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Thema des Monats

Im Gespräch mit Martin Wohlrabe, Geschäftsführer der Consilium Rechtskommunikation GmbH


RA Martin Wohlrabe, Geschäftsführer der Consilium Rechtskommunikation GmbH. Das Unternehmen entwickelt Strategien der Kommunikation in Sondersituationen, etwa Insolvenzverfahren. Martin Wohlrabe und sein Team haben im vergangenen Jahr viele Kliniken und Trägergesellschaften im Insolvenzverfahren betreut.

Sie machen sich für eine Kommunikationsstrategie im Zuge einer Insolvenz stark. Haben die Kliniken gerade in dieser Situation nicht andere Sorgen?

Gerade im Zuge eines Insolvenzverfahrens ist Kommunikation enorm wichtig. Ich meine sogar: Bei Krankenhäusern ist die Kommunikation sogar noch entscheidender als in Insolvenzverfahren anderer Branchen. Denn ein Antrag auf Eröffnung beispielsweise einer Eigenverwaltung löst große Unsicherheit und tiefe Sorge bei den Mitarbeitern aus. Gleichzeitig ist aber auch der Wettbewerbsdruck auf das Krankenhaus enorm hoch: Soll eine Sanierung gelingen, müssen die Fachkräfte „an Bord“ gehalten werden, damit es überhaupt weitergehen kann mit dem Betrieb. Auch Lieferanten brauchen die Sicherheit, dass Rechnungen bezahlt werden, Zuweiser das Signal weiter Patienten schicken zu dürfen. Und das ist auch eine Frage der Kommunikation und damit der Transparenz. Es geht darum, Vertrauen zu erhalten. Die Kommunikation muss im gesamten Verfahren von Tempo und Stringenz geleitet sein.

Wer sollte vor allem Adressat der Kommunikation in der Insolvenz sein? Patienten, Mitarbeiter, Gläubiger?

Zunächst sind da die Mitarbeiter, der Betriebsrat, die Führungskräfte sowie die Ärzte und Pflegekräfte. Sie müssen als erste einbezogen und ins Bild gesetzt werden. Unmittelbar im Anschluss daran muss auch die Presse informiert werden. Beide, Mitarbeiter und weitere Öffentlichkeit sollten Informationen idealerweise „aus erster Hand“ bekommen, nicht über Dritte.

Es ist von Anfang an wichtig, systematisch zu bedenken: Welche Zielgruppe hat welches Informationsbedürfnis? Am Anfang wollen die Mitarbeiter vor allem wissen, ob sie ihr Gehalt weiter in voller Höhe bekommen. Die Arbeitsagentur übernimmt in den ersten drei Monaten mit dem Insolvenzgeld die Zahlung der vollen Gehälter bis zur Beitragsbemessungsgrenze. Leistungsträger verdienen oft mehr. Um gerade diese wichtigen Säulen zu halten, ist ein wesentlicher Hebel, dass auch diese ihr volles Gehalt weiter bekommen. Und nicht zuletzt die Personalabteilung muss wissen, ob sie weiter einstellen darf. Eine weitere wichtige Stakeholdergruppe sind die Geschäftspartner, die Lieferanten und Kooperationspartner beispielsweise. Auch die Medien, insbesondere die Lokalpresse, interessiert sich für die Insolvenz, für die Klinik als lokalen Arbeitgeber und Versorger. Die Kommunalpolitik, die breitere Öffentlichkeit in der Region, darüber hinaus spielen natürlich die Patienten eine wesentliche Rolle in der Kommunikationsstrategie. Es geht darum, zu beruhigen. Das Vertrauen muss erhalten werden. Auch wenn noch nicht zu allem, zu jeder Abteilung eine konkrete Aussage möglich ist, bevor ein Sanierungskonzept steht und wirtschaftlich unterfüttert wird.

Was ist in der Kommunikation nach innen, mit den Mitarbeitern zu beachten?

Medizinisches Personal muss sich bekanntlich sowieso keine Sorgen machen, in die Arbeitslosigkeit zu rutschen. Sie werden teils sogar mit Wechselprämien in andere Häuser gelockt. Hier ist das Ziel der Kommunikation vor allem, sie zu halten. Gelingt der erste Aufschlag der Krisenkommunikation mit den Beschäftigten, dann erleben wir regelmäßig, dass die Mitarbeiter in den ersten Wochen zusammenrücken. Sie entwickeln eine Art Wagenburg-Mentalität. Diese Stimmung hält aber nur einige Wochen bis Monate. Die Kommunikation muss deshalb auch mittel- und langfristig stimmen.

