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Interviews und Meinungen

„Wir werden einen Sprung von 20 Jahren machen müssen“


„Wir werden einen Sprung von 20 Jahren machen müssen, damit wir überhaupt technisch auf ein Niveau kommen, das europaweit anschlussfähig ist“, sagt der scheidende Geschäftsführer der gematik, Dr. Markus Leyck Dieken. Foto: gematik/Jan Pauls


Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG): „Es geht um echte Beteiligung, weniger um formale Mitwirkungsrechte.“ Foto: DKG/Lopata

Herr Dr. Leyck Dieken: Warum verlassen Sie die gematik?

Leyck Dieken: Der Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will die gematik zu einer nationalen Digitalagentur ausbauen, die zu 100 % dem Bund gehört. Diese soll mit einer Doppelspitze versehen werden. Ich kann nachvollziehen, dass man diesen Schritt auch mit neuen Gesichtern verbinden möchte.

Fällt Ihnen der Abschied schwer?

Leyck Dieken: Der Abschied fällt schon schwer. Als ich zur gematik kam, wusste ich, dass ich ein sehr reformbedürftiges Haus übernehmen würde. Diese Aufgabe übernimmt man nur, wenn man bereit ist, sich mit Haut und Haaren einzubringen. Das schafft eine große Verbundenheit mit dem Haus und auch mit den Kolleginnen und Kollegen, die sich ebenso für das Projekt engagieren. Deshalb ist die Ablösung natürlich nicht ganz einfach. Gleichzeitig freue ich mich aber, dass wir in den vier Jahren die Digitalisierung weit mehr vorangebracht haben als in den zwölf Jahren zuvor.

Gaß: Wir bedauern es sehr, dass Markus Leyck Dieken ausscheidet. Er verdient wirklich großen Respekt für seine Leistung als gematik-Chef. Wir haben gespürt, dass in dieser Zeit Vieles deutlich stringenter angepackt wurde und deutlich schneller voranging. Egal, was kommt, er hat die Bahnen gelegt für alle, die von ihm nun diese Aufgabe übernehmen.

Die Gesellschafterstruktur der gematik soll sich nochmals ändern (in eine Anstalt des öffentlichen Rechts). Ist das sinnvoll aus Ihrer Sicht?

Leyck Dieken: Das bleibt abzuwarten: Bislang wissen wir noch nicht, wie das Digitalagentur-Gesetz, das dies im Detail regeln soll, genau aussehen wird. Es gab verschiedenste Überlegungen, und auch wir haben unsere Argumente dafür eingebracht.

Wird die gematik eine Behörde? Können Sie sich und die Interessen der Kliniken einbringen im Gesellschafterkreis? Wie sollte die DKG künftig bei Entscheidungen eingebunden sein?

Leyck Dieken: Ich glaube, die Gesellschafterstruktur ist weniger das Thema, denn wir müssen ja leider sehen, dass auch Gesellschafterrepräsentanz nicht immer optimale Einbindung bedeutet. Viel wichtiger wird sein, dass der eingeschlagene Weg der gematik sich verfestigt und noch profunder und genauer auf den Nutzer schaut. Dies wird übrigens durch die Deklaration einer nationalen Agentur noch wichtiger: Die Erwartungen an die gematik, wirklich an der Versorgungsrealität und den entsprechenden Bedarfen orientiert Lösungen zu entwickeln, wird noch stärker. 

Gaß: Es ist zu befürchten, dass die gematik eine Behörde wird. Im Detail werden wir das noch sehen. Wir sehen ja den Zugriff des Bundesgesundheitsministers auch auf andere Organisationen der Selbstverwaltung, ob das das InEK ist oder das IQTIG. Alles deutet eher darauf hin, dass es dem Minister darum geht, eine Agentur als eine dem Ministerium nachgeordnete Behörde zu schaffen.  Wichtiger als die Beteiligung der DKG als Gesellschafter ist, dass die besonderen Herausforderungen im Krankenhausbereich beim Thema Digitalisierung ausreichend berücksichtigt werden - und dass die Krankenhäuser Gelegenheit haben, diese auch darzustellen und zu diskutieren. Es geht um echte Beteiligung, weniger um formale Mitwirkungsrechte.

