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Thema des Monats

Aus- und Weiterbildung: Im Gespräch


Alfred Stockinger, Pflegedirektor am UKR (Foto: UKR)


Birgit Heinze, MSc, Pflegeexpertin ANP-ECMO (Foto: UKR)


Marc Dittrich, MSc, Pflegeexperte ANP-CC (Foto: UKR)

Mit Alfred Stockinger, Pflegedirektor am UKR, Birgit Heinze, MSc, Pflegeexpertin ANP-ECMO, Marc Dittrich, MSc, Pflegeexperte ANP-CC

Das Pflegeberufereformgesetz 2017 stärkt die hochschulische Erstausbildung in der Pflege. In Ihrem Haus werden akademisch ausgebildete Pflegeexperten, „Advanced Nursing Practice“-Experten, erfolgreich eingesetzt. Welches sind die wesentlichen Fähigkeiten dieser Experten?

Alfred Stockinger: Zwingend notwendig ist die praktische Erfahrung in dem jeweiligen Handlungsgebiet als Zentralkompetenz. Dazu kommen die Kernkompetenzen, die zu den erweiterten Fähigkeiten führen: Clinical Leadership, Coaching und Beratung, Teamfähigkeit, wissenschaftliche Expertise und Forschungskompetenzen, ethische Entscheidungsfindung sowie pädagogische Fertigkeiten für die Lehre. Dies alles geschieht im Umfeld der direkten klinischen Praxis am und mit dem Patienten.

Welche Aufgaben haben Sie, wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?

Marc Dittrich: Ich bin in der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin II tätig, die auf die Bereiche Kardiologie, Pneumologie und internistische Intensivmedizin spezialisiert ist. Wird zum Beispiel ein Patient von Intensiv- auf Allgemeinstation verlegt, beurteile ich im Rahmen eines Patienten-Screenings und in Zusammenarbeit mit der Pflege vor Ort, ob bei dem Patienten ein erweiterter Pflegeaufwand besteht. Ist dies der Fall, bespreche ich mich mit den behandelnden Ärzten, entwickle die notwendigen pflegerischen Maßnahmen und führe diese entweder selbst durch oder leite das Pflegeteam entsprechend an.

Birgit Heinze: Ich betreue Patienten, die an eine ECMO (Herz-Lungen-Maschine) angeschlossen sind. Im Rahmen der Pflegevisite besuche ich diese Patienten täglich, kläre mit der Pflege vor Ort ab, ob es pflegerische Auffälligkeiten gibt und ob Unterstützungsbedarf besteht. Im Dienst bin ich jederzeit auf Rufbereitschaft, denn sobald Zwischenfälle eintreten, ist eine schnelle Reaktion gefragt, da der Patient auf die Maschine angewiesen ist und sein Leben davon abhängt. Mein Wissen rund um die ECMO an Kollegen weiterzugeben und diese im Umgang mit dem Gerät zu schulen, ist ein weiterer wichtiger Bestandteil meiner Arbeit. Gerade bereite ich zum Beispiel den ersten dreitägigen, deutschsprachigen und interdisziplinär durchgeführten Pflege-ECMO-Kurs vor, der im Herbst am UKR stattfindet, und bei dem auch Interessierte aus externen Häusern herzlich willkommen sind. Zudem betreibe ich auch Pflegeforschung zu Patienten mit ECMO, etwa zur Frage, wie wache Patienten eine ECMO-Behandlung erleben.

Wie sind die ANP-Experten in den Krankenhausbetrieb integriert?

Alfred Stockinger: Die Struktur der Integration richtet sich nach dem Handlungsfeld. Die ANP für ECMO ist übergreifend für alle Intensivstationen zuständig, auf denen Patienten mit ECMO behandelt werden. Der ANP für CC ist für die Klinik für Innere Medizin 2 (Kardio, Pulmo, intern. Intensiv) zuständig und somit dort ansässig. Die situative Integration innerhalb der pflegerischen und interprofessionellen Teams wurde durch die vorangehende langjährige Tätigkeit der ANPs im Unternehmen unterstützt.

Welche Verantwortung, welche Aufgaben übernimmt ein ANP-Experte in einem multiprofessionellen Team – gegenüber der Ärzteschaft, den Pflegenden und der Krankenhausleitung?

Birgit Heinze: Sie vermitteln zwischen Pflege und Ärzten, sind ein „Sprachrohr“ der Pflege zum Beispiel bei Arbeitskreistreffen. Gleichzeitig sind die ANP-Experten Fürsprecher aus der Patientenperspektive, sie vertreten den pflegewissenschaftlichen Standpunkt und unterstützen sich gegenseitig mit ihrer individuellen Expertise, leisten auch externe Netzwerkarbeit. Sie unterstützen die Pflege mit fachlicher, wissenschaftlicher Beratung und Schulungen. Sie haben durch ihre Expertise auch Vorbildfunktion und übernehmen Verantwortung.

Wie groß ist die Akzeptanz vonseiten der Pflegekräfte und der Ärzte im Team?

