidungsprobleme des Krankenhausmanagements gelöst werden.

Wie stellt sich die aktuelle Diskussion um eine Krankenhausreform (Vorhaltefinanzierung, Versorgunglevel, Leistungsgruppen) aus Sicht des Krankenhaus-Controllings dar?

Die Diskussion um eine Krankenhausreform tangiert das Krankenhaus zunächst bezüglich einer Neu-Positionierung des Versorgungsangebots in einzelnen Geschäftsfeldern, Fachabteilungen und/oder Versorgungsschwerpunkten. Hier hat das Management die Herausforderung, auf der Basis der neuen Rahmenbedingungen die Angebotspolitik anzupassen. Unterstützt werden diese Strategien durch das Controlling über besondere, fallweise Datenerhebungen und -zusammensetzungen. Während ein Controllingsystem die regelmäßig anfallenden betriebswirtschaftlichen Entscheidungen mit entscheidungsrelevanten Informationen zur Leistungs-, Kosten- und Erlössteuerung unterstützt, sind für Leistungs- und Strukturveränderungen – aufgrund gesetzlicher Regelungen – Sondererhebungen und -rechnungen zur Verfügung zu stellen. Hierbei handelt es sich um Erhebungen, für die in Abhängigkeit der jeweiligen gesetzlichen Regeln zusätzliche Daten bereitgestellt werden müssen (z.B. Bereitstellung von InEK-Kalkulationsdaten, Erfüllung von Nachweispflichten für Budgetverhandlungen u.a.). Diese Informationen werden zur Erfüllung externer Anforderungen bereitgestellt und finden Eingang in die Verhandlungs- und Controllingroutine. Verantwortung trägt das Krankenhaus-Controlling gleichermaßen für die zielgerichtete Wahrnehmung von (nach innen gerichteten) Steuerungsaufgaben. Dabei muss das Informationssystem u.a. der jeweiligen Struktur der Krankenhausfinanzierung gerecht werden. Das heißt, es ist eine Transparenz über die komplexen Systeminhalte und -strukturen und über die Anreize der einzelnen Systemelemente sowie die damit verbundenen ökonomischen Wirkungen für das einzelne Krankenhausunternehmen herzustellen.

Das Wissen um die betriebswirtschaftlichen Konsequenzen bestehender und neuer Systemelemente wie die Vorhaltfinanzierung oder einer leistungsorientierteren Krankenhausplanung bildet die Grundlage für die kurz- und langfristigen Entscheidungen des Managements. Insbesondere geht es darum, mittels spezifischer Leistungs-, Kosten- und Erlösinformationen die Entscheidungsspielräume des Krankenhausmanagements auszuloten, die trotz des (engen) gesetzlichen Rahmens bestehen. Nur so ist es möglich, ausgehend vom Versorgungsauftrag eine optimale medizinische und ökonomische Unternehmens- bzw. Fachabteilungsgröße zu entwickeln und bei möglichen Gesamtkostenunterdeckungen Finanzierungzuschläge nachvollziehbar zu begründen.

