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Editorial

Nachspielzeit


Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft e. V. (DKG). Foto: Lopata

Wer bei dieser Überschrift noch an die Fußball-Europameisterschaft denkt, kann sich glücklich schätzen, denn wir sind gedanklich schon wieder bei der Krankenhausreform. Nachdem nun das KHVVG in der Fassung des Kabinettentwurfs in den Bundestag eingebracht wurde und die Länder sich mit ihrer Elf-Punkte-Erklärung dazu kritisch positioniert haben, sind nun der Bundesrat und die Fraktionen im Bundestag in der Verantwortung.

Es sind drei Szenarien denkbar. Erstens: Das Gesetz kommt ohne substanzielle Änderungen und Kompromisse mit den Ländern durch den Bundestag, und auch der Bundesrat verhindert im Vermittlungsausschuss das Inkrafttreten nicht. Schwer vorzustellen, dass die SPD-regierten Länder aus Loyalität mit ihrem Minister in Berlin bei diesem Gesetz ihre originären Länderinteressen komplett hintenanstellen. In einem zweiten Szenario könnte es über die Sommerpause zu Änderungen und Kompromissen mit den Ländern kommen, die dann ihrerseits auf die Anrufung des Vermittlungsausschusses verzichten. Dann könnte das Gesetz am 1. Januar 2025 in Kraft treten. Ein drittes Szenario sieht so aus, dass die Länder aufgrund fehlender Kompromisse des Bundes das Gesetz mit einer Zweidrittelmehrheit im Bundesrat final ablehnen, so dass dann auch der Bundestag mit einer Zweidrittelmehrheit beschließen müsste, um das Gesetz dennoch in Kraft zu setzen. Ein solcher Vorgang ist beispiellos in der bisherigen Geschichte des Landes, aber durchaus denkbar angesichts der Mehrheitsverhältnisse in den Ländern, die sich auch nach den Landtagswahlen im Osten der Republik nochmals zulasten der A-Länder verschieben könnten.

Unter normalen Umständen dürfte es angesichts der vor uns liegenden Probleme, aber auch mit Blick auf die diskutierten Reformbestandteile kein Hexenwerk sein, einen tragfähigen Kompromiss zu finden. Gerne leisten wir aber auch dabei Unterstützung.

Wir empfehlen Bund und Ländern den folgenden Dreischritt, um die Reform zügig und praktikabel umzusetzen:

1. Beim Thema Krankenhausplanung sollte man sich auf die Regularien des nordrhein-westfälischen Vorbilds konzentrieren und alle weitergehenden Überlegungen, wie Mindestfallzahlen für Leistungsgruppen, neue Ausschlusslisten für onkologische Operationen, die Erfindung zusätzlicher Leistungsgruppen und höherer Strukturanforderungen zumindest im ersten Schritt nicht umzusetzen. Erst, wenn alle 16 Bundesländer das NRW-Modell eingeführt haben und eine Analyse in den Ländern zeigt, welche Effekte damit erreicht werden konnten, sollte über eine notwendige Weiterentwicklung diskutiert werden. Ein solches Vorgehen würde ein erhebliches Streitpotenzial zwischen Bund und Ländern aus dem Weg räumen und dennoch zu einer bundesweit einheitlichen Krankenhausplanung nach Leistungsgruppen führen.

2. Beim Komplex Finanzierungsform sollte auf die im Gesetz konzipierte Vorhaltefinanzierung aufgrund ihrer unübersehbaren Unzulänglichkeiten und Zielverfehlung zunächst verzichtet werden. Vorhandene Finanzierungelemente wie zum Beispiel Notfallstufenzuschläge, Zentrumszuschläge, Sicherstellungszuschläge und andere auf die Struktur eines Krankenhauses gerichtete Finanzierungsbestandteile könnten ausgebaut und kurzfristig zur fallzahlunabhängigen Strukturkostenfinanzierung genutzt werden.

Die weitere inhaltliche Debatte über eine Vorhaltefinanzierung kann dann in Ruhe unter Einbeziehung des notwendigen Expertensachverstands aus der Selbstverwaltung geführt werden.

3. Ein weiteres sehr bedeutsames Feld für tragfähige Kompromisse sehen wir beim Thema Überregulierung und Bürokratieabbau. Krankenhäuser müssen kurzfristig in die Lage versetzt werden, Kosten und Personalressourcen einzusparen, ohne Bedarfsnotwendige Versorgungsstrukturen komplett vom Markt zu nehmen. Kleinteilige Struktur- und Personalvorgaben verbunden mit Kontroll- und Sanktionsorgien verhindern diese notwendige Kostensenkung. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft hat dazu eine umfassende Liste zur Endbürokratisierung und Deregulierung erstellt, auf die die politischen Akteure in der Sommerpause zurückgreifen könnten.

Warum sollte es nicht gelingen, mit Pragmatismus und Kompromissbereitschaft die berühmte Kuh im Sommer vom Eis zu holen? Dazu muss man auch nicht die grundsätzlich richtigen politischen Ziele der Krankenhausreform aufgeben. Der Ball ist rund, und das Spiel dauert mindestens 90 Minuten. Aktuell befinden wir uns in der Nachspielzeit, die ist noch nicht zu Ende.