Herr Dr. Gaß, wie haben Sie die Atmosphäre in den Gesellschafterversammlungen der gematik erlebt?

Gaß: Das ist schon etwas Besonderes. Ich war anfangs sehr verwundert, wie stark wir da teilweise in die Details gegangen sind. Ich dachte, dass hätten die vielen Gremien im Vorfeld schon aufarbeiten können. Aber man hat gespürt, dass es bei den Gesellschaftern unterschiedliche Herangehensweisen und Interessen gibt. Ich hätte mir gewünscht, dass die Gesellschafterversammlung sich mehr auf ihre Richtlinienkompetenz konzentrierte.

Wo stehen wir bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens, wie weit sind wir beim Ausbau der TI?

Leyck Dieken: Wir werden einen Sprung von 20 Jahren machen müssen, damit wir überhaupt technisch auf ein Niveau kommen, das europaweit anschlussfähig ist. Dafür haben wir das Konzept „TI 2.0“ entwickelt und sind jetzt im ersten Schritt dabei, mit dem E-Rezept oder der elektronischen Patientenakte digitale, elektronische Identitäten für Versicherte zu ermöglichen.

Wir haben bisher bei der zentralen Infrastruktur das Modell des freien Marktes gewählt. Was das bedeutet, können wir sehr gut an den Konnektoren erkennen. Einige Konnektoren wurden im Laufe der Zeit vom Markt genommen, weil sie nicht mehr in der Lage waren, die weiteren Versionen mitzugehen in der Programmierung. Wir werden das deutsche Gesundheitswesen nur digitalisieren können, wenn die zentrale Infrastruktur uniform ist. Diese Erkenntnis teilt auch das Bundesgesundheitsministerium. Das ist aber ordnungspolitisch nicht ganz einfach umzusetzen. Wir haben eben 100 Krankenkassen und viele verschiedene Begehrlichkeiten.

Deshalb ist in der Digitalstrategie ausdrücklich eine Endverantwortung für die nationale Agentur vorgesehen, damit ein solches Projekt so eingeführt und gesteuert werden kann, dass alle Teilaspekte berücksichtigt werden.

Wo stehen die deutschen Krankenhäuser in Sachen TI?

Leyck Dieken: Wir sind dabei, durch Einführung des E-Rezeptes und der ePA deutliche Sprünge nach vorne zu machen. Und die gematik hat vor zwei Jahren begonnen, im lebendigen Dialog mit den Krankenhäusern krankenhausspezifische Produkte zu entwickeln. Viele Produkte wurden in der Vergangenheit auf die Einzelpraxis gemünzt. Das beginnt schon mit dem elektronischen Heilberufe-Ausweis, der in seinem Sicherheitssetting auf die Idee der Einzelpraxis gemünzt war und nicht auf den Stationsarzt.

Die Krankenhäuser kritisieren immer wieder, dass die Telematikinfrastruktur und ihre Anwendungen vor allem für den niedergelassen Bereich konzipiert wurde.

Gaß: Das ist so, bei der Digitalisierung lag der Fokus einfach lange auf den niedergelassenen Ärzten und auf den Abläufen in der Arztpraxis. Wir sind in den Kliniken dann zum Teil an Formularen gescheitert, für die wir, um sie auszufüllen, die alten Nadeldrucker aus dem Keller hätten holen müssen. Das waren Zustände, die nicht zukunftsfähig waren. Diese Kritik war richtig und berechtigt. Jetzt sind wir aber ein Stück weiter.

Sie haben die Zusammenarbeit mit den Krankenhäusern in unterschiedlichen Abstimmungsrunden intensiviert.

 Leyck Dieken: Wir haben jetzt mehrere Arbeitsgruppen, in denen wir intensiv mit Fachgesellschaften, mit Experten der DKG, aber auch mit Pflegenden und Patienten im Austausch stehen. Wir müssen die großen Versorger, aber auch die mittleren und die kleinen Krankenhäuser mit ihren verschiedenen Bedürfnissen und Ansprüchen einbeziehen. In diesen Gesprächen lernen die gematik- Mitarbeiter auch sehr viel.

