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Interviews und Meinungen

„Die Planung ist eine Chance für die Krankenhäuser im ländlichen Raum“


Interview mit Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen

Die Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen stehen vor großen Veränderungen. NRWs Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) hatte Ende August 2021 den Entwurf zu einem neuen Krankenhausplans für das bevölkerungsreichste Bundesland vorgestellt. Als erstes Bundesland will Nordrhein-Westfalen die Krankenhausstruktur künftig nicht mehr über die Anzahl der betten, sondern differenziert über Leistungsbereiche und Leistungsgruppen planen. Vom kommenden Jahr an soll die Umsetzung in regionalen Planungsverfahren beginnen. Das Krankenhaus sprach mit dem Urheber der Reform, NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann.

In welchem Umfang wird sich mit der Umsetzung des neuen KH-Plans die Anzahl der Krankenhäuser verändern?

Wir zielen mit der neuen Krankenhausplanung nicht auf eine bestimmte Zahl von Krankenhäusern ab. Das ist nicht Sinn und Zweck. Das liegt auch nicht in erster Linie in unserer Verantwortung. Die Entscheidung über die Schließung oder den Bau eines Krankenhauses liegt vor allem im Verantwortungsbereich eines Krankenhausträgers. Wir wollen die Versorgung in der Fläche stärken und zugleich für mehr Abstimmung und Koordination, besonders in der Spezialversorgung und in den Ballungsräumen sorgen.

Gibt es dabei Unterschiede zwischen den verschiedenen Leistungen?

In der wohnortnahen Versorgung, also bei Krankenhäusern die eine allgemeininternistische und allgemeinchirurgische Versorgung anbieten, wollen wir, dass für 90 % der Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen ein Krankenhaus innerhalb von 20 Autominuten erreichbar bleibt. Auch in der Geburtshilfe, in der Kinderheilkunde, in der psychiatrisch-psychosomatischen Versorgung und in der Geriatrie spielt die Wohnortnähe eine besondere Rolle. Bei hochspezialisierten Angeboten profitieren alle von einer sinnvollen Aufgabenteilung: die Patienten, die Mitarbeiter und letztlich auch die Krankenhäuser.

Wird das Land NRW auch zusätzliche Investitionsmittel für die Häuser zur Verfügung stellen? Wieviel?

Die Landesregierung hat bereits in dieser Legislaturperiode 2 Mrd. € mehr an Investitionsmitteln zur Verfügung gestellt als dies in der vorangehenden Legislaturperiode der Fall war. Zusätzlich ist eine Milliarde aus Bundesmitteln hinzugekommen. Das alleine zeigt: Ich nehme die Zusagen, die wir in Nordrhein-Westfalen bei der Amtsübernahme im Jahr 2017 gemacht haben, ernst. Ich will, dass dieser Krankenhausplan erfolgreich umgesetzt wird, und weiß, dass dazu die nötigen Investitionsmittel gehören.

Wird sich die Versorgungsqualität messbar verbessern?

Alle Experten sagen uns, dass die Qualität besser wird, wenn Krankenhäuser ihr Leistungsspektrum untereinander abstimmen, besser kooperieren und diejenigen Leistungen erbringen, für die sie das notwendige Personal und ausreichend Erfahrung haben. Dafür sorgen wir mit dem neuen Plan.

Wieviel Zeit werden die Veränderungen benötigen?

Nachdem der gesamte Landesausschuss für Krankenhausplanung Einvernehmen über die neue Planung erzielt hat, werden wir den zuständigen Gesundheitsausschuss des Landtages anhören. Wenn dieses parlamentarische Verfahren abgeschlossen ist, setze ich den Plan in Kraft und wir können mit der konkreten Umsetzung in den Regionen beginnen. In der Vergangenheit haben sich diese regionalen Verfahren oft über Jahre hingezogen. Das soll diesmal nicht passieren. Ziel ist es, die Verfahren schnellstmöglich abzuschließen, damit die notwendigen Verbesserungen auch bei den Menschen ankommen.

Glauben Sie, dass die anderen Bundesländer dieses neue System übernehmen werden?

Das liegt nicht in meiner Verantwortung. Ich registriere aber an vielen Stellen im Land ein großes Interesse an dem, was in Nordrhein-Westfalen gerade geschieht. Wir sind auf diesem Feld Vorreiter.

Zur Planung auf der Ebene von Krankenhausstandorten: Wie viele Krankenhausstandorte braucht NRW denn in Zukunft?

Noch einmal: Wir zielen nicht auf eine vorgegebene Zahl von Krankenhausstandorten ab. Ich bin überzeugt, dass die Frage nach der richtigen Zahl von Krankenhausstandorten in die regionalen Planungsverfahren gehört. So wird es jetzt auch gemacht. Jede Region in Nordrhein-Westfalen ist anders – auch im Gesundheitswesen. 

Werden in ländlichen Räumen alle Krankenhausstandorte erhalten werden können?

Unter den jetzigen Rahmenbedingungen des DRG-Systems und eines oft unproduktiven und zum Teil sogar ruinösen Wettbewerbs geraten Krankenhausstandorte im ländlichen Raum zunehmend unter Druck. Das ist keine Folge des neuen Krankenhausplans. Es ist umgekehrt: Wir machen den neuen Plan, um dieser Entwicklung nicht länger zuzusehen. Die neue Planung ist eine Chance gerade für die Krankenhäuser im ländlichen Raum, die wir weiterhin brauchen, die aber aktuell in einer schwierigen Lage sind.

Sie geben für die Grundversorgung eine Erreichbarkeit von 20 PKW-Fahrzeitminuten vor. Wie sieht es bei der zeitkritischen Versorgung von Herzinfarkt und Schlaganfallpatienten aus?

