Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziel, während andere uns helfen diese Website und ihre Erfahrung zu verbessern.

Thema des Monats

Compliance: Im Gespräch mit RA Prof. Dr. Hendrik Schneider


Foto: privat

Im Gespräch mit RA Prof. Dr. Hendrik Schneider, einem der führenden Experten zu den Rechtsfragen der Korruption im Gesundheitswesen

Welchen Stellenwert hat Compliance in den Kliniken?

Bei unserer Untersuchung vor zehn Jahren war Compliance in Krankenhäusern unterrepräsentiert. Nur knapp ein Drittel der befragten Häuser hatten schriftliche Compliance-Regelungswerke. Heute ist das anders. Compliance ist in den Krankenhäusern angekommen. Der Beschleuniger war sicher das Gesetz zur Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen vom 4. Juni 2016.

Wo sollte Compliance im Organigramm einer Klinik angesiedelt sein?

In der Regel wird die Compliance Funktion in der Rechtsabteilung verankert. Bei mehrköpfigen Vorständen wird zudem ein Vorstand für Compliance verantwortlich sein. Eigenständige Compliance-Abteilungen sind in der Krankenhauswelt nicht verbreitet. Wir haben mit dem 3-Lines-of-Defense-Modell die besten Erfahrungen gemacht, weil dieses verschiedene Funktionen in den Compliance-Prozess einbezieht.

In Ihrem jüngst erschienenen Buch geht es um Korruption im Krankenhaus. Sehen Sie hier großen Handlungs- bzw. Aufklärungsbedarf?

Es gibt viele gute Veröffentlichungen zu den Korruptionsdelikten und zur Korruptionsprävention, auch im Health-Care Bereich, aber kaum Spezialliteratur zu den vielfältigen Fragestellungen im Krankenhaus. Hier wollte ich den Leserinnen und Lesern ein Buch an die Hand geben, das Lösungen praxisnah darstellt, den erforderlichen Tiefgang hat und auf Hinweise zur weiterführenden Literatur nicht verzichtet.

Worin liegt Ihre Motivation, sich als Jurist und Autor mit Wirtschafts- und Medizinstrafrecht zu befassen?

Insbesondere das Medizinwirtschaftsstrafrecht, zu dem auch die Straftatbestände gegen Korruption im Gesundheitswesen gehören, ist eine neue Rechtsmaterie mit vielen ungeklärten Fragen. Außerdem ist es ein anspruchsvoller Bereich, bei dem unterschiedliche Rechtsmaterien zusammenwirken, zum Beispiel das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, Heilmittelwerberecht und ärztliches Berufsrecht. Das Thema ist auch rechtspolitisch interessant. Es gibt kaum einen Bereich, der stärker verrechtlicht ist, als der Krankenhausbereich. Die Auslegung gerade auch des Strafrechts kann entweder die unternehmerischen Handlungsspielräume der Geschäftsführung verkleinern oder vergrößern.

Mich hat es schon immer gestört, dass das Wirtschaftsstrafrecht in manchen Bereichen eine regelrechte Wachstumsbremse darstellt, weil aufgrund unscharfer Regelungen Innovationen aufwendig durch die Compliance- und Rechtsabteilung geprüft werden müssen. Es ist kontraproduktiv für die Gesundheitswirtschaft und auch die Akzeptanz des Strafrechts, dass Sie ein Buch mit einer halben Million Zeichen lesen müssen, nur um in einem kleinen Teilbereich des Rechts zu wissen, was erlaubt und was verboten ist. Deshalb geht es mir um die Rückbesinnung auf ein berechenbares und enger formuliertes Wirtschaftsstrafrecht, dessen Grenzen am besten schon durch die Lektüre des Gesetzestextes erschlossen werden können.

Wie kam es zu dieser Entwicklung zu einem „unberechenbaren“ Wirtschaftsstrafrecht?

Unterschiedliche Akteure verfolgen unterschiedliche Interessen, die sie mithilfe des Strafrechts durchsetzen wollen. Dies führt zu heterogenen Rechtsanschauungen, die sich schon im Gesetzgebungsverfahren zum „Gesetz zur Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen“ niedergeschlagen haben. Die Kassen haben zum Beispiel ein Interesse an einem „scharfen“ Strafrecht, das möglichst alle Bereiche erfasst, in denen Kostensteigerungen eintreten können. Deshalb werden zum Beispiel Studien mit zugelassenen Arzneimitteln oder Medizinprodukten, die auch Marketingeffekte für die Produkte erzeugen können, kritisch gesehen. Und wenn Sie die Anzahl bestimmter Eingriffe, zum Beispiel im Bereich der Endoprothetik verringern wollen, dann sprechen sie sich gegen die Kooperation der Sektoren aus und labeln alles als „Zuweisung gegen Entgelt“.

Gibt es einen „Goldstandard“ für die Korruptionsprävention im Krankenhaus?

Bei „Goldstandard“ besteht für mich die Schwierigkeit, dass man sich auf diesem Kissen ausruht und die Weiterentwicklung des Compliance-Management-Systems vernachlässigt. Wir sprechen eher von maßgeschneiderten Compliance Lösungen. Außerdem ist es in der Praxis so, dass man mit den Verhältnissen wirtschaften muss, die man vorfindet. Die Herausforderung besteht dann darin, aus dem Vorhandenen die bestmögliche Struktur zu schaffen. Da hilft es nichts, wenn man sagt: „Du musst jetzt erstmal drei Compliance-Officer einstellen, weil das der Goldstandard ist.“

Welche Implikationen hat die Corona-Pandemie für die Compliance in Krankenhäusern?

Corona hat den Fokus verändert. Angesichts der Belastungen und auch der Maßnahmen zum Infektionsschutz bestand keine Möglichkeit für Inhouse-Schulungen und viele Projekte lagen auf Eis. Andererseits ergaben sich zum Beispiel über die Triage Problematik oder im Zusammenhang mit der Verschiebung elektiver Eingriffe neue Compliance-Fragestellungen.

Im Rahmen der Debatte um eine Krankenhausstrukturreform wird von allen Handelnden der Gesundheitspolitik mehr Kooperation und Zusammenarbeit auch trägerübergreifend gefordert. Was gibt es hier aus Compliance-Sicht zu bedenken?

Wir sind im Thema „Zuführung von Patienten“. In der Regel ergeben sich keine Risiken, wenn diese Zusammenarbeit „entgeltfrei“ stattfindet. Kooperationsverträge bedürfen dennoch eines Compliance-Checks, weil manche Zuwendungen, beispielsweise Personalstellung, auf den ersten Blick nicht erkennbar sind.

Gibt es Unterschiede je nach Trägerschaft in Bezug auf Compliance Anforderungen?

Auf dem Papier bestehen Unterschiede, weil zum Beispiel für die Beschäftigten in Einrichtungen der Öffentlichen Hand die Amtsdelikte der §§ 331 fff. StGB greifen. In der Praxis empfehle ich dennoch nicht, die Zügel bei den Kliniken im Eigentum privater Betreibergesellschaften lockerer zu lassen.

Das Thema Umwelt- und Klimaschutz spielt in der öffentlichen Debatte eine große Rolle. Auch für Kliniken als Institutionen mit großem Energie- und Ressourcenverbrauch ist dies ein Thema. Welche Bedeutung hat es für die Compliance?

Der Compliance-Begriff ist einem Wandel ausgesetzt. Die angesprochenen Punkte werden immer wichtiger. Das sieht man beispielsweise daran, dass auch Gesetzliche Krankenversicherungen einen Supplier Kodex haben und bei Ausschreiben auf derartige Themen achten.