Herr Dr. Gaß, funktioniert der Dialog aus Ihrer Sicht?

Gaß: Wir müssen selbstkritisch sagen: Auch Krankenhäuser haben zu lange als Inseln gearbeitet. Viele haben zwar versucht, sich über die eigenen Standorte hinaus zu vernetzen, aber der Austausch mit anderen Akteuren ist nicht von Anfang an mitgedacht worden. Wir sind auch in der Vergangenheit zu lange in Passivität verharrt. Das hat sich seit einigen Jahren aber geändert. Ich bin zuversichtlich, dass die Kliniken, wenn die Infrastruktur 2.0 steht, sehr schnell in der Lage sein werden, ihre Informationssysteme nutzbar zu machen. In unseren Systemen liegen enorme Mengen an Daten. Wir wollen diesen Schatz zur Verfügung stellen und auch für die Forschung nutzbar machen.

Wie sieht es aus mit der Digitalkompetenz der Kliniken?

Leyck Dieken: Der digitale Reifegrad der Kliniklandschaft ist sehr unterschiedlich. Aber klinisch tätige Ärzte sind gegenüber der Digitalisierung viel aufgeschlossener als die niedergelassenen Ärzte im Allgemeinen. Das hat wahrscheinlich mit der Altersstruktur zu tun, Klinikärzte sind im Schnitt jünger. Es liegt sicher auch am Arbeitsumfeld: Ärzte und Pflegekräfte im Krankenhaus müssen sich ohnehin ständig an neue Prozesse gewöhnen, werden in andere Prozesse eigebunden und müssen sich an neue technische Ausstattung gewöhnen. Die Belastung durch mangelnde Digitalisierung ist in der Klinik aber auch offensichtlicher und deutlicher zu spüren als beispielsweise im niedergelassenen Bereich.

Nehmen Cyberangriffe auf Kliniken zu? Wie sicher sind die Daten im Krankenhaus?

Leyck Dieken: Die Menge der Daten in Kliniken über jeden einzelnen Patienten ist groß. Diese Daten können in die Patientenakte gelegt und aus ihr rausgelesen werden. Gleichzeitig müssen die Klinik-Softwaresysteme sich vor kriminellem Eindringen schützen. Hierfür Lösungen zu finden war immer wieder der Fokus der letzten zwei Jahre.

Böswillige Angriffe auf die Kliniken nehmen ganz klar zu. Über das Krankenhaus-Stärkungsgesetz wurde versucht, die infrastrukturelle Ausstattung zu verbessern. Es sind hierfür auch schon beträchtliche Summen geflossen. Den Kliniken wurde die Wahl gelassen, für welche Elemente sie sich entscheiden. Wir haben damals einen Katalog von Attributen publiziert, damit man sich zumindest für zukunftssträchtige Systeme entscheidet, die beispielsweise dem FHIR Standard entsprechen. Mit den definierten Attributen soll sichergestellt werden, dass die Kliniken nicht in Sackgassentechnologien investieren.

Wie gehen die Hersteller damit um?

Leyck Dieken: Uns ist auch bewusst, dass jede Standardsetzung Gewinner und Verlierer nach sich zieht. Die Erfahrung der Kliniken zeigt aber auch: Bisher wurden die Standards aufoktroyiert durch die Marktdominanz einzelner Anbieter – zum Nachteil der Anwender.

Es geht auch um Versorgungsprozesse – professions- und sektorenübergreifend. Kann das gelingen?

