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Editorial

Robin Hoods Weltformel


Jetzt endlich werden die Patientinnen und Patienten, so Gesundheitsminister Karl Lauterbach, über die Qualität der Versorgung an den einzelnen Krankenhausstandorten bestens und verständlich informiert. Das unterstellte unerträgliche und unethische Zurückhalten solcher Informationen durch die Kliniken wird durch den Robin Hood der Gesundheitspolitik beendet. Am 1. April 2024 ist es endlich soweit. Nach der Revolution für die Krankenhausplanung und die Krankenhausfinanzierung kommt jetzt die Lauterbach-Revolution der Transparenz für die bisher uninformierte Bevölkerung. Karl Lauterbach hat es geschafft. Er hat die Weltformel der Qualität im Krankenhaus entdeckt.

Mal wieder hat der Minister Revolutionäres versprochen. Warnungen der Fachleute aus dem eigenen Haus verhallten wohl ungehört in den langen und hohen Fluren des Ministeriums. Gibt’s schon alles, fördern wir sogar und veröffentlichen wir auch auf unserer eigenen BMG-Homepage seit Jahren. All dies zeitigte keinen Erfolg. Im Gegenteil: Wortreiche Ankündigungen in den Medien zur Qualitätsoffensive entpuppen sich letztlich tatsächlich als erneuter Versuch, seine Levelidee trotz gegenteiliger Zusicherung gegenüber den Ländern als maßgebliches Strukturelement in der deutschen Krankenhauslandschaft zu verankern.

Schon längst gibt es nämlich die öffentlichen Informationen und Landkarten im Internet, auf denen die Menschen Krankenhausstandorte identifizieren können, die für ein bestimmtes Leistungsspektrum besondere Erfahrungen und gute Qualitätsergebnisse vorweisen können. Das Deutsche Krankenhausverzeichnis, die Weiße Liste, sind die bekanntesten Beispiele. Über 500 000 Zugriffe monatlich auf das Deutsche Krankenhausverzeichnis zeigen, dass dieses Transparenzportal intensiv genutzt wird. Die Personalausstattung von Krankenhäusern, jährliche Fallzahlen einzelner Eingriffe, das Erreichen relevanter Qualitätsindikatoren, alles bekannt und öffentlich zugänglich. Alle verfügbaren Qualitätsdaten aus den Qualitätsberichten der Krankenhäuser und Erkenntnisse des IQTiG werden dort zusammengeführt und verständlich aufbereitet. Das Bundesgesundheitsministerium hat dieses deutsche Krankenhausverzeichnis auf seinem eigenen Gesundheitsportal als Informationsplattform eingestellt und dafür auch Fördermittel ausgezahlt. Diese Förderung wurde jetzt aufgrund von notwendigen Haushaltskonsolidierungen gestrichen. Nun sollen mehrere Hunderttausend Euro für ein neues Portal ausgegeben werden. Ein neues Portal, bei dem der Minister keine neuen Daten veröffentlichen wird, sondern auf das zurückgreift, was längst veröffentlicht wurde. Einzige Neuerung wird die willkürliche Definition von Krankenhausleveln sein, die jetzt für jeden Krankenhausstandort im Ministerbüro erfunden wurde. Je nach Anzahl und Zusammensetzung von Leistungsgruppen kommt ein Haus dann in das Level 1, 2 oder 3. Der geneigte Leser der Gesetzesbegründung erfährt dann auch den Hintergrund dieser sinnlosen Levelei. Mit Hilfe dieser Level-Einordnung sollen die Patienten zukünftig Orientierung erhalten, an welcher Stelle bestimmte Leistungsangebote vorgehalten werden. Groß ist gut, und da sollte man auch hingehen, auch das könnte die Überschrift des Gesetzes sein. Null Evidenz, aber die feste Überzeugung des Ministers. Ziel des Ganzen ist, die Patienten möglichst in die Level 3 Häuser zu locken, obwohl niemand ernsthaft davon ausgehen kann, dass alle Leistungsgruppen und Behandlungen dort mit der bestverfügbaren Qualität erbracht werden. Die ursprüngliche Idee, die Karl Lauterbach und seine Regierungskommission schon immer verfolgt haben, wird nun auf diesem Weg eingeführt.

Natürlich gibt es auch neue Bürokratie in diesem Zusammenhang. Fortan sollen die Krankenhäuser ihr gesamtes im Behandlungsprozess involviertes Personal nicht mehr den dafür relevanten Fachabteilungen zuordnen, sondern kleinteilig differenziert auf einzelne Leistungsgruppen verteilen. Wir dürfen gespannt sein, ob die Bundesländer diesem Treiben des Ministers tatenlos und geduldig zuschauen, oder ob jetzt doch der Zeitpunkt gekommen ist, dem Totalumbau der von den Ländern über Jahre organisierten Krankenhauslandschaft Einhalt zu gebieten.

DKG-Vorstandsvorsitzender Dr. Gerald Gaß