Hat sich die Generalistik in der Pflegeausbildung bewährt?
Aus Sicht der Krankenhäuser hat sich die Generalistik grundsätzlich bewährt. Sie ermöglicht im Sinne einer horizontalen Mobiliät zukünftig den Einsatz in verschiedenen Versorgungsbereichen, was insbesondere vor einem wachsenden pflegerischen Kompetenzrahmen wichtig sein wird. Auch vor dem Hintergrund der EU-rechtlichen Vorgaben gibt es keine sinnvolle Alternative zur Generalistik.
Aktuell sind die Ausbildungszahlen in der generalistischen Pflegeausbildung weiter rückläufig. Warum?
Wir beobachten mit Sorge die aktuelle Entwicklung der Ausbildungszahlen. So werden vermehrt hohe Abbrecherquoten gemeldet. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Die Anforderungen an die generalistische Ausbildung und die Ausbildungsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler sind hoch. Für die die Krankenhäuser und Pflegeschulen sind das auch Herausforderungen, denn die Auszubildenden müssen intensiver begleitet werden, etwa durch ausreichend Praxisbegleiter. Wir müssen aber vor allem dafür sorgen, dass der Pflegeberuf insgesamt attraktiver wird. Mit dem Pflegestudiumstärkungsgesetz wurde ein wichtiger Schritt gemacht, da wir zukünftig verstärkt akademisch ausgebildetes Pflegepersonal benötigen. Auf der anderen Seite benötigen wir endlich eine bundeseinheitliche generalistische Pflegeassistenzausbildung, die jungen und weiteren interessierten Menschen die Möglichkeit gibt, einen zusätzlichen attraktiven Einstiegspunkt in die Pflege zu wählen.
Sollte die Pflege mehr Kompetenzen bekommen? Pflegeverbände fordern die Leitung von Level Ii Kliniken durch Führungskräfte aus der Pflege zu ermöglichen.
Wir waren schon seit Jahren für eine Kompetenzerweiterung von Pflegepersonal. Jetzt laufen wir aber Gefahr, dass die Debatte sich alleine auf die Möglichkeit der Leitung von Level Ii-Kliniken fokussiert. Und das greift viel zu kurz. Wir benötigen eine flächendeckende Aufwertung des Pflegeberufs. Das geplante Pflegekompetenzgesetz kann hier wirklich ein Meilenstein sein, da die Heilkundeausübung durch qualifiziertes Pflegepersonal erstmals berufsrechtlich fundiert umgesetzt werden kann. In einem ersten Schritt wird dies schon jetzt in den Bereichen Diabetesversorgung, chronische Wundversorgung und Demenz möglich sein. Perspektivisch müssen insbesondere auch die bereits ausgebildeten Pflegefachkräfte die Möglichkeit haben, sich entsprechend weiter zu qualifizieren, um heilkundliche Tätigkeiten ausführen zu können. Zudem bedarf es einer Schärfung der Handlungsfelder und Kompetenzen für akademisierte Pflegekräfte auch in der direkten Patientenversorgung, abseits der Managementebene.
Ist eine Verbesserung im Hinblick auf bürokratische Lasten in Sicht?
Wir begleiten das Thema steigender bürokratischen Anforderungen in Richtung des Krankenhauspersonals kritisch, da wir aus vielen Befragungen wissen, dass hier ein großes Frustrationspotenzial liegt für die Fachkräfte im Krankenhaus. Und die politischen Aussagen zur Entbürokratisierung sind bisher immer leere Versprechungen geblieben. Es war eigentlich immer eher das Gegenteil der Fall.
Die Zustimmung des Bundesrats vorausgesetzt, wird 2024 aller Voraussicht nach endlich die PPR 2.0/Kinder PPR 2.0 in die Krankenhäuser kommen. Das ist ein großer Erfolg für eine tatsächliche Verbesserung der Pflegepersonalsituation in den Krankenhäusern, auf die die DKG gemeinsam mit den Partnern ver.di und DPR bereits seit Jahren hingewirkt hat. Damit einher geht aber auch, dass die Pflegepersonaluntergrenzen schnellstmöglich abgeschafft werden müssen. Nur so kann ein doppelter Dokumentationszwang und somit eine doppelte bürokratische Belastung für den gleichen Zielparameter vermieden werden. Wir laufen sonst Gefahr, dass aus einer möglichen Verbesserung eine kontraproduktive bürokratische Verschlechterung wird. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, dass sich die bürokratischen Aufwände der PPR 2.0/Kinder PPR 2.0 für die dokumentierenden Mitarbeiter durch geeignete Softwarelösungen deutlich vereinfachen lassen. Deren Anschaffung und Betrieb sind mit Kosten verbunden, die refinanziert werden müssen, um eine schnelle und flächendeckende Einführung zu gewährleisten.
