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Editorial

Nachhaltige Reformen brauchen den Konsens


Zum Ende des Jahres wird sich zeigen, wie gut es gelungen ist, die vor uns liegenden Monate der pandemischen Entspannung zu nutzen, um sich auf möglicherweise kommende Infektionswellen und neue Virusvarianten vorzubereiten.

Diese Lagebeschreibung passt auch zu den notwendigen Reformen im Bereich Krankenhäuser. Der neue Gesundheitsminister muss die kommenden Wochen und Monate nutzen, um grundlegende Reformen klug vorzubereiten.

Die wirtschaftliche Lage der Kliniken duldet keinen weiteren Aufschub. Laut DKI-Krankenhaus-Barometer kalkulieren 60 % der Krankenhäuser für das Jahr 2021 wirtschaftliche Verluste. Gegenüber dem Vorjahr verdoppelt sich damit der Anteil der Kliniken, die rote Zahlen schreiben. Und auch für 2022 erwarten lediglich 22 % eine wirtschaftliche Verbesserung. Über viele Jahre hinweg ist es nicht gelungen, zwischen Bund und Ländern die zentralen Reformziele der Krankenhauspolitik übereinstimmend zu formulieren und die dazu passenden politischen Reformen und Rahmenbedingungen auf den Weg zu bringen. Jetzt ist die Zeit dafür gekommen, und wahrscheinlich haben auch die zurückliegenden zwei Jahre der Pandemie dazu ihren Beitrag geleistet. Die Bedeutung einer verlässlichen und leistungsfähigen Krankenhausversorgung ist allen bewusst, über alle politischen Lager hinweg. Gleichzeitig sind die Probleme der Krankenhäuser im Bereich der Fachkräftesicherung, der Finanzierung und der Digitalisierung für alle sichtbar geworden.

Der Zeitpunkt für eine gemeinsame Politik von Bund und Ländern mit weitreichenden und wirksamen Reformen ist günstig. Das Jahr 2022 könnte zum Meilenstein für eine neue Krankenhauspolitik werden. Die wesentlichen Stichworte dazu finden sich im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung. In einem Bund-Länderpakt sollen Krankenhausplanung und Krankenhausfinanzierung zusammen gedacht und wirkungsvoll reformiert werden. Eine Regierungskommission soll dazu Empfehlungen entwickeln.

Deutschland hat, was die notwendigen Reformen im Gesundheitswesen angeht, kein Erkenntnisdefizit, sondern ein Konsensdefizit. Aus diesem Grund brauchen wir auch keine Regierungskommission aus Wissenschaftlern, die die bekannten Vorschläge unzähliger Studien des Sachverständigenrates und zahlreicher Expertenkommissionen wiederholen und zusammenfassen. Wir brauchen eine Regierungskommission, die den Konsens organisiert. Dabei geht es nicht nur um den Konsens zwischen Bund und Ländern, sondern auch darum, die handelnden Akteure im Versorgungsgeschehen in diesen Konsensbildungsprozess ein zu beziehen.

Die Erfahrungen der letzten 15 Jahre zeigen: Wer in der Krankenhausversorgung, aber auch im Gesundheitswesen insgesamt, grundlegende Reformen erfolgreich umsetzen will, muss neben den fachlich richtigen Entscheidungen vor allem den Prozess organisieren. Ansonsten drohen auch kluge Überlegungen und Ansätze ins Leere zu laufen.

Deutschland hat sich vor vielen Jahrzehnten bewusst und richtigerweise für eine Krankenhausversorgung mit Trägervielfalt

entschieden, wozu auch die vielen Einrichtungen freigemeinnütziger

und kirchlicher Träger gehören. Weitreichende Reformen

im Krankenhauswesen sind deshalb keine rein staatlichen

Veranstaltungen, sondern müssen die Interessen und Besitzstände all dieser Akteure berücksichtigen. Über zwei Drittel aller Beschäftigten im Krankenhaus sind bei privaten, frei gemeinnützigen und kirchlichen Arbeitgebern angestellt. Reformen, die diese Unternehmen, Arbeitgeber und Beschäftigten sehr nachhaltig betreffen, können nur gemeinsam mit diesen organisiert werden. Die Träger der Krankenhäuser organisieren sich trotz heterogener Interessen erfolgreich in der DKG. In einem Positionspapier zur Bundestagswahl 2021 hat die DKG über alle Trägergruppen und Versorgungsstufen hinweg Vorschläge für eine neue Politik gemacht, die zeigen, dass man bereit ist, Verantwortung zu übernehmen auch für einen Strukturwandel, der im Ergebnis zu Standortfusionen, einer stärkeren Zentralisierung komplexer Leistungserbringung und mehr ambulanter Versorgung am Krankenhaus führen kann. Wer die Krankenhausplanung und Krankenhausfinanzierung nachhaltig reformieren möchte, ist deshalb klug beraten, wenn er die Krankenhäuser zu einem Beteiligten dieses Prozesses macht. Die Krankenhäuser stehen bereit, diese Entwicklung konstruktiv mitzugestalten.

DKG-Vorstandsvorsitzender Dr. Gerald Gaß