Die von Bundesgesundheitsminister Lauterbach geplante Krankenhausreform war zentrales Thema auf dem diesjährigen Hauptstadtkongress in Berlin.
Aufgrund aktueller Zahlen und Zukunftsprojektionen besteht – auch im internationalen Vergleich - eine deutlich zu hohe Anzahl stationärer Betten in Deutschland. Unter den gegebenen Bedingungen ist von einer kritischen Größe von ca. 500 bis 800 Betten für ein Krankenhaus auszugehen, um dieses wirtschaftlich führen zu können. Abgesehen von reinen Fachkliniken sind somit viele kleinere Häuser in Zukunft nicht mehr überlebensfähig. Prognostisch wird es daher kurz- bis mittelfristig zu einer Art „Marktbereinigung“ kommen, bei der kleinere Kliniken gerade in ländlichen Regionen werden schließen müssen. Darunter auch viele kommunale Häuser. Die Leistungsfähigkeit des ambulanten Sektors ist dabei nicht voll ausgeschöpft, zumal die strenge Trennung von ambulanter und stationärer Versorgung, wie sie in Deutschland noch immer vorherrscht, die weitere „Ambulantisierung“ sowie die Verzahnung von ambulantem und stationärem Sektor blockiert.
In den Kreisen und Gemeinden bzw. Ämtern vor Ort besteht der verständliche Wunsch nach einer wohnortnahen medizinischen Versorgung. Lokale Krankenhäuser – und seien sie auch noch so klein – werden noch immer als ein entscheidender Standortfaktor betrachtet, der die Attraktivität einer Region beträchtlich steigern kann. Dies gilt in Schleswig-Holstein beispielsweise für die Ansiedlung von Unternehmen, die die medizinische Versorgung ihrer Mitarbeitenden gesichert sehen wollen, aber auch für den Tourismus. Junge Familien mit Kindern – so die Erfahrung – erwarten eine gute und umfassende medizinische Infrastruktur vor Ort.
Die Krankenhausplanung wird aktuell von den Ländern gestaltet. In Schleswig-Holstein beispielsweise werden die Bettenzahlen in den einzelnen Fachbereichen vom Landeskrankenhausausschuss festgelegt, der zweimal jährlich turnusmäßig tagt. Für die psychiatrische Versorgung gelten noch einmal besondere Regelungen (u.a. das Regionalbudget). Die Kreise und kreisfreien Städte sind grundsätzlich in der Verantwortung, die medizinische Versorgung in ihrem Bereich sicherzustellen.
Hierbei sind politische, regionale/lokale und ökonomische Interessen von großer Bedeutung. Eine Krankenhausplanung, die solche Interessen nicht berücksichtigt, kann kaum die erforderliche Akzeptanz in der Öffentlichkeit und bei den Bürgerinnen und Bürgern finden. Auf der anderen Seite können natürlich nicht alle Interessen und Wunschvorstellungen vor Ort erfüllt werden, die medizinische Versorgung muss bedarfsgerecht sein.
Ein kleiner Exkurs zur Situation im Kreis Rendsburg-Eckernförde
Der Kreis hatte eine Klinik in kommunaler Trägerschaft (imland gGmbH) mit zwei Standorten in Rendsburg und Eckernförde. Der Standort in Rendsburg hat eine kritische Größe von über 500 Betten, der kleinere Standort in Eckernförde hatte nur ca. 200 Betten. Die Klinik war insgesamt schon seit Jahren „in schwierigem Fahrwasser“; die Corona-Pandemie, zuletzt Inflation und Energiekostensteigerungen haben die wirtschaftlichen Schwierigkeiten dann weiter verschärft. Die Klinik selbst hat ein Konzept erarbeitet, um die Klinik so umzugestalten, dass sie in Zukunft ökonomisch betrieben werden kann. Vorausgegangen war eine Versorgungsbedarfsanalyse, die gezeigt hat, dass für den Klinikstandort in Eckernförde keinen medizinischen Bedarf gibt. Nach teils erbitterten politischen Diskussionen und gegen den Widerstand der Bevölkerung vor Ort hat der Kreistag schließlich mit knapper Mehrheit ein Szenario verabschiedet, das eine Verringerung des Leistungsumfanges (mit Wegfall der Chirurgie, Geburtshilfe und Teilen der Notfallversorgung zugunsten eines Fachklinikkonzeptes) vorsah. Dieses Konzept wurde schließlich vom Landeskrankenhausausschuss bestätigt. Noch vor Umsetzung des Konzeptes kam es jedoch zu einem Bürgerbegehren, im anschließenden Bürgerentscheid gab es eine klare Mehrheit für den vollumfänglichen Erhalt des Klinikstandortes in Eckernförde und gegen das neue Konzept der Klinik.