Insgesamt muss, um die Attraktivität der Gesundheitsberufe zu schützen und zu erhöhen, der zeitliche Rahmen, in dem sich die Fachkräfte im Krankenhaus mit patientenferner Administration auseinandersetzen müssen, radikal neu gedacht und reduziert werden. Sonst verpufft auch das positive Potenzial, dass die Digitalisierung für medizinische Prozesse birgt, zusehends. Wir brauchen das Fachpersonal am Bett und in der Versorgung, nicht am Dokumentationsschreibtisch.
Was fordern Sie von der Politik im Kampf gegen den Fachkräftemangel?
Wir fordern ein ganzes Bündel an Maßnahmen. Die Politik, sowohl auf Bundes- als auch auf Länderebene, hat eine entscheidende Rolle bei der Unterstützung und Verbesserung unseres Gesundheitssystems. Eine der Schlüsselmaßnahmen ist das Vereinfachen und Beschleunigen des Anerkennungsverfahrens für ausländische Pflegekräfte und andere Gesundheitsfachkräfte. Dies ist besonders wichtig, da wir aufgrund des Fachkräftemangels dringend qualifiziertes Personal benötigen. Es geht dabei nicht nur um die Anerkennung der Qualifikationen, sondern auch um die Integration dieser Fachkräfte in unser System, damit sie ihre Fähigkeiten optimal einbringen können.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Schaffung eines übergreifenden Qualifikationsrahmens in der Pflegeausbildung. Hier sollten wir von einer einheitlichen Pflegeassistenzausbildung bis hin zu Masterabsolventen denken. Es geht darum, klare und transparente Aufgaben- und Tätigkeitsprofile zu erstellen, die sowohl den Pflegekräften als auch den Patienten zugutekommen. Durch diese Standardisierung können wir die Qualität der Pflege erhöhen und gleichzeitig den Pflegekräften eine klar definierte Karriereperspektive bieten.
Schließlich ist die Sicherstellung der Refinanzierung der Personalkosten ein weiterer zentraler Aspekt. Die angemessene Finanzierung ist entscheidend, um hochwertige Pflege zu gewährleisten und den Beruf für neue Talente attraktiv zu machen. Ohne die entsprechende finanzielle Unterstützung riskieren wir, dass unsere Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser unter einem Mangel an qualifizierten Fachkräften leiden, was letztendlich zu Lasten der Patientenversorgung geht. Insgesamt muss die Politik hier proaktiv agieren und durchdachte, nachhaltige Lösungen anbieten, um unser Gesundheitssystem zukunftsfähig zu machen. Und die Entbürokratisierung darf eben auch nicht vergessen werden.
Was können Kliniken tun?
Viele Krankenhäuser haben bereits wichtige Schritte unternommen, um die Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte zu verbessern, wie wir auf der stakeholderübergreifenden Plattform www.pflege-krankenhaus.de regelmäßig hervorheben. Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie, darunter Betriebskitas, flexible Arbeitszeitmodelle und Unterstützung bei der Pflege von Angehörigen sind von hoher Bedeutung und werden zunehmend umgesetzt. Diese Initiativen sind entscheidend für lebensphasenorientiertes Arbeiten und tragen wesentlich dazu bei, Beruf und Privatleben in Einklang zu bringen.
Zudem ist die Einführung einer modernen Führungskultur in vielen Einrichtungen erkennbar. Sie umfasst eine offene Kommunikation, Mitarbeiterbeteiligung und die Förderung von Teamgeist. Diese Kultur fördert nicht nur die Mitarbeiterzufriedenheit, sondern steigert auch die Qualität der Pflege.
Es ist ebenfalls wichtig, eine realistische Aufklärung über die Art des Pflegeberufs zu bieten. Dies beinhaltet eine offene Kommunikation über spezifische Belastungen wie Schichtdienste, aber auch über die Alleinstellungsmerkmale des Berufs. Die Pflege ist extrem sinnstiftend und bietet die Möglichkeit, in einem fortschrittsorientierten Umfeld fachlich anspruchsvoll zu arbeiten.
Krankenhäuser können und müssen ihren Teil zu einem attraktiven Arbeitsumfeld beitragen. Und da können und wollen wir immer besser werden.
Interview: Katrin Rüter