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Thema des Monats

Im Gespräch mit Markus Holzbrecher-Morys, Leiter Digitalisierung und eHealth bei der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG)


Markus Holzbrecher-Morys, Leiter des Geschäftsbereichs Digitalisierung und eHealth der DKG. Foto: DKG

Vor einem Jahr hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach seine Digitalisierungsstrategie vorgestellt, die anspruchsvolle Ziele formuliert. Die Versorgungsqualität soll verbessert, Wirtschaftlichkeit und Effizienz gesteigert und bürokratischer Aufwand verringert werden. Wird das gelingen?

Die in der Digitalisierungsstrategie des BMG genannten Kernvorhaben erscheinen grundsätzlich geeignet, diese Ziele zu erreichen. Allerdings agieren Krankenhäuser derzeit unter teils prekären Rahmenbedingungen. Der aktuell stattfindende kalte Strukturwandel, dem der Bundesgesundheitsminister tatenlos zusieht, konterkariert die Bemühungen der Beteiligten auf Seiten der Krankenhäuser – aber auch der Industrie – zur Umsetzung der u.a. mit dem KHZG initiierten Digitalisierungsvorhaben.

Viele der großen Digitalisierungsprojekte – allen voran die Telematikinfrastruktur mit ihren neuen Anwendungen – haben mit anhaltenden Startschwierigkeiten zu kämpfen. Auch dies führt dazu, dass Digitalisierung derzeit von vielen Anwendern nicht als Entlastung, sondern weitere Belastung eines ohnehin herausfordernden Arbeitsumfeldes empfunden wird, wenn Ersatzverfahren eher die Regel als die Ausnahme sind. Außerdem sehen wir derzeit eine neue Welle an bürokratischer Datensammelwut auf die Krankenhäuser zurollen. Von Entbürokratisierung kann angesichts immer neuer Melde-, Nachweis- und Umsetzungsverpflichtungen keine Rede sein.

Die Strategie verspricht auch ein stringentes Umsetzungsmanagement, das alle relevanten Akteure mit einbezieht. Geschieht das auch in Bezug auf die Krankenhäuser?

Wir würden uns wünschen, dass die Krankenhäuser noch besser in den Umsetzungsprozess einbezogen würden. Dies würde den Krankenhäusern auch helfen, sich auf die anstehenden Veränderungsprozesse einzustellen.

DigiG und GDNG sind verabschiedet. Werden die Krankenhäuser profitieren?

Die beiden Gesetze enthalten Aspekte, von denen die Krankenhäuser profitieren können. Die widerspruchsbasierte elektronische Patientenakte hat das Potenzial, wichtige medizinische Informationen dort verfügbar zu machen, wo sie gebraucht werden. Das Gesundheitsdatennutzungsgesetz legt zudem die Grundlage, dass Daten aus der Versorgung für die Versorgungsforschung genutzt werden können. Auch davon versprechen wir uns einen erheblichen Mehrwert für die Versorgung der Patienten im Krankenhaus. Es darf aber nicht unterschätzt werden, welche erheblichen personellen Aufwände erforderlich sind, um die Prozesse im Krankenhaus auf die neuen Regelungen anzupassen. Bis die Krankenhäuser davon profitieren, wird es noch dauern.

Kann die Digitalisierung die Versorgungsstrukturen verbessern?

Digitalisierung hat praktisch jeden Bereich der Krankenhausversorgung erreicht. Vorbefunde können von einweisenden Ärztinnen und Ärzten oder mit Blick auf die ePA durch Patientinnen und Patienten digital bereitgestellt und die Anamnese unterstützt werden. Moderne Verfahren der Bildgebung und Robotik ermöglichen Diagnose- und Therapieansätze, die früher undenkbar waren. Künstliche Intelligenz unterstützt menschliche Expertinnen und Experten bei wichtigen Therapieentscheidungen. Fehler oder Unverträglichkeiten bei der Medikation werden durch digitale Systeme verhindert. Bis hin zur digitalen Essensbestellung auf Station oder dem Patienten-WLAN profitieren das Krankenhaus und die Patienten vom zunehmenden Grad der Digitalisierung. Sie muss aber richtig umgesetzt werden.

Wie ist der Stand der Dinge bei der digitalen Transformation der Klinken? Haben die Häuser nicht gerade andere Probleme?