Leyck Dieken: An der Kommunikation muss es jedenfalls nicht scheitern. Es gibt mit ISiK jetzt einen verbindlichen Standard, der dafür sorgt, dass der Austausch zwischen Klinik und Praxen in einer harmonisierten digitalen Sprache funktioniert, damit wichtige Informationen ohne Umwege dort landen, wo sie benötigt werden. Zudem haben wir mit KIM (Kommunikation im Medizinwesen) einen sicheren E-Mail-Dienst geschaffen, der die Kommunikation im direkten Dialog in der Weiterversorgung ermöglicht.  Darüber hinaus ist der sichere, interoperable TI-Messenger ein hervorragendes Instrument für den schnellen Austausch, auch über Sektorengrenzen hinweg: Er ermöglicht Konsile, fördert den automatischen Ablauf in Teams, Rückfragen zur verordneten Medikation, Infos über vorliegende Laborbefunde und vieles mehr.

Die Digitalisierungsstrategie des BMG hat anspruchsvolle Ziele: Ausrichtung auf den Patienten, verbesserte Versorgung, Patienten-Souveränität, mehr Effizienz. Welche Maßnahmen, welche Rahmenbedingungen können uns dem Ziel näherbringen?

Gaß: In diesem Zusammenhang spielt der Datenschutz eine große Rolle. Wir sind lange davon ausgegangen, dass wir maximalen Datenschutz brauchen, um die Menschen vor Missbrauch sensibler Daten zu schützen. Wir brauchen ein hohes Verantwortungsbewusstsein im Umgang mit Patientendaten, aber wir brauchen auch ein gewisses Maß an Vertrauen. Es ist unrealistisch, anzunehmen, dass wir jede kriminelle Energie durch technische Voraussetzungen unmöglich machen können. Am Ende wird dadurch die Datennutzung maximal erschwert. Da können wir auch von anderen Ländern lernen. Unsere Nachbarn in Europa gehen da zweckmäßiger vor.

Was die Rahmenbedingungen der Digitalisierung betrifft, sind die Krankenhäuser bisher sehr unterschiedlich aufgestellt. Das KHZG hat den Kliniken natürlich einen Schub gegeben, um bessere Infrastrukturvoraussetzungen zu schaffen, die die Kliniken anschlussfähig machen. Jetzt müssen die Krankenhäuser aber auch die finanziellen Möglichkeiten bekommen, das fortzuführen. Es geht um Investitionen, aber auch um die Refinanzierung der Betriebskosten. Die Vorstellung, wir könnten mit der Digitalisierung ganz viel Personal einsparen, ist unrealistisch. Wir können aber die Behandlungsprozesse optimieren und das Personal besser für Tätigkeiten einsetzen, die dem Patienten guttun. Eine unmittelbare Kostensenkung ist für die Krankenhäuser nicht zu erwarten.

Leyck Dieken: Ich glaube, wir erleben derzeit ein Umdenken. Wir sehen einen Generationswechsel: Auch die Entscheider in den Unternehmen, in Kliniken und in den Parlamenten werden immer jünger. Damit bekommt die Digitalisierung immer mehr Gewicht, weil diese Generation den Wert schlüssiger Digitalisierung kennt und schätzt. Auch die Bürger spüren, dass sie als Patienten von der Digitalisierung profitieren, gerade bei schweren Erkrankungen.

Eine funktionierende Digitalisierung ist unabdingbar. In den kommenden Jahren, wenn die Boomer in Rente gehen, werden mehr als 20 % der Ärzte und anderer Heilberufe fehlen. Auch der unglaublich schnelle medizinische Fortschritt mach die Digitalisierung unverzichtbar: Durch reine Lektüre kann sich ein Mediziner die neuen Erkenntnisse und Entwicklungen nicht aneignen und verarbeiten. Die Explosion des Wissens zu verfolgen, ohne dass man sich elektronischer Hilfen bedient, ist gar nicht mehr möglich.

Auch die Versorgung beispielsweise in der Fläche ist auf zügige Digitalisierung angewiesen: Digitalisierte Überwachungsstrukturen werden auch die Kompetenzen der Pflege erweitern und den Pflegeberuf aufwerten. 

Kann die Digitalisierung die Versorgungsstrukturen verbessern?

