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Editorial

El Comandante Karl Lauterbach


Sicher nicht ohne Grund hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach den Nikolaustag dieses Jahres ausgewählt, um der gesammelten Hauptstadtpresse seine Revolution in der Gesundheitspolitik vorzustellen. Nichts Geringeres als die Überwindung der Ökonomie zu Gunsten der Medizin und den Vorrang von Qualität in der Patientenbehandlung gegenüber wirtschaftlichen Erwägungen hatte er zur Bescherung der gesamten gesundheitspolitischen Öffentlichkeit mitgebracht. Assistiert von namhaften Experten der Regierungskommission erklärte er, warum alle bisherigen Anstrengungen anderer Akteure nicht radikal genug seien, um diese hehren Ziele zu erreichen. Und tatsächlich, es war wie an einem klassischen Nikolausmorgen, die Beschenkten wussten zwar, dass etwas im Stiefel stecken würde, aber was es sein könnte, war unbekannt. Interessanterweise waren nicht nur die viel gescholtenen Akteure der Selbstverwaltung (alles Lobbyisten, so Lauterbach) ahnungslos, selbst die Parlamentarier der Ampelfraktionen und die Vertreter der Länder hatten das Papier der Regierungskommission nicht zu sehen bekommen.

Es gäbe neue Spielregeln zu verkünden, so der Minister. Die Spieler würden allerdings die gleichen bleiben und dürften weiterhin mitspielen, wenn sie sich an die neuen Regeln halten. Dieser freundliche Hinweis galt nicht nur den Partnern in der Selbstverwaltung, sondern auch den Ländern.  Alles, was sich die Regierungskommission ausgedacht hat, davon ist Bundesgesundheitsminister Lauterbach überzeugt, kann allein durch Bundesrecht, im Zweifel auch ohne die Zustimmung der Länder, durchsetzt werden.

Das Selbstverständnis der Regierungskommission war ebenfalls eindrucksvoll zu erleben. Besonders bemerkenswert sei  gewesen, so ein Regierungskommissionsmitglied, dass man frei von jeder politischen Vorgabe seine Gedanken habe aufschreiben können. Wer bisher geglaubt hat, dass ein Koalitionsvertrag oder demokratisch gewählte Parlamente die Richtung einer Revolution im Gesundheitswesen- mit Auswirkungen für alle Bürgerinnen und Bürger - in ihren Eckpunkten bestimmen, sah sich eines Besseren belehrt.

Eine freihändig zusammengestellte Gruppe, die man an einem wesentlichen Teil der sozialen Daseinsvorsorge  ausprobieren lässt, durfte frei gestalten, und jetzt will die Regierungskommission auch gleich die Umsetzung ihrer Revolution in die Hand nehmen.

Da kann auch mal übersehen werden, dass von der Regierungskommission für die Umsetzung der Revolution vereinnahmte Institutionen, etwa das INEK, keine Behörde des Bundesgesundheitsministeriums sind, sondern ein Institut des GKV-Spitzenverbands und der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Aber Eigentumsrechte lassen sich genauso ändern, wie man Gesetze ändern kann. Vor allem, wenn die demokratisch gewählten Abgeordneten froh sind, dass eine Kommission ihre Arbeit macht.

Nun kommt es auf die Länder an. Vielleicht sind aber am Ende auch die froh, dass die Regierungskommission dort Ordnung schafft, wo nach Meinung des Ministers die Länder versagt haben. Warum auch nicht einfach mal ausprobieren, ob es mit der Hälfte oder einem Drittel der bisherigen Krankenhausstandorte viel besser klappt. Falls sich das als fataler Irrtum erweisen sollte, weil ja weder eine Bedarfsanalyse noch eine Auswirkungssimulation Grundlage der Empfehlungen der Regierungskommission sind, alles nicht so schlimm. Denn dann sind die, die jetzt Verantwortung tragen, längst nicht mehr im Amt. So können dann die, die zukünftig zuständig sind, auf die, die damals zuständig waren, verweisen. Nur dumm für die Patienten, die keine angemessene Versorgung mehr finden. Wenn alle Stricke reißen, findet Mann/Frau sicher auch noch eine Level 1 i Einrichtung als Krankenhausersatz, wo, wenn es gut läuft, hin und wieder auch mal ein Arzt oder eine Ärztin vorbeischaut.

Wer glaubt, dass sich Revolutionen und deren konkrete Auswirkungen prognostizieren und planen ließen, ist ein kleingeistiger Lobbyist und hat aus der Historie nichts gelernt. Revolutionen haben ihre eigenen Gesetze und ihre eigene Dynamik. Man weiß nie so ganz genau, was draus wird, aber die Revolutionäre fühlen sich großartig dabei, und darauf kommt es ja schließlich an. Deshalb Augen zu und durch, Ihr Verzagten, auf geht’s in die neue Welt.

DKG-Vorstandsvorsitzender Dr. Gerald Gaß