Wie transparent kann die Kommunikation sein in laufenden Verhandlungen bei einem Insolvenzverfahren?

Ein Insolvenzverfahren ist ein nicht öffentliches Verfahren. Oberstes Entscheidungsgremium ist der Gläubigerausschuss, besetzt in aller Regel durch den Betriebsratsvorsitzenden, der die Mitarbeiter vertritt, sowie durch Vertreter der Bundesagentur für Arbeit und Vertreter von Groß- und Kleingläubigern. Das Gremium tagt nicht-öffentlich. Transparenz hat da ihre Grenzen, und die Kommunikation ist nicht einfach. Hier muss immer wieder auf Grundsätze verwiesen werden, ohne zu sehr auf den Einzelfall einzugehen. Information und Kommunikation in Sanierungsverfahren ist ein sehr komplexes Jonglieren und Abwägen, u.a. was beispielsweise in Hintergrundgesprächen erläutert werden kann, ohne die Vertraulichkeit zu brechen und trotzdem einen substanziellen Einblick zu geben, damit sich Journalisten auch einen verbindlichen Eindruck machen können.

Welche Rolle spielt in der Krise die klassische Öffentlichkeitsarbeit, der Pressesprecher?

Gerade in Krankenhäusern muss ein Pressesprecher in die regelmäßigen Abstimmungsrunden und die Jours fixes der Geschäftsführung mit den leitenden Angestellten eingebunden sein. Und diese enge Einbindung in die Entscheidungsgremien ist gerade in der Krise ganz wichtig. Er muss wissen, was die Geschäftsführung umtreibt und was das für die Kommunikation bedeutet. Gleichzeitig braucht er Gelegenheit, zu spiegeln, was er von den Führungskräften erwartet und für die interne und externe Kommunikation benötigt.

Braucht es für die Kommunikation in Insolvenzfällen externe Spezialisten?

In dieser Frage bin ich als externer Dienstleister arg befangen. Aber lassen Sie es mich so formulieren: Ich kenne sehr versierte Geschäftsführer und Pressesprecher in den Häusern, denen ich im Grunde zutrauen würde, ihr Unternehmen mittels überzeugender Kommunikation durch die Krise zu führen. Aber natürlich ist auch für diese Sprecher-Kollegen nicht einfach: Sie erleben eine Insolvenz wahrscheinlich zum ersten Mal. Da ist es wirklich schwierig, die Meilensteine des Verfahrens zu antizipieren: Antragstellung, Verfahrenseröffnung, ein begleitendes M&A-Verfahren, Abstimmungstermine, Gläubigerausschusssitzungen - das sind wesentliche Meilensteine der Kommunikation. Mit reinen Bordmitteln ist das kaum abzudecken. Da wird immer mal etwas durchrutschen. Und das führt dann schnell zu einem Vertrauensverlust, der eine Sanierung in Schieflage bringen kann.

Die Insolvenzgefahr für Krankenhäuser ist Inflationsbedingt stark gestiegen, dennoch fühlen sich die Kliniken von der Politik wenig wahrgenommen. Was ist ihnen zu raten in Sachen Kommunikation?

Ich finde, dass die Krankenhäuser, auch die DKG und die Landeskrankenhausgesellschaften, zuletzt vieles richtig und auch richtig gut gemacht haben. So etwa die Kampagne „Alarmstufe Rot“, die sehr wohl wahrgenommen wird in der Bevölkerung und auch in der Politik. Überall in der Bundesrepublik waren die Menschen auf den Straßen im Herbst vergangenen Jahres, nicht nur in Berlin. Auch der Römer in Frankfurt war gut gefüllt mit Leuten, um nur ein Beispiel zu nennen. Und da ist etwas gelungen: Die stationäre Versorgung in ihrer Region und ihre Bedeutung ist den Bürgern stärker ins Bewusstsein gerückt. Es hat sich gezeigt, dass viele Menschen bereit sind, sich für ihre Krankenhäuser vor Ort zu engagieren.