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Editorial

Keine faulen Kompromisse!


Die Einführung des Pflegebudgets durch den damaligen Gesundheitsminister Jens Spahn war ein Paukenschlag. Die Pflege wurde aus den DRGs ausgegliedert. Jede zusätzliche Pflegekraft wird bezahlt, so das Credo der Politik.

Das Zwischenfazit zum Pflegebudget ist jedoch sehr ernüchternd. In einigen wenigen Bundesländern, etwa in Bayern und in Bremen, ist es gelungen, die hausindividuellen Budgets ganz überwiegend zu vereinbaren. In sieben Bundesländern liegt die Quote abgeschlossener Pflegebudgets für das Jahr 2020 aber noch nicht einmal bei 25 %. Die große Masse der Pflegebudgets ist somit noch nicht vereinbart. Dies zeigt, wie komplex dieses Prozedere für das Gesamtsystem aber auch für jedes einzelne Haus ist. Vielen Budgetabschlüssen ist eine zweistellige Zahl von Verhandlungsterminen vorangegangen. Die Kostenträger verweisen zur Beschleunigung der Budgetabschlüsse auf die Möglichkeit der Krankenhäuser, die Schiedsstelle anzurufen. Dies führt aber häufig nicht zu einer schnellen Vereinbarung, da die Schiedsstellen vielfach mit den Detailfragen zum Pflegebudget überfordert sind. In Abhängigkeit von Genehmigungs- und Klageverfahren kann sich eine Streitfrage bis zu zehn Jahre hinziehen.

Um auch die Krankenhäuser, die noch kein abgeschlossenes Pflegebudget haben, mit Finanzmitteln zur Refinanzierung der Pflegepersonalkosten auszustatten, hat die Politik den vorläufigen Pflegeentgeltwert entwickelt. Dieser für jeden Belegungstag fällige Zahlbetrag soll die Kliniken in die Lage versetzen, ihren Mitarbeitern in der Pflege monatlich die Gehälter zu zahlen, ohne in Liquiditätsschwierigkeiten zu geraten.

Dieser Zahlwert, der für alle Kliniken zurzeit 163 € beträgt, reicht bei weitem nicht aus, um die aktuellen Pflegepersonalkosten der Krankenhäuser zu refinanzieren. Besonders fatal wirkt sich dabei der Fallzahlrückgang in den Pandemiejahren aus, wodurch rund 3 Mio. Fälle und 15 Mio. Belegungstage weniger pro Jahr verbucht werden. Und dies, ohne dass gleichzeitig die Häuser in der Lage wären, ihre Pflegepersonalkosten durch Personalreduktion zu senken. Damit steigen die Pflegepersonalkosten pro Belegungstag drastisch an, ohne dass der Zahlwert angepasst wurde.

Auf Drängen der DKG will die Politik nun im anstehenden Pflegebonus-Gesetz den Pflegeentgeltwert bis zum Jahresende auf 200 € anheben. Problem erkannt – aber nicht gebannt: Denn schon zum 1. Januar 2023 soll der Pflegeentgeltwert wieder auf 171 € sinken. Beide Beträge sind völlig unzureichend, um die aufgelaufenen Zahlungen der Kliniken an ihre Pflegemitarbeiter zu refinanzieren und auch ab Januar 2023 dann auch nur annähernd ein Ausgleich für die Pflegepersonalkosten zu erzielen. Bis zum Jahresende werden die Kliniken über 7 Mrd. € an ihre Beschäftigten überwiesen haben ohne eine entsprechende Refinanzierung durch die Kostenträger.

Es drängt sich der Verdacht auf, dass die Politik diesen vorläufigen Zahlwert, der ja in jedem Fall ausgeglichen wird und selbst bei zu hohem Ansatz keinen Vorteil für die Krankenhäuser bringt, nur deshalb so niedrig ansetzt, um die Kliniken unter Druck zu setzen, in den Budgetabschlüssen den Forderungen der Kassen nachzugeben. Diese ungleiche Verhandlungsposition, bei der die Beitragszahler Negativzinsen für die Guthaben der Krankenkassen bei den Banken bezahlen und die Krankenhäuser gleichzeitig Überbrückungskredite zur Refinanzierung der Pflegepersonalkosten aufnehmen müssen, ist schwer erträglich.

Wir fordern die Politik deshalb auf, ihr Versprechen für eine auskömmliche Pflegefinanzierung wahr zu machen und den Druck von den Krankenhäusern zu nehmen sich auf faule Kompromisse zu Lasten der Pflege einlassen zu müssen. Die Krankenhäuser leisten schon in diesem Jahr und wahrscheinlich auch in 2023 über die drastisch gesunkenen Fallzahlen einen enormen Beitrag zur Sanierung der Kassenfinanzen.

Wenn Karl Lauterbach es ernst meint mit seinem Versprechen, die vollen Pflegekosten zu refinanzieren und jede zusätzliche Pflegekraft zu bezahlen, dann hat er jetzt die Gelegenheit im Rahmen des Pflegebonus-Gesetzes angemessene Pflegeentgeltwerte festzulegen.

Ansonsten müssen wir alle zur Kenntnis nehmen, dass es sich wieder einmal um leere Versprechen für die Pflege handelt. Karl Lauterbach hat mehrfach betont, dass er der Pflege einen höheren Stellenwert einräumen will. Bevor neue politische Initiativen ergriffen werden, sollte man die alten Versprechen einlösen.

DKG-Vorstandsvorsitzender Dr. Gerald Gaß