Werden die aktuellen Reformüberlegungen umgesetzt, ist es dann z.B. notwendig, die eigenen Vorhaltekosten sachgerecht zu ermitteln, um sie mit den Erlösen aus der Vorhaltefinanzierung abzustimmen, ferner mögliche Erlösverschiebungen zwischen den Budgetbereichen zu kennen (preisbasiertes DRG-Erlösbudget, kostenbasiertes Pflegebudget, Vorhaltebudget). Gleichzeitig müssen auch die Anforderungen aus den bestehenden finanzregulatorischen Vorgaben im Blick behalten werden (z.B. Abrechnung von Fallpauschalen, getrennte Finanzierung der Investitions- und Betriebskosten) und es müssen zur Zielerreichung des Krankenhauses bestimmte inhaltliche Schwerpunkte gesetzt werden (z.B. Kosten- und Erlös-Controlling, Investitions-Controlling). Nur so ist es dann auch möglich, frühzeitig die Auswirkungen der notwendigen Strukturveränderungen im Versorgungssystem abzuschätzen. Selbst wenn sich bundeseinheitliche Versorgungslevel und Leistungsgruppen nur in Teilen durchsetzen, wird es zur Reduzierung der Kapazitäten und zur Verschiebung von Versorgungsaufträgen zwischen den stationären Angeboten und zwischen den stationären und ambulanten Angeboten kommen. Damit verbundene Kosten- und Erlösstrukturen müssen bekannt sein, um entscheiden zu können, welche Leistungen, in welchem Umfang selbst oder in kooperativer Form angeboten werden sollen und inwieweit nichtkostendeckende Leistungen kompensiert werden können oder sollen. Mit dem Ausbau des ambulanten Leistungsangebots von Krankenhäusern steigt damit auch die Bedeutung einer Ambulanzkostenrechnung und mit ihr die Frage, wie die Ambulanzkosten kalkuliert werden sollen (Voll-, Teil- oder Grenzkosten). Schließlich müssen auch die Leistungsmodule eines Krankenhauses innerhalb der abgestimmten sektorenübergreifenden Versorgungsprozesse nebst Kosten und Erlöse i.S. eines sektorenübergreifenden Controllings gesteuert werden.

Welche Auswirkungen hat das Pflegebudget auf das Personalcontrolling, wie steht es um die Budgetverhandlungen?

Für die Ermittlung des Pflegebudgets gilt das bereits Erläuterte. Hier sind die Vorgaben der gesetzlichen Regelungen zu erfüllen, zunächst als Sonderrechnung und im Anschluss als routinemäßige Datenlieferung zur Vereinbarung des Pflegebudgets im Rahmen der Budgetverhandlungen und zur Kontrolle des Pflegebudgets. Einmalig sind zur Festlegung der Basis des Pflegebudgets die durchschnittlichen Pflegevollkräfte differenziert nach Berufsbezeichnungen zu erheben sowie Bereinigungen bei den Pflegepersonalkosten vorzunehmen. Werden pflegeentlastende Maßnahmen ergriffen, sind diese sachgerecht zu kalkulieren. Anschließend ist eine permanente, unterjährige Überwachung der Erlöse aus dem Pflegebudget und der tatsächlichen Pflegepersonalkosten u.a. unter Beachtung von Neueinstellungen und Austritten mit Blick auf mögliche Ausgleichsverpflichten oder Forderungen notwendig. Das Pflegebudget ist streng zweckgebunden, so dass Sorgfalt bei der Zuordnung und Dokumentation ein wesentlicher Grundsatz ist.

Zur internen Steuerung der Pflegepersonalkosten bedarf es in Abhängigkeit des Managementansatzes eines Konzepts, um die Verhandlungsergebnisse intern zuzuordnen und zu kommunizieren. Bei einem zentralen Ansatz muss es ein Konzept auf Unternehmensebene geben. Desweiteren ist bei einem dezentralen Steuerungsansatz gleichermaßen auf der Ebene der Fachabteilungen oder Zentren eine interne Vereinbarung zu treffen analog zum Konzept der dezentralen Personalkostensteuerung.

Welche Anforderungen und Eigenschaften muss ein Krankenhauscontroller heute erfüllen?

Geht man davon aus, dass Managementaufgaben nicht nur von der kaufmännischen Krankenhausleitung, sondern auch vom Ärztlichen und Pflegerischen Direktorium sowie von den Führungskräften auf der Ebene der Fachabteilungen/Zentren und der sonstigen Leistungsbereiche, etwa Chefärzte und Bereichsleitung Pflege, wahrgenommen werden, benötigen Controller zur Unterstützung der Manager neben definierten Fach-, Methoden-, Kommunikationskompetenzen und Konfliktlösungsfähigkeiten vor allem die Fähigkeit, das betriebswirtschaftliche Fachwissen in eine verständliche Sprache zu übersetzen. Dies setzt Kenntnisse zum Leistungsangebot der Fachabteilung oder des Zentrums und zum relevanten Markt sowie zu den bereichsinternen und bereichsübergreifenden Prozessen voraus. Ob und wie sich der Controller dann im Arbeitsalltag unterstützend einbringt bzw. einbringen kann und die ihm eingeräumten Spielräume ausfüllt, wird darüber hinaus davon bestimmt, inwieweit der Manager es zulässt, dass der Controller seine Steuerungsaufgaben mitgestaltet – von der Entscheidungsvorbereitung über die Entscheidungsbeeinflussung bis hin zur Entscheidungsdetermination – bzw. der Manager selbst überhaupt in der Lage ist, sein Entscheidungsproblem zu schildern.

