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Interviews und Meinungen

„Die Krankenhäuser kommen in immer größere Nöte“


Thüringens Gesundheitsministerin Heike Werner (Die Linke) fordert Finanzhilfen des Bundes für die Kliniken, damit diese ihre Betriebskosten finanzieren können. Foto: TMASGFF

Wie beurteilen Sie die finanzielle Lage der Kliniken im Freistaat Thüringen?

Es ist eine schwierige Lage, denn es gibt in vielen Bereichen erhöhte Kosten: Energiekosten, Inflationskosten und Tariferhöhungen. Aber anders als in anderen Wirtschaftszweigen können die Kliniken diese Kosten nicht einfach an die Patientinnen und Patienten weitergeben, sondern es gibt eine Verantwortung des Bundes, diese Betriebskosten zu refinanzieren. Das findet nicht statt. Insofern sind alle Krankenhäuser in einer schwierigen Situation. Wir brauchen aber in Thüringen jeden Standort. Deswegen ist es mir wichtig, dass wir nicht nur zu einer besseren und anderen Vergütung kommen, sondern auch kurzfristig die Krankenhäuser unterstützen.

Sie fordern, dass die Krankenhausfinanzierung des Bundes nachgebessert werden muss. Wie sollte diese aussehen?

Die DRGs haben in die falsche Richtung geführt. Wir brauchen eine Vorhaltefinanzierung, damit die Krankenhäuser den Bedarfen an den jeweiligen Standorten entsprechend die notwendigen Leistungen erbringen können. Ich hätte mir gewünscht, dass man ganz wegkommt von den Fallpauschalen. Die Expertenkommission hat einen Mix vorgeschlagen aus Vorhaltefinanzierung und Fallpauschalen. Das kann vielleicht funktionieren. Aber ich sage ganz klar: Für Ostdeutschland und die Flächenländer wird es nur tragen, wenn es entweder eine Art Sockelbetrag gibt oder mindestens Sicherstellungszuschläge, wie wir das jetzt auch zum Teil schon haben. Und wir müssen genau schauen, ob die Finanzierung wirklich tragfähig ist. Deswegen fordere ich auch eine Auswirkungsanalyse oder eine Folgenabschätzung, ob diese Verteilung von 60 % Vorhaltevergütung und 40 % Fallpauschalen für kleine Krankenhäuser im ländlichen Raum, die man für eine Grund- und Basisversorgung sowie die Notfallversorgung zwingend braucht, wirklich eine ausreichende Finanzierungsgrundlage ist.

Ich bin froh, dass die Bundesregierung diese Vergütungsreform in Angriff genommen hat. Jetzt zieht sich das aber schon sehr, sehr lange hin. Die Krankenhäuser kommen in immer größere Nöte. Bisher hat man teils durch Querfinanzierungen die unzureichende Vergütung auffangen können, aber durch die Krisen der letzten Jahre hat sich das Ganze verschärft. Die Krankenhäuser können die Ausgaben kaum noch stemmen. Wir haben in Thüringen viele tolle Krankenhäuser, die seit Jahren schwarze Zahlen geschrieben haben, und die Klinikchefs sagen mir jetzt, dass sie das nicht mehr lange leisten können. Sie sagen, sie finanzieren zu, sie verbrauchen die Rücklagen. Deswegen habe ich ein Vorschaltgesetz gefordert, bevor die Krankenhausreform in Kraft tritt. Man könnte die Energiekosten an die Krankenhäuser als Zuschüsse zahlen, oder man könnte den Landesbasisfallwert rückwirkend anheben, um die erhöhten Kosten zu refinanzieren. So, wie es jetzt ist, ist es ein Skandal. Und der

muss enden.

Die Finanzlage der Kliniken ist u. a. auch deshalb so schlecht, weil die Länder nicht ausreichend in die Kliniken investieren. Sehen Sie sich an der Stelle auch in der Verantwortung?

Wir haben eine duale Finanzierung und alle Länder haben das nicht so umgesetzt, wie es notwendig wäre. Die Grundproblematik ist, dass es ja nicht von der Finanzkraft eines Bundeslandes abhängen kann, wie gut oder wie schlecht Krankenhäuser ausgestattet sind. Natürlich sind ostdeutsche Bundesländer nicht so reich wie zum Beispiel Bayern. Wir haben in Thüringen unsere Investitionskosten erhöht in den letzten Jahren. Da gibt es immer noch Luft nach oben, aber ich glaube, wir sind auf einem ganz guten Weg. Die Investitionen im Bereich der Einzel- und Pauschalförderungen waren in Thüringen bis zum Jahr 2017 auf 50 Mio. € eingefroren und liegen jetzt bei 75 Mio. €. Natürlich könnte es auch noch mehr sein. Letztlich entscheidet aber der Haushaltsgesetzgeber mit und wir haben für die 75 Mio. € ordentlich gekämpft.

