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Thema des Monats

Digitalisierungsstrategie als digitaler Masterplan 


Foto: shutterstock

Der „digitale Weckruf“ durch das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) war für die meisten Unternehmensführungen deutscher Krankenhäuser eher ein „Schreckruf“. Denn spätestens seit ebendieser Einführung sowie der korrespondierenden Pönalenregelung wird deutlich, dass Digitalisierung nicht mehr nur ein Trend ist, sondern eine verbindliche und grundlegende Voraussetzung, um langfristig wettbewerbsfähig zu sein. Doch die digitale Transformation erfordert eine strategische Neuausrichtung, die unter Berücksichtigung der Unternehmensstrategie ganze Geschäftsprozesse, Technologie- und Marktpotenziale sowie Bedürfnisse der Stakeholder in den Blick nehmen muss. Der Beitrag beschreibt das Vorgehen sowie die Schlüsselelemente, die bei der Entwicklung und Umsetzung ebendieser Digitalisierungsstrategie zu berücksichtigen sind.

Im KHZG-Umsetzungsfieber den strategischen Gesamtblick behalten

Digitalisierung – kaum ein anderes Schlagwort hält die deutsche Krankenhauslandschaft so in Atem. Nicht zuletzt durch Gesetzesinitiativen, wie insbesondere das KHZG, steigt der Druck auf die Einrichtungen, die digitale Transformation zügig zu vollziehen. Konkret müssen Digitalisierungs- und IT-Projekte wirkungsvoll aus der Unternehmens- und Substrategie abgeleitet, in das parallellaufende Tagesgeschäft integriert sowie unter möglichst effizientem Ressourceneinsatz umgesetzt werden. Dabei hat der Gesetzgeber mit einer Umsetzungspflicht sowie korrespondierenden Pönalenregelung bereits eine initiale Priorisierung der Fördertatbestände 2 bis 6 vorgegeben. Und die Gesamtaufstellung des BAS zeigt deutlich, dass Krankenhäuser mit rund 75 % des beantragten Fördervolumens dieser Maßgabe folgen, um insbesondere das Risiko einer Abschlagszahlung ab 2025 zu reduzieren.

Im Zuge der Realisierung der KHZG-Vorhaben und der sonstigen Digitalisierungsprojekte bis 2025, aber auch darüber hinaus, dürfen Krankenhäuser jedoch nicht den strategischen Gesamtblick verlieren. KHZG-Projekte und sonstige Digitalisierungsvorhaben müssen im richtigen Zusammenspiel zueinander und in Bezug zur individuellen Zielsetzung und Unternehmensstrategie stehen. Hierbei kann das KHZG mit der Definition von Fördertatbeständen sowie funktionalen Muss-Kriterien ein wichtiger Referenzpunkt sein. Es beantwortet jedoch keine wichtigen Fragen nach Auswahl und Umsetzung möglicher Digitalisierungsansätze für das eigene Unternehmen. Dafür bedarf es eines an den Bedürfnissen des Krankenhauses orientierten, digitalen Zielbildes aller, auch der nicht-klinischen Bereiche. Daher sollten Krankenhäuser die Entwicklung einer Digitalisierungsstrategie unter Berücksichtigung der Förderanträge nachholen, um einen zukunftsweisenden Masterplan für die digitale Zukunft des Krankenhauses, auch nach KHZG, zu haben.

Der Weg zum digitalen Masterplan

Zentraler Ausgangspunkt ist die ganzheitliche und transparente Analyse des Status quo, um sowohl die einrichtungsspezifischen Stärken, Schwächen sowie Entwicklungspotenziale zu identifizieren als auch das korrespondierende Zielbild ableiten zu können. Im Bereich der Digitalisierung eignet sich hierfür insbesondere die Messung des digitalen Reifegrades in Form eines Reifegrad-Checks. Für Krankenhäuser bietet sich zum Beispiel die Kombination des DigitalRadars mit den Curacon-Reifegrad-Checks für die Gesundheitswirtschaft und die Verwaltung an, um einen ganzheitlichen Blick auf das Unternehmen zu erhalten.

