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Editorial

Impfpflicht quo vadis?

Zunächst einmal die gute Nachricht vorab: Die aktuelle Umfrage des Deutschen Krankenhausinstituts im Auftrag der DKG zeigt, dass wir in den Kliniken eine sehr hohe Impfquote erreicht haben. Fast 90 % aller Mitarbeiter und im Pflegedienst sogar 94 % der Beschäftigten sind aktuell vollständig geimpft, so die Erkenntnisse einer repräsentativen Befragung von rund 250 Krankenhäusern in ganz Deutschland. Ein Erfolg, der nicht zufällig zustande gekommen ist. Die Verantwortlichen an den einzelnen Standorten haben mit viel Engagement für die Immunisierung geworben und die Impfungen vor Ort durchgeführt. Das vor und zurück der Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (StiKo) zu den einzelnen Impfstoffen hat uns diese Aufgabe nicht gerade leicht gemacht, und trotzdem sind die allermeisten Kolleginnen und Kollegen in den Krankenhäusern den Weg mitgegangen. Zum 15. März tritt jetzt die einrichtungsbezogene Impfpflicht in Kraft, die alle im Krankenhaus, aber auch in allen anderen Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen Tätigen in Deutschland betreffen wird. Die Krankenhausträger und auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft haben diese politische Initiative breit unterstützt, obwohl uns bewusst ist, dass dies in letzter Konsequenz auch dazu führen wird, dass einige wenige, die sich dieser Impfpflicht verweigern, nicht weiterbeschäftigt werden können. Wir haben diese Entscheidung der Politik aber auch immer mit dem Hinweis darauf verbunden, dass dies nur der erste Schritt sein kann auf dem Weg zu einer allgemeinen Impfpflicht für die gesamte Bevölkerung. Denn letztlich wird es schwer vermittelbar sein, dass diejenigen, die sich um die Patienten kümmern, eine Impfpflicht akzeptieren, aber die Patienten allein mit Blick auf ihre persönliche Abwägung sich für oder gegen eine Impfung entscheiden. Die trotz Impfung infektionsbedingten Personalausfälle werden steigen und gleichzeitig wächst auch die Zahl der Patientinnen und Patienten, die in den Krankenhäusern Hilfe suchen. Wenn sich dann unsere geimpften Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in großer Zahl um Ungeimpfte kümmern müssen und gleichzeitig andere Patienten auf die Warteliste gesetzt werden, entsteht zu Recht Unverständnis vor Ort. Das sollte die Politik nicht unterschätzen. Die allgemeine Impfpflicht muss kommen und muss von einer breiten politischen Basis getragen werden.

Aber auch die einrichtungsbezogene Impfpflicht wirft noch viele Fragen auf, die nicht erst zum 15. März geklärt werden dürfen. Dieses Instrument braucht klare Regeln. Im Moment ist nicht erkennbar, auf welcher Basis die zuständigen Gesundheitsämter die Einzelfälle ungeimpfter bzw. nicht-genesener Beschäftigter im Gesundheitswesen beurteilen werden. Zu welchem Zeitpunkt sind die Arbeitgeber berechtigt oder vielleicht sogar gezwungen, Mitarbeiter ohne Nachweis in die unbezahlte Freistellung zu schicken? Wann ist der Punkt erreicht, bei dem auch eine Kündigung rechtswirksam ausgesprochen werden kann? Wie gehen die Gesundheitsämter mit der Vielzahl an Begründungen um, wonach eine Impfung aus medizinischen Gründen nicht in Anspruch genommen werden kann? Und welche Übergangsfristen gelten für die Mitarbeiter, die sich vollständig mit dem erst im Februar auf den Markt kommenden Impfstoff Novavax impfen lassen wollen? Die Arbeitgeber, aber auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, müssen sich darauf verlassen können, dass die Regeln praktisch umsetzbar sind und auch deutschlandweit einheitlich angewendet werden. Es darf nicht zu Ungerechtigkeiten und unterschiedlichen Maßstäben kommen, die dann niemandem mehr erklärt werden können.

Es kann auch nicht sein, dass quasi wöchentlich durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse die Maßstäbe für mögliche Ausnahmeregelungen von der Impfpflicht oder die Gültigkeitsdauer von Impf- oder Genesenennachweisen angepasst werden. Die einrichtungsbezogene Impfpflicht und deren Konsequenzen greifen tief in hoch geschützte arbeitsrechtliche Konstrukte ein. Die Regelungen müssen deshalb verlässlich, juristisch abgesichert und vor den Arbeitsgerichten haltbar sein.

Die Pandemie verlangt uns allen viel ab. Gerade die Krankenhäuser und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben in den zurückliegenden zwei Jahren viel geleistet. Wir erwarten von der Politik, dass sie sich jetzt nicht wegduckt, sondern die Verantwortung übernimmt, die ihr zukommt.

DKG-Vorstandsvorsitzender Dr. Gerald Gaß