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Editorial

Sundays for Healthcare


Nach Jahren mit sehr stabilen Preisen erleben wir zurzeit, wie sehr die Nachwirkungen der Pandemie, der Ukrainekrieg und die damit verbundenen Turbulenzen auf dem Weltmarkt unser Leben bestimmen. Nur wenige andere Länder sind wirtschaftlich so vernetzt und kaum ein Land hat ökonomisch so stark von den Vorteilen der Globalisierung profitiert wie Deutschland. Jetzt kommt in vielfacher Hinsicht das böse Erwachen aus einer Situation, in der wir lange Jahre unseren Wohlstand durch vergleichsweise billige Energie aus Russland und preiswerte Produktionsstätten auf dem Weltmarkt gesichert haben.

Wer glaubt, dass sich das schnell wieder ändert und die Rückkehr zur alten Normalität nur eine Frage der Zeit ist, lässt sich vom Prinzip Hoffnung leiten aber verkennt die fundamentalen volkswirtschaftlichen Zusammenhänge. Der Energiemix in Deutschland wird, solange wir stark auf fossile Energieträger angewiesen sind, dauerhaft teurer sein als vor dem Ukrainekrieg. Die notwendige Ausdifferenzierung unserer Lieferketten und die angestrebte stärkere Unabhängigkeit durch neue Produktionsstandorte in Europa wird die Kosten ebenfalls dauerhaft ansteigen lassen und Wohlstandsverluste zur Folge haben. Für alle Endverbraucher wird es sprunghaft teurer. Die Menschen merken dies ganz unmittelbar beim Discounter um die Ecke, der trotz scharfem Wettbewerb seine Preise auf breiter Front erhöhen muss. Angesichts der durch Knappheit geprägten Lage am Arbeitsmarkt scheint auch eine Lohn-Preisspirale unausweichlich.

Krankenhäuser sind Endverbraucher und keine Discounter. Uns belasten hohe Lohnabschlüsse, steigende Energiepreise, galoppierende Baupreise, sprunghafte Entwicklungen im IT-Bereich sowie flächendeckende Preisentwicklungen bei Medizinprodukten, Lebensmitteln und Medikamenten, ohne dass wir dies an einen Endverbraucher weitergeben können. Für April 2022 meldet das Statistische Bundesamt gegenüber April 2021 die stärksten Preisanstiege seit 1948: Erzeugerpreise +34 %, Energie, +87 %, Nahrungsmittel +17 %. Gleichzeitig verdoppeln sich gerade die Zinsen für eigenmittelfinanzierte Investitionen, zu denen die Kliniken wegen fehlender Fördermittel gezwungen sind. Tarifabschlüsse mit teuren Strukturkomponenten, die zur Entlastung der Beschäftigten beitragen sollen, werden von den Kliniken selbstverständlich in vollem Umfang umgesetzt. Nichts von dem können Krankenhäuser, anders als der Discounter um die Ecke oder der Handwerker, über steigende Preise refinanzieren. Für uns gilt die Deckelung der Steigerungsrate durch die Grundlohnrate und den Orientierungswert. Im Jahr 2022 ergibt sich daraus ein Preisanstieg um 2,32 %. 2,32 % sind noch nicht einmal der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein, um die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser zu stabilisieren. Alle diese Tatsachen sind den 17 Gesundheits- und Finanzminister und -ministerinnen in Deutschland bestens bekannt. Und sie tun: nichts.

Die Lobeshymnen auf die Krankenhäuser in der Pandemie sind verklungen und man nimmt die brisante wirtschaftliche Lage mit teilnahmsloser Gelassenheit zur Kenntnis. In Berlin versucht sich im Auftrag des Ministers eine Regierungskommission an Vorschlägen für eine große Krankenhausreform, ohne zu wissen, auf welches Ergebnis man hinarbeiten soll. Die Länder arbeiten an ihren eigenen Krankenhausplänen in der Hoffnung, dass es schon irgendwie weitergeht und die Verantwortlichen in den Kliniken das ja auch in der Vergangenheit irgendwie geschafft haben. Doch diesmal wird das schief gehen. Die Krise ist zu groß, die Entwicklungen sind zu sprunghaft und die Herausforderungen zu gewaltig. Das Jahr 2023 wird das Jahr der Wahrheit werden. Für das bevorstehende Kliniksterben tragen die die Verantwortung, die die Augen vor dieser Realität verschließen und nichts tun oder die Entwicklung möglicherweise sogar bewusst hinnehmen. Vielleicht erleben wir in naher Zukunft die Situation, dass freitags die Jungen für Ihre Zukunft auf die Straße gehen und sonntags die Älteren für ihre Gesundheitsversorgung. Noch schöner wäre beide gemeinsam für beides.

DKG-Vorstandsvorsitzender Dr. Gerald Gaß