Da die Bemühungen der Klinik, ihr Haus umzustrukturieren, durch die Sperrwirkung des Bürgerentscheides nicht weiter fortgesetzt werden konnten, musste die imland gGmbH schließlich im Dezember 2022 Insolvenz anmelden. Die weiteren (immer noch hitzigen) politischen Diskussionen im Kreis drehten sich dann um die Fragen „Erhalt der Klinik in Eckernförde“ und „Erhalt der Klinik in kommunaler Trägerschaft“. Für den Fall einer weiteren Trägerschaft des Kreises wurde – der Versorgungsbedarfsanalyse folgend – mit nur einem Standort in Rendsburg geplant. Für den Standort Eckernförde hatten wir als Kreis ein sogenanntes intersektorales Gesundheitszentrum (IGZ, auch regionales Gesundheitszentrum genannt) für die wohnortnahe Versorgung der Bevölkerung in Eckernförde und den umliegenden Gemeinden vorgesehen.
Die Fachebene des Gesundheitsministeriums hatte sich in mehreren Gesprächen positiv zu einem IGZ in Eckernförde geäußert und ein Weiterbestehen der Klinik mit Grund- und Regelversorgung auch im Hinblick auf eine Entscheidung im Landeskrankenhausausschuss ausgeschlossen. Ein Fachklink wurde an einen möglichen überregionalen Bedarf gekoppelt, wurde aber auch als unwahrscheinlich angesehen. Nachdem sich im Rahmen des Insolvenzverfahrens eine Übernahme durch einen privaten Träger abzeichnete, der den weitgehenden Erhalt der Klinik in Eckernförde angekündigt hatte, haben sich sowohl der Ministerpräsident als auch die Gesundheitsministerin plötzlich für eine solche Lösung offen gezeigt. Es ist wohl kein Zufall, dass der Ministerpräsident seinen Wahlkreis in Eckernförde hat.
Der Fall im eigenen Kreis soll zeigen, dass die Entscheidungen zur Krankenhausplanung – solange sie von den Bundesländern in eigener Verantwortung getroffen werden – kaum je frei sein wird von möglichen externen Einflüssen. Ich kann den Einwurf von Prof. Jens Scholz vom UKSH während des Hauptstadtkongresses - „Krankenhausplanung wird nicht für die Bürgermeister gemacht“ - zwar ein Stück weit nachvollziehen, ich hate es aber dennoch für unmöglich und auch für ungeschickt, die regionale Ebene und die Kommunen von der Planung auszuschließen.
Anregungen und Gedanken
Die geplante Krankenhausreform versucht, ein relativ starres Konzept mit Leveln und Leistungsgruppen über die unterschiedlichsten regionalen Bedarfe und Strukturen zu stülpen. Dabei wurden – das wurde auf dem Hauptstadtkongress wieder deutlich – Aspekte der Spitzen- und Maximalmedizin deutlich überrepräsentiert. Notwendig ist doch eher eine Reform der Grund oder Basisversorgung vor Ort. Für die Universitätsklinika und die Häuser der Maximalversorgung ändert sich durch die Krankenhausreform vermutlich ja wenig. Warum sind so wenig Vertreter aus den Kommunen und Kreisen eingeladen? Ich denke, die Hauptprobleme liegen eher darin, eine gute medizinische Infrastruktur in der Breite („wohnortnah“) zu schaffen. Ich habe das Gefühl, dass die Lauterbach-Reform die vorhandenen Mittel nur verschiebt, und zwar am Ende in den Bereich größerer zentraler Strukturen.