Bereits während der Analysephase sollten Vertreter sämtlicher Bereiche – von der Medizin, Pflege, Verwaltung, IT bis hin zur Geschäftsführung – an dem Erhebungsprozess beteiligt werden. Dies ist insbesondere förderlich, da die Mitarbeiter bereits subjektive Meinungen zum Status der Digitalisierung haben – oftmals aber noch keine Aussprache dazu stattgefunden hat. Dadurch bleiben latente Unzufriedenheiten über den Status quo sowie wertvolle Ideen zu potenziellen Verbesserungen ebenfalls unartikuliert. Durch die partizipative Betrachtung wird also ein Rahmen geschaffen, diese zu teilen und messbar zu machen. Neben dem Gefühl der Dringlichkeit ist die frühzeitige Einbeziehung wichtig für die Akzeptanz der zu entwickelnden Digitalisierungsstrategie.

Auf dieser Grundlage lassen sich dann die Handlungsfelder identifizieren, in denen Digitalisierung den größten Mehrwert für Patienten und/oder Mitarbeiter generieren oder dazu beitragen kann, aktuellen Herausforderungen wie dem Fachkräftemangel erfolgreich zu begegnen. Grundlage hierfür ist die Unternehmensstrategie, die u. a. definiert, wie sich das Unternehmen im Wettbewerb positionieren, auf Marktveränderungen effektiv reagieren möchte und welche Geschäftsmodelle bzw. -felder von Relevanz sind. Konkret müssen Einrichtungen für sich definieren, welchen Beitrag die Digitalisierung zur Erreichung der Unternehmensstrategie leisten soll – ob durch die Verbesserung der Effizienz, die Steigerung der Kundenzufriedenheit oder die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle. Das sich aus diesem Prozess unmittelbar ergebende grobe Zielbild für die zukünftige digitale Ausrichtung gibt damit auch die grundsätzliche Marschrichtung einer Einrichtung vor. Diese sollte dann auch in einer digitalen Vision fixiert werden.

Auf Basis einer gemeinsamen Vision werden die operativen Prozesse aus den drei Perspektiven „Patienten“, „digitale Potenziale“ und „Einrichtung und Mitarbeiter“ analysiert und konkrete Entwicklungszielbilder definiert. Hierbei werden bestehende Prozesse kritisch hinterfragt mit dem Ziel, sie durch bessere oder neue (digitale) Prozesse abzulösen.

Schließlich sind Maßnahmen abzuleiten, zu priorisieren und in konkrete Umsetzungs-, Finanz- und Investitionspläne zu überführen, um die Digitalisierungsstrategie sowohl greifbar als auch umsetzbar zu machen. Einrichtungen stehen damit vor der Herausforderung, nicht nur den Nutzen der Digitalisierung zu bewerten, sondern auch die damit verbundenen Kosten sorgfältig zu prüfen. Diese sollten nicht nur die direkten Aufwendungen für Technologien und deren Einführung, sondern auch die langfristigen Betriebskosten umfassen. In diesem Zusammenhang sollten auch Möglichkeiten für eine Refinanzierung eingehend geprüft werden, sei es durch Fördermittel, Partnerschaften mit Technologieanbietern und Start-ups oder Kooperationen mit anderen Einrichtungen. Wird die digitale Verantwortung in der Organisation verankert, kann der digitale Transformationsprozess proaktiv gesteuert und überwacht werden. Dies sichert gleichermaßen die konsequente und zielgerichtete Umsetzung der vorab definierten Maßnahmen.

IT als Basis und Enabler der Digitalisierung

Die Digitalisierungsstrategie konzentriert sich damit auf das „Was" – die Ziele und Möglichkeiten der Digitalisierung innerhalb des Unternehmens, um u. a. Geschäftsprozesse durch digitale Technologien zu verbessern oder zu transformieren. Für die Gewährleistung der technologischen Umsetzbarkeit sowie Integration in ein stimmiges Gesamtkonzept ist jedoch die Verschmelzung mit der IT-Strategie vonnöten. Letztere befasst sich mit dem "Wie" – der technologischen Umsetzung dieser Ziele, einschließlich der Auswahl der Technologien, der Infrastruktur und der Ressourcen, die notwendig sind, um die Digitalisierungsziele zu erreichen. Beide Strategien sollten daher im Tandem entwickelt, aktualisiert sowie auf die Unternehmensstrategie abgestellt werden.

Neben der strategischen Ausrichtung verlangt die digitale Transformation ein neues Rollenverständnis der IT. Die IT muss fachlicher und prozessualer Ansprechpartner auf Augenhöhe sein, technische Voraussetzungen und Abhängigkeiten bewerten und im interdisziplinären „Spagat“ in relevante Anforderungs- und Entscheidungsprozesse involviert werden. Dies bedingt einen Paradigmenwechsel: weg vom traditionellen EDV-Leiter hin zu einem Business-Partner bzw. einer Business-Partnerin als gleichwertigem Ansprechpartner und strategischem Berater für das Krankenhausmanagement sowie Anwender.