Wie bewerten Sie die Klinik-Insolvenzwelle, wie agiert das Land und in welcher Form müsste der Bund handeln?

Für das Land ist es schwierig, weil wir für die Betriebskosten nicht zuständig sind. Wir können Kliniken helfen, die noch nicht in der Insolvenz sind. Wir wollen versuchen, über Bürgschaften die Zeit zu strecken, damit die Kliniken es bis zur Klinikreform des Bundes schaffen. Es gibt jetzt schon ein Bürgschaftsprogramm des Finanzministeriums. Das wollen wir gerne noch ausweiten und praktikabler machen, um kurzfristig Liquidität für die Kliniken sicherzustellen. Aber es braucht auch eine kurzfristige Überbrückungshilfe vonseiten des Bundes. Es kann nicht sein, dass erhöhte Betriebskosten, die die Krankenhäuser nicht zu verschulden haben, nicht refinanziert werden.

Einige Kliniken fordern Schadenersatz von Herrn Lauterbach. Raten Sie den Kliniken in Thüringen auch dazu?

Ich müsste das rechtlich erst einmal prüfen lassen. Aber das ist ein Weg, der am Ende immer offensteht, auch eine Klage einzureichen.

Wie stehen Sie zum Krankenhaustransparenzgesetz?

Wir beraten im Kabinett am 18. März dazu, wie sich Thüringen im Bundesrat verhalten wird. Ich empfehle meiner Landesregierung, Einspruch zu erheben gegen das Ergebnis des Vermittlungsausschusses. Wenn eine Mehrheit der Länder im Bundesrat für den Einspruch, also gegen das Transparenzgesetz stimmt, muss das Transparenzgesetz wieder im Bundestag aufgerufen werden. Nachdem die Länder im Juli 2023 die Eckpunkte zum Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz mit dem Bundesgesundheitsminister abgestimmt hatten, ist dieser Prozess ins Stocken geraten, weil sich der Bundesminister plötzlich auf das Transparenzgesetz fokussiert hat. Hier wird ein neues Bürokratiemonster entstehen. Dabei waren wir uns einig, dass Bürokratie in den Kliniken abgebaut werden soll. Außerdem werden durch das Transparenzgesetz Leistungsgruppen durch die Hintertür eingeführt und wir hatten als Länder deutlich gemacht, dass Leistungsgruppen und Krankenhausplanung Aufgaben der Länder sind. Außerdem wird mit dem Transparenzgesetz der zweite Schritt vor dem ersten getan. Die Vergütungsreform muss an erster Stelle stehen, nicht das Transparenzgesetz.

In Thüringen sind am 1. September Landtagswahlen. Kann die Krankenhauspolitik Einfluss auf das Ergebnis haben?

Die Infrastrukturkonflikte – und dazu gehören auch die Probleme in den Kliniken – verunsichern die Menschen. Diese Verunsicherung spiegelt sich zum Teil darin wider, dass Menschen die AfD wählen, weil die AfD mit ihren scheinbar einfachen Lösungen etwas verspricht, was aus meiner Sicht gar nicht haltbar ist. Insofern muss man aufpassen, dass man solche Strukturkonflikte nicht noch weiter zuspitzt. Das ist die Angst, die momentan besteht. Jeder geschlossene Krankenhausstandort wird das Misstrauen, die Unsicherheit und Hilflosigkeit, die viele Menschen haben, verstärken. Und das wird Auswirkungen auf die Wahlen haben. Wir versuchen das zu kompensieren. Ich bin in den Krankenhäusern unterwegs, spreche mit den Klinikbeschäftigten und versuche Entwicklungen transparent zu machen. Das ist wichtig, weil das System so komplex ist. Der Daseinsvorsorge kommt ein besonderer Stellenwert zu und darauf werden die Menschen auch besonders schauen.

Stimmt es, dass Sie im neuen Krankenhausplan bereits Leistungsgruppen einführen wollen?

Wir sind gerade dabei, den achten Krankenhausplan für Thüringen vorzubereiten und hätten somit die Möglichkeit, den Plan mit den neuen Vorgaben des Krankenhausverbesserungsversorgungsgesetzes zu harmonisieren. Insofern wollen wir in unserem neuen Krankenhausplan die Leistungsgruppen übernehmen, so wie sie in NRW umgesetzt werden, plus weitere Leistungsgruppen entsprechend des Vorschlags der Bundesregierung. Danach würden wir den Krankenhausplan aufstellen wollen. Deshalb ist es so wichtig, dass die Krankenhausversorgungsverbesserungsreform schnell auf den Weg gebracht wird.

Das Interview führte Tanja Kotlorz am 15. März 2024