Ihr Werk „Management und Controlling im Krankenhaus“ ist kürzlich erschienen. Ein Schwerpunkt ist der Ansatz des Integrierten Controllings bzw. Krankenhausmanagements zu sein. Was bedeutete dies in der aktuellen Situation der Kliniken?

Die derzeit wahrgenommenen Aufgaben des Controllings in der Krankenhauspraxis beschränken sich häufig auf die operative Managementebene in Form eines kurzfristigen Kosten-Controllings sowie eines fallbezogenen Erlös-Controllings. Stärker auszubauen ist ein Controlling, dass die strategischen Entscheidungen des Krankenhausmanagements unterstützt. Angesichts der steigenden Komplexität sowie der Geschwindigkeit des Wandels der Umwelt nebst Wettbewerb, ist die Entwicklung und Realisierung langfristiger Erfolgsstrategien zur Sicherung der Existenz des Krankenhauses von zentraler Bedeutung. Die strategischen Entscheidungsprobleme betreffen sowohl die Beziehungen zur Krankenhausumwelt als auch das Unternehmenssystem selbst mit seinen internen Strukturen und seiner Kultur. Sie können als äußerst komplex und schlecht strukturiert charakterisiert werden. Die damit verbundenen Informationslücken bei den Entscheidungsträgern sind vom strategischen Controlling über die Versorgung mit Frühwarninformationen zu reduzieren. Um die strategischen Festlegungen des Krankenhauses zum Leistungsspektrum nach Art, Umfang und anzustrebender Qualität umsetzen zu können und die Leistungs-, Kosten- und Erlössituation auf Fachabteilungs- und Krankenhausebene zu stabilisieren, ist es ferner erforderlich, ein mittelfristig ausgerichtetes, dispositives Controlling aufzubauen. Über ein Informationsmanagement hinsichtlich Kosten, Erlöse, Qualität und Prozesse auf Bereichsebene kann das kostenstellenübergreifende Behandlungsmanagement unterstützt werden und darüber zu einem optimierten Ressourceneinsatz in den Fachabteilungen und Zentren sowie den zentralisierten medizinischen Institutionen und Versorgungseinrichtungen führen.

Was war Ihr besonderes Anliegen Ihres neuen Buchs?

„Jede Entscheidung ist so gut wie die ihr zugrunde liegenden Informationen“ und „Frühwarninformationen treffen uns im Augenblick der absoluten Ignoranz.“

Dies sind zwei wesentliche Erkenntnisse, die uns die Entscheidungstheorie liefert. Sie liegen demzufolge auch einer zielgerichteten Unternehmenspolitik – wie übrigens allen Entscheidungen des Lebens – zugrunde. Daraus leitet sich dann auch unser Anliegen für das Werk Management und Controlling (MuC) ab.

Management und Controlling wird in Grundlagenwerken, in der Theorie und Forschung, in der Praxis und auch in den Organisationen in der Regel getrennt abgebildet. Ursprünglich aus dem Rechnungswesen der Krankenhäuser heraus entwickelt und somit auch i.d.R. zentral organisiert, wird das Krankenhaus-Controlling als Einsatz verschiedener Controllinginstrumente praktiziert, um kurzfristig die sich aus der Krankenhausfinanzierung ergebenden budgetrelevanten Anforderungen intern und extern auf der Basis von Leistungs-, Kosten-, Erlös- und Ergebniszahlen umzusetzen (z.B. Ableitung des Personalbedarfs aus der InEK-Matrix (sh. auch SVR 2023) vs. Analyse und Ableitung aus der Leistungsnotwendigkeit).