1. Ich bin als Fachbereichsleiter für die Bereiche Gesundheit, Soziales mit Pflege und Eingliederungshilfe zuständig. Ich habe aus meiner täglichen Arbeit hier im Kreis die Einsicht gewonnen, dass eine „reine“ Krankenhausreform deutlich zu kurz greift. Eine wirklich tiefgreifende Reform müsste eine Reform des Gesundheitswesens insgesamt sein. Neue Formen der medizinischen Versorgung sollen sinnvollerweise von den Bedarfen der Patienten und den bereits vorhandenen Strukturen vor Ort ausgehen. Dabei müssen der Pflegebereich, die ambulanten Versorgungsstrukturen (nicht nur niedergelassene Ärzte, auch medizinverwandte Strukturen) und soziale Aspekte (zum Beispiel Armut) unbedingt mitgedacht werden, da diese auch die stationären Bedarfe wesentlich mit beeinflussen. Die Planung muss sich dann auch streng an den Bedarfen orientieren (also „bedarfsgerechte Planung“), Überkapazitäten müssen abgebaut werden. Aktuell haben wir viele Überangebote, da die medizinische Versorgung im Sinne einer angebotszentrierten Medizin sich zu sehr an Marktanreizen orientiert.
2. Die strikte Trennung von ambulantem und stationärem Sektor müssen fallen. Wenn es zur o.g. Marktbereinigung kommt und in absehbarer Zeit kleinere Häuser, die kaum überlebensfähig sind, von der medizinischen Landkarte verschwinden, braucht es vor Ort Ersatzstrukturen. Hier bietet es sich an, den verbleibenden Kliniken mehr Möglichkeiten zu gewähren, ambulant zu behandeln, aber auch die Konzepte von intersektoralen bzw. regionalen Gesundheitszentren zu ermöglichen. Dafür braucht unter anderem geeignete Vergütungsstrukturen. Daraus folgt, dass auch die KVen, die niedergelassenen Ärzte sowie die Krankenkassen maßgeblich an einer solchen Reform mitwirken müssen. Während die Kassen naturgemäß in Berlin gut vertreten waren, habe ich wenig aus der Perspektive der KVen gehört.
3. Ein weiterer Punkt betrifft die Verteilung der Kosten. Wie bereits unter Punkt 1 angedeutet, besteht aus meiner Sicht eine zunehmende Asymmetrie zugunsten der Spitzenmedizin und -forschung. Ich sehe das Problem, dass wir in einigen Jahren nur noch wenige Leuchtturmprojekte finanzieren, aber zu wenig Geld in die breite medizinische Versorgung geht. Ich komme selbst aus der Forschung und halte diese für wichtig, dennoch sehe ich zu viele Mittel in die Spitzenmedizin abfließen.
4. Ein letzter Punkt: die Ausbildung. Ich habe zu diesem Thema wenig Initiative auf dem Hauptstadtkongress gesehen. Das Medizin-Studium muss dringend reformiert werden, auch hier ist die Spitzenmedizin zu sehr repräsentiert. Wir müssen junge Ärzte frühzeitig an eine hausärztliche Tätigkeit heranführen, auch der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) findet im Studium kaum Beachtung. Es braucht insgesamt mehr Studienplätze und eine Reform der Zugangsbedingungen.
Prof. Dr. Stephan Ott, Landrat für Soziales, Arbeit und Gesundheit, Kreis Rendsburg-Eckernförde