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Politik

Im Interesse der Krankenhäuser, zum Wohle der Patienten


Foto: shutterstock

Im Jahr 1949 werden nach Jahren der Naziherrschaft, des Krieges und der Zerstörung die Weichen für die Zukunft Deutschlands gestellt. Am 23. Mai 1949 wird in Bonn das Grundgesetz unterzeichnet und damit die Bundesrepublik Deutschland gegründet. Eine Woche später billigte der Deutsche Volkskongress die Verfassung der DDR. Am 14. August finden die Wahlen zum ersten Deutschen Bundestag statt.

Bereits am 20. April 1949 wird in Frankfurt am Main die Deutsche Krankenhausgesellschaft gegründet – mehr als einen Monat vor der Unterzeichnung des Grundgesetzes. Am Tag zuvor, am 19. April, hielt die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) eine Kundgebung in der Paulskirche in Frankfurt eine Kundgebung ab unter dem Motto „Gebt der Welt den Frieden!“. Hauptredner war der Theologe und Widerstandskämpfer Marin Niemöller.

Bei Kriegsende waren rund 80 % der deutschen Krankenhäuser in den drei westlichen Besatzungszonen zerstört worden. 1949 war noch kein Wirtschaftswunder in Sicht: Es galt, Kriegsfolgen zu beseitigen und zerstörte und beschädigte Kapazitäten wiederaufzubauen. Krankenhausversorgung war ein knappes Gut. Der Bedarf an Krankenhausbetten galt für Jahre als kaum abdeckbar. Der Gedanke einer möglichen Überversorgung schien abwegig, regionale Abstimmung und Koordinierung der Kapazitäten fand nicht statt. 1950 zählte man 3 395 Krankenhäuser mit insgesamt 538 569 Betten. Weniger als 20 000 Ärzte arbeiteten damals in den Kliniken. Die durchschnittliche Verweildauer der Patienten betrug 33 Tage. Im Jahr 2022 wurden deutschlandweit rund 480 382 Krankenhausbetten in 1 893 Krankenhäusern gezählt. Ein stationärer Krankenhausaufenthalt dauerte 2022 durchschnittlich 7,2 Tage.

Vor 75 Jahren gab es eine Vielzahl kleiner Krankenhäuser, 57,5 % der Kliniken hatten weniger als 100 Betten. Die durchschnittliche Lebenserwartung der Männer in Deutschland lag bei 65 Jahren, die der Frauen bei 69 Jahren.

Ein Bundesgesundheitsministerium gab es in der ersten Bundesregierung, im Kabinett Konrad Adenauers, nicht. Andere Prioritäten spiegelten sich in den Ressorts: Neben dem Wirtschafts- und den Finanzministerium, dem Innen- und dem Justizministerium, den Ministerien für Arbeit, Wohnungsbau und Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, gab es ein Bundesministerium für Angelegenheiten des Marshallplans und eines für Angelegenheiten der Vertriebenen. Erst 1961 wurde das Bundesministerium für Gesundheit als eigenständiges Ministerium eingerichtet. Erste Gesundheitsministerin war Elisabeth Schwarzhaupt (CDU), die das Ministerium bis 1966 führte. Die 1901 geborene Juristin war damit die erste Frau in einem Kabinett der Bundesrepublik Deutschland.  In der DDR gab es ab 1949 einen Minister für Arbeit und Gesundheitswesen. Luitpold Steidle, Mitglied der CDU, leitete bis Ende 1958 das Ressort.

Wenn es eine Konstante in der Geschichte der Krankenhäuser und der DKG in den vergangenen 75 Jahren bis heute gibt, dann ist es der permanente Strukturwandel. Die Vertretung der Interessen der deutschen Krankenhäuser durch die DKG gewann mit zunehmender Komplexität der Gesundheitspolitik, der Krankenhausfinanzierung und Regulierungen im Rahmen der Selbstverwaltung an Bedeutung.

Die seit den 50er Jahren bestehenden Versuche einzelner Bundesländer, Krankenhausgesetze mit entsprechenden Regelungen zu erlassen, scheiterten zwar zunächst. Erste Ansätze einer staatlichen Bedarfsplanung ergaben sich allerdings dadurch, dass die Länder ihren (freiwilligen) Finanzhilfen an die Krankenhausträger für die Errichtung und Modernisierung der Häuser von der Prüfung des Bedarfs abhängig machten. Erst mit dem Krankenhausfinanzierungsgesetz von 1972 wurde die Finanzierung und Vorhaltung von Krankenhäusern als öffentliche Aufgabe definiert. Zwar hatten die Kliniken nun einen Rechtsanspruch auf Förderung der Investitionen. Nur waren diese von Anfang an meist unzureichend. Auf der anderen Seite gab es nun eine Krankenhausbedarfsplanung als zentrales Steuerungselement der Kapazitäten. Der unternehmerischen Freiheit der Träger waren damit enge Grenzen gesetzt.