Herzinfarkt- und Schlaganfallpatienten sollten nicht mit dem Privatauto zum Krankenhaus gefahren werden. Für diese Menschen sind die Nummer 112 und der Rettungsdienst da. Das ist durch viele Informationskampagnen inzwischen auch in der Breite der Bevölkerung angekommen. Mit dem neuen Plan weisen wir die Aufgaben der Krankenhäuser in der Herzinfarkt- und Schlaganfallversorgung erstmals verbindlich und transparent zu. Das macht es möglich, in jeder Region für ein ausreichendes Versorgungsnetz zu sorgen. Und es schafft die notwendige Klarheit für den Rettungsdienst, damit die Patienten immer dorthin gebracht werden können, wo sie dann auch richtig sind.

Wie sehen Sie die Zukunft der belegärztlichen Versorgung in NRW, wenn der neue KH-Plan umgesetzt wird?

Das Belegarztwesen ist eines der ganz wenigen wirklich sektorenübergreifenden Versorgungsmodelle, die aktuell möglich sind. Deswegen wird es weiter seinen Platz in der Versorgung haben.

Lässt sich - insbesondere in ländlichen Räumen - die doppelte Facharztschiene weiter aufrechterhalten? Welche Rolle sollen die Krankenhäuser künftig in der ambulanten Versorgung spielen, werden sie für weitere ambulante Leistungen geöffnet?

Das sind Fragen, die wir nicht über die Krankenhausplanung klären können, weil der Bund die Spielregeln vorgibt. Ich bin überzeugt, dass es überall dort, wo es eng wird, keine Alternative dazu gibt, zwischen den Sektoren noch enger zusammenzurücken und sich von alten Grabenkämpfen zu verabschieden. Dafür müssen die bundesgesetzlichen Rahmenbedingungen weiterentwickelt werden. NRW wird dabei seinen Einfluss geltend machen.

Soll oder wird der Bund sich künftig stärker an der Investitionsfinanzierung beteiligen?

Die vom Bund geschaffenen Förderungen wie die Weiterführung des Bundesstrukturfonds und das Krankenhauszukunftsgesetz sind erfolgreiche Ansätze, die an vielen Stellen positive Entwicklungen ermöglichen. Deshalb wird dies – ganz unabhängig von den Farbenspielen - gewiss auch in den Koalitionsverhandlungen nach der Bundestagswahl ein Thema sein.

Wird der Bund mehr Planungsverantwortung übernehmen wollen?

Die Planungsverantwortung gehört in die Hand der Länder. Die Länder müssen aber zeigen, dass sie sich dieser Verantwortung stellen und entschieden planen. Deswegen ist mir unser neuer Krankenhausplan so wichtig.

Glauben Sie, dass der Bund/G-BA auf die Mitsprache bei der Planung verzichten würde, wenn alle Bundeländer eine vergleichbare Krankenhausplanung umsetzen würden?

Ich bin jedenfalls überzeugt, dass wir mit unserem Plan einen Weg aufzeigen, mit dem sich die Planungsverantwortung der Länder wieder stärken lässt. Auf dieser Basis kann man dann neu austarieren, welche Rolle G-BA-Regelungen künftig spielen sollen. In jedem Fall müssen die Länder die Letztentscheidung in krankenhausplanerischen Fragen behalten, damit sie regionale Besonderheiten angemessen berücksichtigen können

Ist der neue Krankenhausplan, der ja mitunter hohe Anforderungen an die Vorhaltung stellt - beispielsweise 5 VZÄ Kardiologen für Herzkatheteruntersuchungen - mit der derzeitigen Betriebskostenfinanzierung über DRGs kompatibel?

Beim Herzkatheter muss der Patient sich darauf verlassen können, dass der erfahrene Experte am Kathetertisch steht, wenn er gebraucht wird – auch nachts und am Wochenende. Deswegen ist die Vorgabe richtig. Soweit ich weiß, wird auch unter DRG-Bedingungen mit der Kardiologie noch gutes Geld verdient – dafür sollte das erforderliche Personal dann auch da sein. Die Frage, wie das DRG-System weiterentwickelt werden muss, wird im Übrigen ja eine der großen Reformaufgaben in der neuen Legislaturperiode auf Bundesebene werden müssen. Viele sagen, dass dieses System die Vorhaltung künftig besser berücksichtigen muss. Das finde ich richtig.

Sie sprachen vom „ruinösen Wettbewerb“ zwischen den Krankenhäusern, den es mit dem KH-Plan zu beenden gälte. Welche Rolle spielt im neuen Konzept der Krankenhausplanung in NRW noch der Wettbewerb zwischen den Krankenhäusern?

Es wird weiterhin Auswahl und Wettbewerb geben. Der neue Plan wirkt einem unkoordinierten und unproduktiven Wettbewerb entgegen. Für einen sinnvollen Wettbewerb um die beste Versorgungsqualität lässt er genügend Raum.

Experten prognostizieren, dass viele Krankenhäuser spätestens im nächsten Jahr finanziell ins Straucheln kommen werden. Kommt der neue Krankenhausplan zu spät?

Diese Prognosen zeigen, wie wichtig der neue Krankenhausplan ist. Wir haben im nächsten Jahr für alle Gespräche, die wir mit Krankenhäusern führen, eine viel bessere Basis. Die grundlegenden Finanzierungsprobleme der Krankenhäuser müssen im Übrigen auf Bundesebene angegangen werden. Was an mir liegt, werde ich dazu beitragen.

Foto: picture alliance/dpa, Federico Gambarini