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Editorial

Ein Neues Jahr ohne Zuversicht


Foto: privat

Die Präsentation der jährlichen Umfrage des Deutschen Krankenhaus Instituts (DKI) zur Stimmung in den Krankenhäusern ist stets wissenschaftlich-nüchtern. Methodisch und rational werden die Daten im Krankenhaus Barometer aufgearbeitet und nachvollziehbar präsentiert. Die Stimmung in den Kliniken, die daraus präzise ablesbar ist, ist weniger kühl: Sie ist düster und verzweifelt.

Knapp 40 Klinikinsolvenzen gab es 2023. Für das beginnende Jahr 2024 könnte sich diese Zahl wegen der absehbar starken Steigerungen der Personalkosten noch verdoppeln.

Nur 20 % der Kliniken in Deutschland blicken Ende des vergangenen Jahres noch auf ein ausgeglichenes oder gar positives Ergebnis. Gerade noch 7 % der Kliniken erzielen einen Jahresüberschuss. Für das Jahr 2024 gehen 71 % der Krankenhäuser von einer weiteren Verschlechterung ihrer wirtschaftlichen Situation aus.

Auch anderer Branchen leiden unter den Auswirkungen der Inflation und der massiven Preissteigerungen. Sie aber können diese an den Kunden weitergeben, indem sie die Preise anpassen. Die Kliniken haben diese Möglichkeit nicht.

Nach Protesten der Bauern lenkte die Bundesregierung schnell ein. Die Landwirte demonstrierten weiter öffentlichkeitswirksam, weil Vergünstigungen beim Agrardiesel schrittweise abgeschmolzen werden sollen. Nach Streiks der niedergelassenen Ärzte kündigte Lauterbach die Aufhebung der Honorarobergrenzen für Hausärzte an. Können die Kliniken auf zusätzliche Steuergelder aus dem Bundeshaushaushalt hoffen?

Die gleichsam händeringenden Forderungen nach einem sofortigen Ausgleich in Form eines „Vorschaltgesetzes“, um die Krankenhäuser zu sichern für die Zeit, bis die Krankenhausreform greifen kann, stößt bisher auf taube Ohren. Der Bundeshaushalt 2024 beinhaltet vor allem eines: Kürzungen. Nachdem das Bundesverfassungsgericht im November eine Umschichtung von Krediten im Bundeshaushalt als verfassungswidrig gekippt hatte, muss die Regierung im Etat 2024 17 Mrd. € einsparen.

Nicht weniger als eine Revolution der stationären Versorgung versprach Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach mit seiner geplanten Krankenhausreform. Vorschläge hierfür hatte vor mehr als einem Jahr die „Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung“ vorgelegt.

Seit Monaten ringen Bund und Länder um die Umsetzung der Eckpunkte. Noch heftiger scheint das Ringen um das die Reform zum Teil konterkarierende Krankenhaustransparenzgesetz. Die Länder, die das Krankenhaustransparenzgesetz im Bundestag in den Vermittlungsausschuss überweisen haben, fordern nicht nur eine grundlegende Überarbeitung, sondern zudem 5 Mrd. € zusätzliche Hilfen für die Krankenhäuser. „Wir können mit Insolvenzen keine Krankenhausreform machen“, sagte Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) als er im Rahmen des Deutschen Krankenhaustages seine Bundesratsinitiative für ein Vorschaltgesetz ankündigte.

Bundesminister Lauterbach hat zusätzliche Hilfen über ein Vorschaltgesetz immer wieder abgelehnt – und auf die Verpflichtung der Länder zur Investitionsfinanzierung hingewiesen, die wiederum von den Ländern über viele Jahre nur sehr ungenügend erfüllt wurde.

Die Krankenhäuser und ihre Verbände haben immer betont, eine Reform der Krankenhausstruktur mittragen zu wollen – auch, wenn Klinikschließungen damit einhergehen. Ein solche Reform muss aber verantwortungsvoll geplant und zusammen mit den Kliniken gestaltet werden. Der viel beschworene „kalte Strukturwandel“, dem sich die Krankenhäuser nun auf das Heftigste ausgesetzt sehen, gefährdet akut ihre Existenz – und damit die stationäre Versorgung in Deutschland insgesamt. Der Schaden für die Versorgung ist 2023 in vielen Regionen bereits sichtbar geworden.

„Revolution“ sieht anders aus. Jede Revolution ist von der Hoffnung der Menschen auf Besserung getragen. Hoffnung hat auch mit Vertrauen zu tun. Wenn die Menschen in Deutschland die Gewissheit und das Vertrauen verlieren, im Falle einer Erkrankung schnell und wohnortnah Hilfe zu finden, ist ein wichtiges Fundament des Zusammenhalts und der Demokratie in Gefahr. In diesem Jahr werden die Parlamente in drei ostdeutschen Bundesländern, in vielen Kommunen und in Europa neu gewählt. In Berlin muss in nicht wenigen Bezirken die Abstimmung zur Bundestagswahl von 2021 wiederholt werden.

Katrin Rüter, Chefredakteurin