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Interviews und Meinungen

Fragen an Prof. Dr. Tom Bschor, Koordinator der Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung


Foto: privat

Welches sind die dringendsten Probleme der Kliniken, welche werden Sie in der Kommission zuerst angehen?

Drängende Probleme gibt es bei allen Beteiligten und auf allen Ebenen, weshalb die Regierungskommission unmittelbar nach Gründung intensiv in die Arbeit eingetreten ist. Einige Problemfelder, die besonders rasch eine Lösung benötigen, können dem Koalitionsvertrag entnommen werden. Dort werden Pädiatrie, Geburtshilfe und Notfallversorgung genannt.

Die Investitionsfinanzierung über die Länder ist seit vielen Jahren ein Problem. Muss sich der Bund beteiligen?

Hier liegen die Dinge in der Tat besonders im Argen. Rechtlich sind die Bundesländer hierfür zuständig, kommen dieser Aufgabe aber nur partiell nach. Die Krankenhäuser müssen die notwendigen Investitionen dann aufschieben oder aus den Geldern bezahlen, die lediglich für die laufenden Kosten gedacht sind. Es ist grundsätzlich eine ungute Situation, wenn gesetzliche Lage und Realität auseinanderklaffen. Vielen Krankenhäusern wäre schon geholfen, wenn diese Schieflage behoben wäre, weshalb die Kommission intensiv an Lösungsmöglichkeiten arbeitet. Zu den konkreten Schritten, die die Regierungskommission empfehlen wird, kann ich im Moment noch keine Auskünfte geben, wofür ich um Verständnis bitte.

Sollte der Bund Einfluss auf die Krankenhausplanung nehmen?

Für die Krankenhausplanung sind die Bundesländer zuständig. Abgesehen davon, dass eine Änderung komplexe, aber prinzipiell lösbare Rechtsfragen auslösen würde, sind gewichtige Argumente pro und contra diese Regelung abzuwägen. Prinzipiell ist es sinnvoll, dass die Krankenhausplanung in ganz Deutschland nach vergleichbaren Kriterien durchgeführt wird, nicht nur, weil in vielen Regionen Krankenhäuser Menschen aus benachbarten Bundesländern mitversorgen. Andererseits sind die Bundesländer vermutlich besser über regionale Besonderheiten im Bilde, die es bei der Krankenhausplanung zu berücksichtigen gilt.

Die Regierungskoalition hat sich darauf verständigt, die Finanzierung für bestimmte Krankenhausabteilungen – Pädiatrie, Geburtshilfe und Notfallversorgung – kurzfristig zu reformieren. Wie bewerten Sie eine solche Teillösung?

Grundlegende Veränderungen für das gesamte Krankenhauswesen aus einem Guss sind natürlich zu bevorzugen, brauchen aber auch deutlich mehr Zeit. Kurzfristige Reformen in besonders prekären Bereichen sind daher möglicherweise sinnvoll. Die Regierungskommission wird aber gegebenenfalls prüfen, ob solche kurzfristigen Reformen anschließend sinnvoll in eine Gesamtreform überführt werden können.

Sehen Sie Chancen für sektorübergreifende Konzepte in naher Zukunft?

Gute Frage. Gegenwärtig haben wir ein verwirrendes Potpourri von Sondermöglichkeiten, nach denen Krankenhäuser begrenzt auch ambulant behandeln dürfen. Dies ist unübersichtlich, zumeist sehr bürokratisch und wird daher nur begrenzt genutzt. Im Gespräch mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Ländern stoße ich regelmäßig auf heftiges Kopfschütteln, wenn ich die deutsche Situation erläutere. Meinen Gesprächspartnern erscheint es zum Beispiel als völlig absurd, dass ein Patient, der gerade erst eine intensive medizinische Betreuung im Krankenhaus erhalten hat, als erstes nach der Entlassung in eine Arztpraxis laufen muss, damit die neuen Medikamente verordnet und eine Krankschreibung ausgestellt werden kann. Zwar haben Krankenhäuser inzwischen prinzipiell die Möglichkeit, beides für sehr kurze Zeit nach der Entlassung zu übernehmen ‒ das aus den Verhandlungen mit den KVen hervorgegangene Prozedere hat aber derartig hohe und teilweise absurde bürokratische Hürden, dass viele Krankenhausärzte hiervon die Finger lassen.

Prinzipiell habe ich in meinen Gesprächen auf allen Seiten einen großen Wunsch nach sektorübergreifender Zusammenarbeit vernommen. Wenn es dann aber an die Details geht, wird es schnell schwierig. Hier müssen alle Seiten eine Bereitschaft entwickeln, auch etwas abzugeben.

Zur Besetzung der Kommission gab es Kritik aus der Selbstverwaltung und aus den Bundesländern. Viele vermissen auch Praktiker aus den Krankenhäusern in der Kommission. Wie wollen Sie die einbeziehen, die nicht in die Kommission berufen wurden?

Wer das Fehlen von Kommissionsmitgliedern mit Krankenhauserfahrung bemängelt, hat sich offensichtlich die Zusammensetzung der Regierungskommission nicht angesehen. Zahlreiche Mitglieder unserer Kommission arbeiten Vollzeit in der Patientenversorgung und kommen in Berufskleidung in unsere Online-Sitzungen. Dazu haben wir mehrere Mitglieder aus Krankenhausleitungen oder dem Qualitätsmanagement von Krankenhäusern. Und auch ich selbst bringe fast 30 Jahre täglicher Erfahrung in der Patientenbehandlung im Krankenhaus mit. Praxisferne kann man der Kommission wirklich nicht vorwerfen.

Die Kompetenz, die Argumente und die Sicht von Krankenhausverbänden, Krankenkassen, Bundesländern und anderen wichtigen Akteuren des Gesundheitswesens sind von großer Bedeutung, weshalb ich zu all diesen Beteiligten bereits Kontakt aufgenommen habe, und diese Beteiligten auch regelmäßig angehört werden sollen. Die Entscheidung, sie nicht in die Regierungskommission aufzunehmen, wurde politisch getroffen, sodass ich über die Gründe nur spekulieren kann. Ich denke, dass die Politik sich Empfehlungen erhofft, die so weit wie möglich wissenschaftlich fundiert sind und durch unabhängige Experten erarbeitet wurden. Vielleicht hatte man abschreckende Beispiele vor Augen, dass die Selbstverwaltungspartner sich mitunter ungut gegenseitig blockieren.