Projektmanagement als neue Schlüsselkompetenz

Neben der richtigen Auswahl von Projekten stehen Krankenhäuser, auch mit dem KHZG, vor der Herausforderung, eine Vielzahl an komplexen Digitalisierungs- und IT-Projekten zu initiieren, organisieren und schließlich abteilungsübergreifend und fristgerecht umzusetzen. Ungeplant und ungesteuert führt dies dazu, dass Projekte ins Stocken geraten, bei begrenzten Ressourcen gegenseitig konkurrieren und letztlich nicht den gewünschten Nutzen in der ursprünglichen Zeitplanung liefern. In diesem Zusammenhang zeigt die Praxiserfahrung auch deutlich, dass das KHZG wie ein „Brennglas“ auf gewachsene organisationale und prozessuale Defizite wirkt. Es fehlen Projektmanager, geeignete Projektmanagementstrukturen und -standards. Krankenhäuser, die die Professionalisierung des Projektmanagements nicht kurzfristig nachziehen können, sollten sich daher professioneller, externer Unterstützung bedienen, um dem KHZG-Umsetzungsdruck standzuhalten. Doch auch perspektivisch werden Krankenhäuser einer hohen Veränderungsdynamik sowie insbesondere auch knappen Ressourcen ausgesetzt sein, sodass der Aufbau eines effizienten Projektmanagements im eigenen Unternehmen zur strategischen Schlüsselkompetenz werden kann.

Digitale Transformation – eine Frage der Unternehmenskultur

Die Umsetzung einer Digitalisierungsstrategie führt nicht nur zu einer technischen Digitalisierung, sondern zu einer digitalen Transformation. Denn Digitalisierungsvorhaben sind nicht per se und, wie oft üblich, ein reines IT-Projekt, sondern in erster Linie immer hochgradig komplexe Organisationsprojekte. Diese leiten tiefgreifende, in digitalen Technologien begründete Veränderungsprozesse ein, welche das Gesamtunternehmen sowie deren Ökosysteme gleichermaßen tangieren. Das heißt, der Faktor „Mensch“ mit seinen Verhaltens- und Denkweisen muss in den Mittelpunkt rücken. Das richtige Change Management entscheidet über die Bereitschaft der Unternehmenskultur für genau diese Veränderungsprozesse. Hierzu gehören nicht nur ein gut abgestimmtes Schulungskonzept, sondern auch Maßnahmen, die die Vorbereitung des Unternehmens auf neue Methoden und Techniken sichern. Für Unternehmensführungen besteht damit auch die Aufgabe, Menschen für die Vision und ihre Botschaft im Kontext der Digitalisierung entscheidend zu begeistern. Offenheit, Transparenz und aktive Kommunikation stellen zentrale Elemente für den strategischen Wendepunkt dar. In der Praxis sind Informationen oft zu komplex oder werden nicht intensiv kommuniziert. Denn grundsätzlich gilt: Wie gut eine Strategie auch ist: Ist die Unternehmenskultur darauf nicht ausgelegt, wird sie sich nicht umsetzen lassen.

Fazit und Ausblick

Die Praxiserfahrung zeigt deutlich, dass das KHZG wie ein „Brennglas“ auf gewachsene organisationale und prozessuale Defizite wirkt. Es ist letztlich Aufgabe der Unternehmensführungen, das Digitalisierungspotenzial mit den unternehmensstrategischen, organisationalen und kulturellen Anforderungen auszubalancieren, indem sie die richtigen Strategien schafft. Daher braucht es einen digitalen Masterplan, um sich nicht im Detail zu verlieren sowie die Dynamik und den nachhaltigen Erfolg der Transformationsbemühungen, auch nach der „KHZG-Ära“, zu sichern. Denn Fakt ist: Der Erfolg der digitalen Transformation wird langfristig über die Zukunft eines Krankenhauses mitentscheiden und ist damit vorrangig eine strategische Aufgabe der Unternehmensführungen, nicht nur die der IT.

Anschrift der Verfasser

Jörg Redmann, Partner Curacon GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und Geschäftsführer Sanovis GmbH/ Laura Goretzka, Beraterin Curacon GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft