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Politik

„Kriegstüchtige“ Krankenhäuser?


Sanitaetsdienst der Bundeswehr

Karl Lauterbach will die Krankenhäuser in Deutschland „kriegstüchtig“ machen. Der Bundesgesundheitsminister sieht das Gesundheitssystem in Deutschland nicht ausreichend vorbereitet auf einen militärischen Bündnisfall. „Wir müssen uns auch für große Katastrophen und eventuelle militärische Konflikte besser aufstellen“, sagte Lauterbach in einem Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung vom 2. März 2024.

„Wir brauchen klare Zuständigkeiten – etwa für die Verteilung einer hohen Zahl an Verletzten auf die Kliniken in Deutschland“, so der Minister weiter. Auch die Meldewege müssten klar sein, auch die Möglichkeiten von Patientenverlegungen im gesamten Bundesgebiet. Die Vorschriften zur Bevorratung reichten nicht aus, für den Krisenfall müsse der Einsatz und die Verteilung von medizinischem Personal geklärt sein. „Es braucht auch eine Zeitenwende für das Gesundheitswesen. Zumal Deutschland im Bündnisfall zur Drehscheibe bei der Versorgung von Verletzten und Verwundeten auch aus anderen Ländern werden könnte“, argumentierte Lauterbach. Das Gesundheitsministerium habe sich bereits mit Spezialisten der Bundeswehr ausgetauscht und arbeite mit dem Verteidigungs- und dem Innenministerium zusammen. Bereits im Sommer will Lauterbach einen Gesetzentwurf dazu vorlegen, der dann zeitnah vom Kabinett auf den Weg gebracht werde, kündigte er gegenüber der NOZ an.

Vor 25 Jahren: gemeinsame Erklärung des Bundesverteidigungsministeriums und der DKG zur zivil-militärischen Zusammenarbeit.

Das Problembewusstsein in Bezug auf militärische Konflikte und die Auswirkungen auf die Kliniken gab es bereits vor 25 Jahren - unter dem Eindruck des Kosovo-Krieges. Am 24. März 1999 begannen Nato-Streitkräfte, die Bundesrepublik Jugoslawien zu bombardieren: der erste Nato-Kampfeinsatz und der erste Kampfeinsatz deutscher Soldaten nach 1945.

Nur einen Monat später, am 22. April 1999, wurde eine gemeinsame Erklärung des Bundesverteidigungsministeriums und der DKG zur zivil-militärischen Zusammenarbeit unterzeichnet.  Kernpunkt der Vereinbarung war die kontinuierliche und verstärkte Zusammenarbeit in Fragen der Aus- und Fortbildung, der sowie der gemeinsamen Nutzung von Material und Geräten. Zu der Vereinbarung gehörte ein Mustervertrag zur Kooperation von Bundeswehrkliniken des Sanitätsdienstes der Bundeswehr mit zivilen Partnerkrankenhäusern. Ziel der Vereinbarung im Kern war die optimale Nutzung knapper Ressourcen - nicht nur im Falle eines militärischen Konfliktes. 

In Abschnitt 3 der Vereinbarung geht aber es um die Landes- und Bündnisverteidigung. Die angestrebte Zusammenarbeit des Sanitätsdienstes der Bundeswehr mit zivilen Partnerkrankenhäusern bilde die Grundlage für eine Kooperation im Falle der Landes- und Bündnisverteidigung, heißt es dort.   Beide Vertragspartner stimmten darin überein, dass es in diesem Fall weder volkswirtschaftlich sinnvoll noch im individuellen Interesse der der Patienten ist, ein ziviles und ein militärisches Gesundheitssystem isoliert voneinander zu betreiben. Vielmehr kommt es darauf an, das insgesamt vorhandene klinische Potenzial optimal für die Behandlung aller Behandlungsbedürftigen – Soldaten wie Zivilisten – effektiv und zu beiderseitigem Vorteil zu nutzen.

Der Vertrag sieht auch die Regelung im Detail zur Einsatzplanung in Ernstfall vor und regelt auch Übungen und Vorbereitungen des Einsatzes.

Auch die Zuständigkeiten sind klar geregelt: „Die Aufnahme und Behandlung von zivilen und militärischen Patienten erfolgt durch das zivile Krankenhaus“, heißt es dort. Und weiter: „Militärisches Personal, das in dem Zivilkrankenhaus Dienst verrichtet, unterliegt den fachlichen und allgemeinen Weisungen des zivilen Krankenhauses.“ Ziviles Personal, das in der Reservelazaretten, die im Falle einer Mobilmachung von der Bundewehr eingerichtet werden, eingesetzt wird, unterliegt den fachlichen und allgemeinen Weisungen dieser Einrichtung.

Klinikzentrum Westerstede: Ein Beispiel für Synergie im Gesundheitswesen

Als Klinikzentrum Westerstede arbeiten Bundeswehrkrankenhaus und Ammerland-Klinik GmbH bereits seit 2008 zusammen. Mit ihren Unterschriften ebneten Bundesminister der Verteidigung Boris Pistorius und Landrätin Karin Harms Anfang März 2024 den Weg für die weitere Kooperation. Das erste neue Großprojekt wird der Ausbau beider Kliniken zu einem Gesundheitszentrum sein. Mit der durch Bundesminister der Verteidigung Boris Pistorius und Landrätin Karin Harms unterzeichneten Verlängerung der Kooperation wird die gute Zusammenarbeit noch weiter ausgebaut.

„Es ist eine Win-Win-Win-Situation; nämlich für die Bundeswehr, für das zivile Krankenhaus, aber vor allem für die Bevölkerung“, sagte Boris Pistorius anlässlich der Unterzeichnung. Die medizinische Versorgung sei zudem wesentlich für die Durchhaltefähigkeit der Streitkräfte, vor allen Dingen aber auch für die Moral der Soldatinnen und Soldaten, betonte Pistorius. Oberstarzt Dr. Christian Zechel, Kommandeur und Ärztlicher Direktor, ergänzte: „Die Fortsetzung der Zusammenarbeit ermöglicht darüber hinaus auch weitreichende infrastrukturelle Maßnahmen.“ So soll das Klinikzentrum umfassend erweitert und erneuert werden. Geplant seien unter anderem ein Neubau für die Interdisziplinäre Notaufnahme sowie für 13 neue OP-Säle.

Pistorius und Harms sind sich einig: Vor dem Hintergrund aktueller gesundheitspolitischer Überlegungen sei die Kooperation des Bundeswehrkrankenhauses mit der Ammerland-Klinik bereits heute ein herausragendes Beispiel für die Nutzung von Synergien im Gesundheitswesen. Die Übergänge sind beinahe nahtlos. Insbesondere die zivilen Patientinnen und Patienten merken in der Regel nicht, ob sie von Personal der Ammerland-Klinik oder des Bundeswehrkrankenhauses versorgt werden.

Insgesamt arbeiten im Klinikzentrum Westerstede 2.100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. In den gemeinsam geführten Bereichen, wie dem Interdisziplinären Notfallzentrum, der Anästhesie und der Operativen Intensivmedizin behandelt das medizinische Fachpersonal die Patientinnen und Patienten Hand in Hand. Über das Jahr hinweg versorge das Klinikzentrum so über 26 091 stationäre und 144 363 ambulante Patienten. Katrin Rüter