Spätestens seit Mitte der 50er Jahre wurde die als notwendig angesehene Mindestgröße eines Allgemeinkrankenhauses gleichsam als wirtschaftliches und medizinisches Existenzminimum sukzessive erhöht: Hielt man Ende der 50er Jahre 100 Betten für einen wirtschaftlichen Betrieb noch für ausreichend, so lag diese Mindestgröße Mitte der 60er Jahre bereits bei 120 bis 150 Betten, zur Jahrtausendwende lag diese Zahl bei rund 200 Betten. Im Laufe der Jahrzehnte hat sich die Struktur der Krankenhäuser stark verändert – hin zu größeren und leistungsfähigeren Einheiten. Nicht nur vor dem Hintergrund der geplanten Krankenhausreform scheint eine Konzentration auf Maximalversorger mit mehr als 600 Betten angestrebt – wenn auch kleinere Häuser, gerade in ländlichen Gebieten, weiter als versorgungsnotwendig und bezuschussungsbedürftig gelten dürfen. Wirtschaftlichkeit und medizinische Versorgung in hoher Qualität scheint aber bei diesen Häusern per se in Frage gestellt zu werden.

Im Zuge des medizinischen Fortschritts differenzierten sich die medizinischen Fachgebiete, mit den Möglichkeiten der besseren Versorgung und immer größeren Heilungschancen auch bei komplexeren Leiden stieg der Bedarf an Krankenhausversorgung. Leistungsumfang und Leistungsintensität haben sich ständig erhöht. Die zunehmende Differenzierung und Spezialisierung erforderte aber nicht nur die stärkere Abstimmung und Koordination des Krankenhausangebotes, sondern auch die sinnvolle Integration des Krankenhauses in ein gestuftes Gesamtsystem der medizinischen Versorgung.

Die historische gewachsene Trennung der ambulanten und der stationären Versorgung wurde spätestens seit den 70er Jahren hinterfragt. Bestrebungen einer besseren Verzahnung von ambulantem und stationärem Sektor datieren bereits in das Jahr 1963 zurück, als die DKG gemeinsam mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen den Vorschlag einer „nicht-stationären Vor- und Nachbehandlung“ im Krankenhaus einbrachten. Erst 30 Jahre später – 1993 – wurde den Krankenhäusern die Möglichkeit gegeben, vor- und nachstationäre Behandlungen und ambulante Operationen zu erbringen. Die unzureichende Verzahnung der Sektoren ist bis heute ein Strukturproblem geblieben.

Nicht erst seit der Einführung des DRG-Systems in Deutschland 2003 verzeichnen die Kliniken und ihre Mitarbeiter eine stete Zunahme des bürokratischen Aufwands. Seitdem werden die laufenden Betriebskosten der Allgemeinkrankenhäuser durch Fallpauschalen vergütet. Beklagt werden gewisse Fehlanreize, die dazu führen sollen, dass gut vergütete Behandlungen weniger aus medizinischen denn aus ökonomischen Gründen gehäuft vorgenommen werden – oder, schlimmer noch, von Kliniken bzw. Ärzten, die für diese Behandlung nicht die nötigen Anforderungen erfüllen. Qualitätssicherungsrichtlinien, Personalmindestanforderungen und nun Vorhaltepauschalen sollen dies verhindern – und lassen den täglichen Dokumentationsaufwand des Personals kontinuierlich steigen. Bürokratieabbau in den Kliniken und dadurch mehr Zeit am Patienten ist eine immer wiederkehrende Forderung der Kliniken und der DKG, und ein immer wiederkehrendes Versprechen der Krankenhauspolitik.

