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Editorial

Ambulant vor stationär am Krankenhaus


Drei Millionen zusätzliche Patientinnen und Patienten will die KBV gerne aus den Krankenhäusern übernehmen und in den Strukturen der niedergelassenen Fachärztinnen und Fachärzte behandeln. Wer sich in diesen Tagen mit niedergelassenen Ärzten dazu austauscht, erntet überwiegend Kopfschütteln, denn dort schätzt man die Behandlungskapazitäten weitaus realistischer ein als auf der Ebene des KBV-Vorstands.

Nun könnte man vonseiten der Krankenhäuser an dieser Stelle gelassen sein, denn die Fakten sprechen eine deutliche Sprache: Rund 40 % der niedergelassenen Anästhesisten und rund 30 % der Chirurgen und Orthopäden sind heute schon 60 Jahre und älter. Die Nachbesetzung dieser für ambulante Operationen besonders bedeutsamen Facharztsitze dürfte zumindest außerhalb der Ballungsgebiete noch schwieriger werden als sie heute schon ist, und auch ein weiterer Umstand zeigt, wie knapp die Kapazitäten der niedergelassenen Ärzte sind, zusätzliche Patientinnen und Patienten aufzunehmen. Die Wartezeiten, gerade im ambulanten fachärztlichen Bereich, auf einen freien Termin liegen oftmals bei sechs Monaten und länger.

Also Entwarnung, abwarten und die Anspruchshaltung der KBV gelassen ignorieren? Nein, das wäre in der gegenwärtigen Situation fahrlässig. Denn die Kliniken müssen aufpassen, dass im Zuge der jetzt laufenden Umbruchphase keine politischen Entscheidungen getroffen werden, die die Bedingungen für die Krankenhäuser noch weiter verschlechtern. In diesen Wochen geht es um die Ersatzvornahme des Bundesgesundheitsministeriums für die sogenannte Hybridversorgung nach §115f SGBV. Eine Aufgabenstellung, die im vergangenen Jahr kurzfristig ins Gesetz geschrieben wurde und bei der die dreiseitigen Verhandlungen zwischen GKV, KBV und DKG gescheitert waren. Ursächlich für dieses Scheitern waren schon damals die Maximalforderungen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, die am liebsten alle Patienten mit einer Verweildauer von unter vier Tagen potenziell auch im ambulanten Bereich versorgen wollte. Selbstverständlich gilt dieses Interesse der KBV nur bei Vergütungen jenseits des EBM in der Nähe einer Krankenhaus-DRG. Dass hier dann auch der GKV-Spitzenverband hellhörig wurde und Zurückhaltung signalisierte, dürfte niemanden überrascht haben. Jetzt liegt der Ball im Spielfeld des BMG, das bei der Ersatzvornahme für solche sektorenübergreifende Versorgungsangebote mit Hybrid-DRG-Vergütung erstmals den Rahmen zu gestalten hat. Aus Sicht der DKG muss dieser Schritt der Ambulantisierung bisher stationärer Patienten mit Augenmaß für die Patientensicherheit und mit dem Blick auf die anstehenden Veränderungen in der Kliniklandschaft durch die Krankenhausreform erfolgen. Wenn es Bund und Länder ernst meinen mit der perspektivischen Umgestaltung kleinerer Krankenhausstandorte zu regionalen Gesundheitszentren mit sektorübergreifendem Versorgungsauftrag, dann muss diesen Standorten auch primär die Aufgabe der Hybridversorgung übertragen werden.

Diese Krankenhausstandorte verfügen heute über die personellen und medizintechnischen Voraussetzungen, um auch komplexere ambulante Operationen sicher und qualitätvoll durchführen zu können. Risiken und Komplikationen können durch die dort vorhandenen stationären Strukturen im Interesse der Patienten adäquat aufgefangen werden.

Die Politik darf jetzt bei dieser Weichenstellung nicht zulassen, dass vor den Toren dieser Krankenhäuser ambulante Operationszentren als Parallelstruktur entstehen, die dann die für die Versorgung notwendigen Fachärztinnen und Fachärzte aus den Krankenhausstandorten abwerben. Wenn das passiert, können alle guten Ideen zur Umwandlung kleinerer Krankenhausstandorte in sektorenübergreifende Versorgungszentren zu den Akten gelegt werden. Dann fehlt dort das notwendige Fachpersonal, um die vielfältigen Aufgaben dieser Gesundheitszentren bei der regionalen Grundversorgung auch jenseits ambulanter Operationen realisieren zu können. Jetzt kommt es auf die Politik an, die richtigen Entscheidungen zu treffen.

DKG-Vorstandsvorsitzender Dr. Gerald Gaß