Marc Dittrich: Anfangs gab es einige Skepsis, vor allem von den direkten Kollegen. Je länger die Stelle nun besteht und je mehr Unterstützung gegeben wird, desto mehr hat man das Gefühl, akzeptiert zu werden. Diese Akzeptanz muss man sich natürlich erst mit der Zeit verdienen. Tatsächlich war zu Beginn die Akzeptanz vonseiten der Ärzte im direkten Umfeld größer als beim Pflegepersonal selbst.

Mittlerweile zeigen die Ergebnisse der Evaluation der Implementierung jedoch, dass die Mitarbeiter zahlreiche Vorteile für sich und die Patienten erkennen. Diese Akzeptanz scheint dann einzutreten, wenn die Kollegen durch Erfolge in der veränderten Praxis überzeugt werden konnten.

Wer eignet sich für eine Hochschulausbildung zum „Advanced Nursing Practice“-Experten?

Birgit Heinze: Für das Masterstudium eignen sich motivierte Pflegende mit einem Bachelorabschluss in Pflege (Pflegewissenschaft, Pflege dual, Pflegepädagogik), die bereits eine mehrjährige Berufserfahrung und ein vertieftes Wissen für das angestrebte ANP-Feld mitbringen. Eine ANP-Tätigkeit auf dem Qualifikationsniveau Bachelor auszuüben, entspricht nicht der ICN Definition von ANP und dem internationalen Vergleich.

Wie wirken die akademisch ausgebildeten Pflegeexperten auf die Versorgungsstruktur der Kliniken?

Alfred Stockinger: Das ANP-Team soll eine kontinuierliche und nachhaltige Patientenbetreuung sicherstellen. Sie unterstützen die direkte Patientenversorgung in komplexen und sensiblen Bereichen und entlasten so die Standardpflege. Gleichzeitig steigen die Versorgungsqualität und damit auch die Patientenzufriedenheit, denn die Patienten erhalten neben der Standardpflege eine zusätzliche intensive und individualisierte Versorgung. Die neue Versorgungsstruktur findet sowohl bei Mitarbeitern als auch Patienten und Angehörigen große Anerkennung.

Die Herausforderungen im Gesundheitswesen brauchen visionärer Rollenbilder mit einem patientenzentrierten Ansatz. Wirkung und Auswirkung zu evaluieren, ist zentral für die Weiterentwicklung sowie für die Implementierung zukünftiger Advanced-Practice- Rollen in weiteren Bereichen der Patientenversorgung. Derzeit befinden sich am UKR ANP-Modelle für die Pflege von Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen und kognitiven Einschränkungen (Demenz und Delir) sowie Palliativ- und Schlaganfall-Patienten im Aufbau.

Hat sich das Modell der „Advanced Nursing Practice“-Experten aus Ihrer Sicht bewährt?

Alfred Stockinger: Wir sind gerade im Bewährungsprozess, da es alle ANP-Stellen noch nicht wirklich lange gibt. Aber die Entwicklung hin zu ANP stellt einen Kulturwandel in der klinischen Versorgung dar, der auf lange Sicht betrachtet werden muss. Eine Stelle wurde jedoch bereits evaluiert, die von Marc Dittrich als ANP Critical Care. Dabei gab es seitens der befragten Pflegekräfte überwiegend positive Reaktionen.

Das tägliche Feedback und die Inanspruchnahme des ANP-Angebots zeigen, dass der Bedarf, aufgrund dessen die ANP Rolle entwickelt wurde, vorhanden ist und auch erkannt wird

Neue Rollen in der Pflege

Die Integration von Pflegeexperten auf Masterniveau stellt in Kliniken deutschlandweit bisher noch eine Ausnahme dar. Am Universitätsklinikum Regensburg (UKR) wurde diese neue Versorgungsstruktur bereits erfolgreich etabliert, indem Pflegeexperten die Patientenversorgung in sensiblen und komplexen Bereichen unterstützen.

Die Zunahme hochinvasiver und spezialisierter Behandlungsverfahren und der damit verbundene erhöhte Pflege- und Überwachungsbedarf der betroffenen Patienten sind wesentliche Herausforderungen, die den Arbeitsalltag von Pflegenden in einem Klinikum der Maximalversorgung wie dem UKR kennzeichnen. Um dieser Entwicklung noch besser gerecht werden zu können, müssen Kliniken ihre Versorgungsstrukturen anpassen – ein Weg, den das UKR unter anderem durch den Einsatz hochschulisch gebildeter Pflegekräfte auf Masterniveau geht.

Birgit Heinze und Marc Dittrich gehören zu den ersten Absolventen in Süddeutschland, die den Masterstudiengang ANP im Bereich Akutpflege erfolgreich abschlossen. Ihr zweijähriges Vollzeitstudium an der Evangelischen Hochschule Nürnberg und der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg kombinierte pflegewissenschaftliche Inhalte mit Praxiseinsätzen und bereitete sie optimal auf ihre Tätigkeit als Pflegeexperten am UKR vor. Auch ein Auslandseinsatz, beispielsweise in Skandinavien oder dem anglo-amerikanischen Raum, in denen ANP-Modelle bereits seit vielen Jahren in das klinische Handeln verankert sind, ist Teil des Masterstudiums.