Gaß: Genau das wird in der aktuellen politischen Diskussion der zukünftigen Versorgungsstrukturen gar nicht abgebildet.  Der Gesundheitsminister und die Regierungskommission machen sich über Zentren und über einzelne Standorte Gedanken, dass wir aber diese Kompetenzzentren auch mit der Fläche verbinden müssen, dass wir auch Patienten mit digitalen Tools ausstatten können, sodass wir gar nicht überall in der Weise präsent sein müssen, wird meist ausgespart in der Diskussion. Heute haben wir die kleinteiligsten Personalvorgaben in allen möglichen Prozessen. Das ist aber das Gegenteil eines agilen Unternehmens, das innovative Versorgungsstrukturen entwickeln kann. Solche kleinteiligen Strukturvorgaben verhindern, dass die Chancen der Digitalisierung voll genutzt werden können. Ich finde es erschreckend, dass dies nicht mitgedacht wird. Damit lassen wir sehr viel Potenzial einfach ungenutzt.

Spahn verfuhr nach dem Motto: fördern und fordern mit sanktionsbewehrten Fristen. Lauterbach sieht für die Einführung des E-Rezepts ebenfalls ein negatives Anreizsystem im vertragsärztlichen Bereich vor. Sind negative Anreizsysteme der einzige Weg, um im Gesundheitswesen Digitalisierungsvorhaben umzusetzen?

Leyck Dieken: Wir müssen ehrlich sein und zugeben, dass die Fortschritte in der Digitalisierung ganz ohne Sanktionen so nicht funktioniert hätten. Politische Willensbekundungen allein hätten da nicht gereicht. Auch beim E-Rezept sehen wir, dass die Softwareanbieter klar erkennen, dass die Vorgaben der gematik nicht umsonst sind: Das E-Rezept ist das erste Produkt, das wir neu eingeführt haben, programmiert nach einem internationalen Standard. Es ist es ein europafähiges, gängiges Produkt, und es lässt sich leicht bedienen. Unser Implementierungsleitfaden gibt den Softwarehäusern vor, dass es nur zwei Klicks sein dürfen, und dass der Vorgang beim E-Rezept unter fünf Sekunden laufen muss.

Wir haben mit dem TI-Score ein Tool geschaffen, mit dem jeder Arzt sein Softwaresystem in der Performance als auch im Support einordnen und klar erkennen können, wo ihr eigenes Produkt steht. Wir haben eine Transparenz geschaffen, die erkennbar Bewegung im Markt auslöst hat. Ich bin zuversichtlich, dass zum Jahresende 2024 das E-Rezept als ein ganz flüssiges Produkt angenommen wird.

Das sieht in der Klinik noch anders aus. Dort unterscheiden wir zwischen der Ambulanz, die eine zugängliche Infrastruktur hat für unsere Angebote, gleichzeitig brauchen wir aber auch Lösungen beispielsweise für die Entlassrezepte der Kliniken. Hier sind die KIS-Systeme noch auf dem Weg, dies zu implementieren.

Andere Länder sind deutlich weiter, auch, was die Akzeptanz angeht. Warum?

Leyck Dieken: Die gematik hat auf ihrer Website eine interaktive Europakarte publiziert. Dort sind für jedes Land kurze Statements von Bürgern des jeweiligen Landes abrufbar, die erklären, wie ihr E-Rezept oder die Patientenakte funktionieren. Wir sehen dort, wie unbefangen europäische Bürger damit umgehen. Dieser Pragmatismus des Umgangs, der sich bei uns in Deutschland noch nicht in gleicher Weise durchgesetzt hat, ist sehr wichtig.

Wann werden die Krankenhäuser von den Konnektoren befreit, die eigentlich für Praxen konzipiert wurden?

Leyck Dieken: In wenigen Quartalen sind wichtige Komponenten der TI 2.0 Realität. Damit werden wir auch eine neue Wahrnehmung in der Ärzteschaft bewirken. Wir sind derzeit dabei, einen Highspeed-Konnektor einzuführen. Damit kommt ab dem kommenden Frühjahr eine ganz neue Technologie für die Kliniken, mit der sie wesentlich mehr Daten verarbeiten können und wir von einem wesentlich stabileren Ablauf ausgehen können. Das wird den Nutzern in den Kliniken sicher viel Leidensdruck nehmen, den man bislang allein wegen der Konnektoren-Infrastruktur hatte.