Die Kliniken haben derzeit andere Probleme. Viele Krankenhäuser wissen heute nicht, ob sich die Investitionen in die Digitalisierung noch lohnen, oder ob sie nicht Opfer des kalten Strukturwandels werden. Mit den Fördermitteln aus dem Krankenhauszukunftsfonds (KHZF) haben sich viele Krankenhäuser auf den Weg der digitalen Transformation gemacht. Mangels geregelter Betriebskostenfinanzierung ist dieser Weg aber - Stand heute - nicht nachhaltig und wird die bestehenden Probleme nur noch vergrößern.

Kann die Digitalisierung die Situation der Kliniken verbessern?

In Zukunft werden Krankenhäuser mehr Patientinnen und Patienten mit weniger ärztlichem und pflegerischem Personal versorgen müssen. Dabei können digitale Dienste helfen, indem das Personal von zeitraubenden Dokumentationsaufgaben entlastet wird oder die Anforderung medizinischer Leistungen anhand der vorhandenen Ressourcen in Echtzeit geplant und ohne unnötige Wartezeiten durchgeführt werden können. Finanzielle Einsparmöglichkeiten werden sich dagegen kaum realisieren lassen, da einerseits die Einführung digitaler Lösungen Investitionen und Betriebskosten bedeuten und hierfür auch das qualifizierte Fachpersonal für die Administration bereitgehalten werden muss.

Wie steht es um die Digitalkompetenz und um den digitalen Reifegrad der Kliniken in Deutschland?

Die Reifegradmessung des Digitalradars hat ergeben, dass die Krankenhäuser bei der Digitalisierung noch viel Luft nach oben haben. Im internationalen Vergleich stehen die Krankenhäuser bei der Digitalisierung aber nicht so schlecht dar, wie oftmals behauptet wird. Das Problem ist immer noch die mangelnde Vernetzung mit den anderen Sektoren. Wir sind gespannt auf die Ergebnisse der nächsten Reifegradmessung und hoffen, dass eine Verbesserung erkennbar wird. Viele Digitalisierungsvorhaben nach dem KHZF sind aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen.

Wichtiges Ziel der Digitalisierung im Gesundheitswesen war und ist, die Interoperabilität zu stärken. Gibt es Fortschritte?

Es gibt Fortschritte. Durch die gematik und das Interop Council hat das Thema „Interoperabilität im Gesundheitswesen“ einen ganz neuen Stellenwert bekommen. Jeder weiß, wie wichtig Interoperabilität ist. Im nächsten Schritt müssen Festlegungen getroffen, Umsetzungen begleitet und die interoperablen Formate tatsächlich genutzt werden.

Immer wieder gibt es Cyber-Attacken auf Krankenhäuser. Ist die Bedrohungslage gewachsen?

Die Bedrohungslage war in den Krankenhäusern immer sehr hoch. Cyber-Attacken auf Krankenhäuser erreichen ein besonders hohes Maß an Aufmerksamkeit und sind daher gern das Ziel von Angreifern. Das BSI hat für das Jahr 2023 festgestellt, dass die Bedrohungen im Cyberraum insgesamt zunehmen. Die Krankenhäuser wurden dabei nicht besonders hervorgehoben.

 Wie sind die Kliniken in Sachen Cybersicherheit aufgestellt? Wie sicher sind Daten im Krankenhaus?

Krankenhäuser sind verpflichtet, Maßnahmen zum Schutz ihrer Systeme und Prozesse vorzuhalten, die Störungen oder den Ausfall entsprechender Komponenten durch Cyberangriffe, aber auch technische Fehlfunktionen möglichst verhindern. Die DKG hat dazu bereits 2018 einen Sicherheitsstandard veröffentlicht, der die gesetzlichen Anforderungen an Informationssicherheit für Krankenhäuser aufgreift. Mit zunehmender Digitalisierung wachsen die möglichen Risiken in Bezug auf die Informationssicherheit, dem muss man begegnen. Unter den Rahmenbedingungen der Krankenhäuser hier Schritt zu halten, ist eine große Herausforderung. Dennoch werden die Systeme der Krankenhäuser immer sicherer, Patientensicherheit und Behandlungseffektivität zu sichern, ist dabei die oberste Priorität.

Das Gespräch führte Katrin Rüter