Eine unveränderliche Tradition über die Jahrzehnte scheint ein gewisser Hang zum „Bashing“ der Kliniken in der Politik zu sein. So schrieb etwa Prof. Dr. H.-W. Müller aus Anlass des 25. Jubiläums der DKG in der April-Ausgabe 1974 von „das Krankenhaus“: „Wir erleben, wie ohne jeglichen intellektuellen Aufwand an den 3519 Krankenhäusern mit ihren 701 263 Planbetten, ihren 611 700 Beschäftigten, die in jährlich 114 Millionen Pflegetagen mehr als 10 Millionen stationäre Patienten ärztlich und pflegerisch versorgen, herumgemäkelt wird. Die makabre Formel von `kranken Krankenhaus´ ist zum Signal einer nahezu permanenten Diskreditierung unseres hochentwickelten und von internationalen Krankenhausfachleuten wiederholt anerkannten Krankenhauswesens geworden.“

Dr. Katharina Focke, Bundesministerin für Gesundheit, schrieb dagegen in der gleichen Ausgabe, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und die darin zusammengeschlossenen Träger hätten „durch ihre Initiative und ihren Mut zu neuen Wegen wesentlich dazu beigetragen, dass die Krankenhausversorgung in der Bundesrepublik nach den Zerstörungen des 2. Weltkrieges heute einen international anerkannten Standard erreicht hat.“

Zum 50. Jahrestag der DKG 1999 lobte in einem Grußwort zur Festschrift die damalige Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer die DKG für ihre fundierten Beiträge zur Weiterentwicklung des Gesundheitswesens im Rahmen eines „konstruktiven Dialogs mit der Politik und den Kostenträgern“. Durch ihre Dialogbereitschaft und die Fähigkeit, Standfestigkeit nach innen wie nach außen zu beweisen, hätte die DKG Profil und Einfluss gewonnen und sei ein wichtiger Partner für die Bundesregierung.

An Bereitschaft zu Dialog mit der Politik mangelt es der DKG und ihren Experten auch heute nicht. Standfestigkeit mag man den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen und den Mitgliedern des Präsidiums und der Mitgliedsverbände von Herzen wünschen – ist doch die Dialogbereitschaft in Bezug auf das Bundesgesundheitsministerium heute eher ein einseitiges Geschäft. 

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Als sich die Deutsche Krankenhausgesellschaft am 20. April 1949 gründete, knüpften die Vertreter der Spitzen- und der Landesverbände an die bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges in Berlin bestehende „alte“ Deutsche Krankenhausgesellschaft an, ohne sie wiederbeleben zu wollen. Diese war aus dem seit 1926 bestehenden „Krankenhausauschuß“ – vorher „Gutachterauschuß“ – hervorgegangen und als „Deutsche Krankenhausgesellschaft“ am 29. Juni 1937 gegründet worden. Sie wurde formalrechtlich als nicht mehr bestehend angesehen. Als Arbeitsgemeinschaft des gleichgeschalteten „Deutschen Gemeindetages“, der einzigen damaligen Spitzenorganisation der Kommunen, der „Reichsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege“ und des „Reichsverbandes der privaten Krankenanstalten“ gab es sie nicht mehr, da diese mit der NS-Politik verflochtenen Verbände aufgelöst worden waren. Allerdings hatte sich am 14. November 1946 in Berlin die „Deutsche Krankenhausgesellschaft“ nach erteilter Genehmigung durch die britische Militärbehörde wieder etabliert, doch wurde sie am 1. März 1955 „Landesverband“ unter dem Namen „Berliner Krankenhausgesellschaft“, die am 1. April 1955 Mitglied der Deutschen Krankenhausgesellschaft wurde.

Erster Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft war Peter van Aubel, der das Amt bis 1955 innehatte. Auch in der Zeit Nationalsozialismus war van Aubel bereits als Verbandsfunktionär aktiv: Der Volkswirt war von 1931 an Vorstandsvorsitzender des Vorstandes der vom Deutschen Städtetag und den kommunalen Wirtschaftsverbänden gegründeten Wirtschaftsberatung deutscher Städte AG. Er trat dem Nationalsozialistischen Rechtswahrerbund (NSRB) bei, der Berufsorganisation der Juristen, hervorgegangen aus dem Bund Nationalsozialistischer Deutscher Juristen (BNSDJ). Ebenso gehörte der Verbandsfunktionär der Deutschen Arbeitsfront (DAF), dem Einheitsverband der Arbeitnehmer und Arbeitgeber in der Zeit des Nationalsozialismus, der 1934 der NSDAP angeschlossen wurde, und der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV) an. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs übernahm er auf Bitten Konrad Adenauers die Geschäftsführung des wiedergegründeten Deutschen Städtetages. Er blieb dort bis 1951 im Amt.

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