Das Krankenhausmanagement hat sich – auch wenn es niemand mehr hören will – aus der Verwaltung heraus entwickelt. Bereits Ende der 1950er-Jahre hat Siegfried Eichhorn die Allgemeine BWL, wie sie für Unternehmen gilt, modifiziert auf Krankenhäuser übertragen (Beiträge zur Krankenhauswissenschaft, Kohlhammer-Verlag, 1958; dreibändiges Werk der Krankenhausbetriebslehre – Theorie und Praxis des Krankenhausbetriebs, 1967 und 1987). Sie wurde zur Krankenhaus-Managementlehre weiterentwickelt (Eichhorn/Schmidt-Rettig/Oswald, 2008 und 2017) und um die Perspektiven des Organisatorischen Wandels und Leaderships erweitert (Zapp, 2015). Unser Anliegen hier war es, auf dem integralen Ansatz des St. Galler Management-Konzepts basierend die Entscheidungsstrukturen von Krankenhäusern darzulegen und dabei auf die Besonderheiten der Expertenorganisation Krankenhaus mit ihrem dezentralen Führungsnukleus abzustellen. Dabei geht es um Entscheidungsspielräume und -grenzen, die durch die internen und externen Rahmenbedingungen gegeben sind. Das Werk MuC erweitert diesen Ansatz! Zur Unterstützung qualitätsorientierter Managementstrukturen wird hier spiegelbildlich ein Controllingsystem aufgebaut, welches den Managementverantwortlichen problem- und zielrelevante externe und interne Informationen zur Verfügung stellen kann. In der Praxis sind Entscheidungsstrukturen nur vage erkennbar, die relevanten Informationen nur selten verfügbar, es werden Daten erhoben und verdichtet, die nie in Entscheidungen einfließen, und es gibt Entscheidungen, die getroffen werden müssen, für die keine Controllinginformationen vorhanden sind.

Damit unterscheidet sich diese Herangehensweise von derzeitigen Controllingansätzen in Theorie und Praxis. Der MuC-Ansatz knüpft an der Managemententscheidungsrelevanz von Informationen und deren Priorisierung für die Verantwortlichen an. Er greift gleichzeitig auf, wie sich die Beziehungsdynamik zwischen Manager und Controller darstellt und welche organisatorischen und verhaltensbezogenen Aspekte diese Beziehung bestimmen.

Zur Entwicklung und Darstellung des MuC-Konzepts und zur Harmonisierung von Theorie und Praxis konnten wir 21 Praktiker gewinnen, sechs Hochschullehrer waren beteiligt.

Sie möchten mit Ihrem Management- und Controllingansatz ein neues „Mindset“ für die Zusammenarbeit zwischen Management und Controlling schaffen. Was bedeutet das?

Es geht darum, die gegenseitige Abhängigkeit von Manager und Controller zu betrachten, die ihren Niederschlag in den Handlungsspielräumen beider findet. So liefert zum Beispiel der Controller nur die Informationen oder, weiter gefasst, bereitet bereits Entscheidungsszenarien vor, die sich in der Gestaltung der Arbeitsinhalte und -prozesse zeigen und die sich im Selbstverständnis und dem Verhalten der handelnden Personen wiederfinden

Es bedeutet auch die Fokussierung auf das dezentrale (Bereichs-)Controlling, das die Managementverantwortung von Ärzten im Management in den Vordergrund stellt sowie eine Aufhebung der inhaltlichen und organisatorischen Trennung von Management und Controlling. Es geht auch um die gebundene Informationsversorgung, die ausschließlich an den definierten Managemententscheidungen orientiert ist.

Das Interview führten Anne Borgböhmer und Katrin Rüter