Gaß: Ein Thema für die Krankenhäuser war in der Vergangenheit immer auch die maximale Abhängigkeit von den KIS-Herstellern, die nur sehr verzögert in der Lage waren, Anforderungen zu erfüllen, die wir in unserem KIS brauchen, um uns vollumfänglich am Datenaustausch beteiligen zu können.

Was ist der Interoperabilitäts-Council, und was soll er bewirken?

Leyck Dieken: Das siebenköpfige Gremium vereint langjährige Expertise, medizinische Praxiserfahrung und Vielfalt als Gruppe. Die Mitglieder werden von der Koordinierungsstelle ernannt. Zu ihren wichtigsten Aufgaben neben dem Aufbau eines Expertenkreises gehört es, gemeinsam mit der Koordinierungsstelle die notwendigen Weichen für mehr verbindliche und international anerkannte Standards im deutschen Gesundheitswesen zu stellen, Evaluationen und Gutachten einzuholen sowie Institutionen und Stakeholder zu beraten.

Im Zuge der Digitalstrategie wird der Interoperabilitäts-Council als Kompetenzzentrum ausgebaut. Die Expertenteams haben nicht nur die Technik, sondern vor allem auch die Versorgungsverbesserung im Blick. Hier hat man sich auf verschiedene Indikationsfelder - Onkologie, Kardiologie und Diabetologie - konzentriert, wo man den gesamten Pfad des Patienten checkt um zu sehen, wo der Datentransport unterbricht – mit negativen Auswirkungen auf die Versorgung. Das Council will durch Harmonisierung der Standards dafür sorgen, dass die KIS-Systeme der Krankenhäuser gezwungen werden, Standards zu erfüllen, die nicht ihre individuellen Industriestandards sind, sondern interoperable Standards. Damit zwingen wir die KIS-System, ihre Schnittstellen zu öffnen, was ja in der Vergangenheit nicht gelungen ist.

Bis Ende 2026 sollen bereits 300 Forschungsvorhaben mit hochwertigen Daten auf den Weg gebracht werden. Kann das klappen?

Leyck Dieken: Die Idee dahinter ist gut. Eine ePA muss strukturierte Daten enthalten, die nach einheitlichen Standards kodiert werden müssen. Die Ankündigung des Bundesgesundheitsministers signalisiert, dass der Wert dieser Daten dann durch 300 Forschungsprojekte geschöpft werden soll.

Das mag zum Teil gelingen, weil wir im ersten Jahr zunächst nur Medikationsdaten strukturiert ablegen werden in der ePA. Im Folgejahr sollen die meistgenutzten Laborwerte abgelegt werden. Die Vorarbeiten sind durch die Labormediziner gelegt.

Es soll ein Digitalbeirat bei der gematik ins Leben gerufen werden? Wann? Wer soll hinein?

Leyck Dieken: Dieser neue Digitalbeirat ist ein wichtiges Element des neues Digitalgesetzes und hat nichts mit dem jetzigen Beirat zu tun. Die Idee dahinter ist, dass Datenschutz und Datennutzung endlich gleichwertig artikuliert werden. Es wird vier Stimmen geben im Beirat: Die der Datensicherheit durch das BSI, des Datenschutzes durch den BFDI, der Datennutzung durch einen medizinisch-wissenschaftlichen Vertreter und eine Stimme der Ethik. Der Digitalbeirat soll der gematik eine grundsätzliche Orientierung geben.

Und was tun Sie nach Ihrem Abschied von der gematik? 

Leyck Dieken: Ich muss ein bisschen Abstand gewinnen. Momentan gibt es einfach noch zu viele Dinge, die mich in meiner aktuellen Tätigkeit für die gematik beschäftigen.

Ich möchte auch künftig wieder gemeinsam mit anderen in einem innovativen Bereich etwas bewegen können. Vermutlich etwas, wo meine Berufung als Arzt weiterhin eine größere Rolle spielt.

Das Gespräch führte Katrin Rüter, Chefredakteurin