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Politik

TAVI-Mindestmengen: IQTIG-Daten sind ein Paukenschlag

PD Dr. Michael A. Weber, Prof. Dr. Christoph Stellbrink, Prof. Dr. Volker Schächinger, Prof. Dr. Hans Martin Hoffmeister

Endlich liegen die Ergebnisse aus dem laufenden TAVI-Qualitätssicherungsverfahren des IQTIG für 2018 und 2019 vor. Seit Monaten hatte sich die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK) bemüht, die Daten für eine Analyse zu erhalten. Diese konnte jetzt durch Dr. Kurt Bestehorn im Auftrag der DGK erfolgen. Unter dem Titel: „TAVI: Volumen und Mortalität – Analyse der IQTIG-Daten 2018/2019“ wurden sie am 8. April 2021 auf der 87. Jahrestagung der DGK von Prof. Dr. Karl-Heinz Kuck vorgetragen1). Die Ergebnisse sind ein Paukenschlag. Deshalb stellen wir sie hier im Kern vor als Update zu unserem Artikel „Mindestmengen G-BA: Sündenfall TAVI“ (das Krankenhaus 8/20202)). Dieser Beitrag liest sich jetzt nahezu prophetisch.

In Deutschland wurde in 2018 bei 19 440 und in 2019 bei 22 811 Patienten eine TAVI-Prozedur durchgeführt. Das mittlere Alter der Patienten war mit jeweils 81 Jahren hoch. Die Krankenhausmortalität betrug im Mittel 2,6 % bzw. 2,4 %, die beobachtete risikoadjustierte Sterblichkeit lag in beiden Jahren unterhalb der Erwarteten (O/E < 1,0). Es ergab sich weder im Jahre 2018 noch in 2019 eine Korrelation zwischen der Menge der durchgeführten Eingriffe und der risikoadjustierten Sterblichkeit.

Insgesamt lag die Sterblichkeit in einem sehr niedrigen Bereich, unterhalb der Vorjahre3). In den Kliniken mit niedrigeren Mengen bestand naturgemäß eine größere Streuung der Werte, aber es waren sowohl Zentren mit über- als auch unterdurchschnittlicher Mortalität vorhanden. Keine der in einem Simulationsmodell analysierten Mindestmengen-Schwellenwerte von > 50, > 100 oder > 150 TAVI-Prozeduren würde daher zu einer Veränderung der Mortalität des Eingriffes über ganz Deutschland gesehen führen.

Die Ergebnisse zeigen im internationalen Vergleich in Deutschland in kleineren wie auch in größeren Zentren eine sehr gute Qualität. Dies ist sicher einer der wesentlichen Gründe, warum sich ein Zusammenhang zwischen Leistungsmenge und Ergebnisqualität nicht mehr nachweisen ließ. Des Weiteren ist die TAVI-Prozedur einer ständigen planerischen, technischen und prozeduralen Verbesserung unterworfen. Möglicherweise ist ein wie auch von anderen Verfahren bekannter Effekt eingetreten, dass die notwendige Mindestzahl zum Erreichen guter Ergebnisse mit zunehmender Perfektionierung der Methode abnimmt4).

Man kann zudem kardiologische Verfahren nicht so bewerten wie klassische chirurgische Verfahren. Neben der Erfahrung von Operateur und Zentrum weisen Katheterinterventionen einen hohen Grad der Standardisierung auf, sodass der Optimierung von Material und Implantationstechnik ein relativ größerer Stellenwert zukommt. Sicherlich haben auch die bereits zuvor von der DGK unternommenen Anstrengungen zur Definition von Qualitätsanforderungen an TAVI-Zentren5) dazu geführt, dass der Eingriff in Deutschland auch in kleineren Zentren bereits in sehr guter Qualität durchgeführt wird.

Die Daten bestätigen die Auffassung der Autoren zu Mindestmengen. Diese gelten als ein wichtiges Instrument zur Qualitätsverbesserung durch die Verhinderung von Gelegenheitseingriffen. Eine generelle Bewertung der Qualität anhand von Mindestzahlen ohne adäquate, wissenschaftliche Überprüfung und Evidenz ist aber nicht möglich und u.U. sogar schädlich, da auch Zentren mit sehr guter Qualität von der Leistungserbringung ausgeschlossen werden würden. Aus Studien oder Registern müssen sich für jeden einzelnen Eingriff deutliche Hinweise auf einen positiven Zusammenhang zwischen Anzahl der durchgeführten Leistungen und Qualität des Ergebnisses belegen lassen. Dass dies nicht immer der Fall ist, belegen die aktuellen IQTIG-Daten eindrücklich. Mindestmengen sind kein Allheilmittel, auch wenn Politik und Krankenkassen das immer wieder gerne wollen, weil es so schön einfach und anscheinend überzeugend klingt. Dem G-BA kommt in der Festlegung der Mindestmengen eine besondere Verantwortung zu und seinem Beurteilungsspielraum sind durch solche Studienergebnisse klare Grenzen gesetzt. Die Daten zeigen eindeutig: Niedrige Mengen schließen gute Qualität nicht aus. Dies muss dann auch vor Ort berücksichtigt werden. Deshalb müssen die Bundesländer auch ihre Befugnis behalten, in Einzelfällen Ausnahmen von festgelegten Mindestmengen machen zu können. Man muss der Versuchung widerstehen, Konkurrenzkämpfe über Mindestzahl-Diskussionen auszutragen oder über diesen Mechanismus eine politisch erwünschte Strukturbereinigung zu realisieren.

Als logische Schlussfolgerung aus den Daten ergibt sich, dass es in Deutschland keiner Veränderung der von der DGK in einem älteren Positionspapier6) bereits vorgeschlagenen Mindestmenge bei TAVI von 50 Prozeduren pro Zentrum und 25 pro Operateur bedarf. Die Prozedur ist ohnehin durch die Richtlinien des G-BA äußerst streng reguliert. Wir hoffen, dass sich die sehr emotionsgeladene Diskussion zu Mindestmengen durch diese Analyse am Beispiel TAVI versachlicht. Es täte der Versorgungsqualität und -sicherung gut.

Mit der nun dokumentierten hohen Sicherheit der TAVI-Prozedur wird sich die Frage stellen, ob die zwingende Vorhaltung einer eigenen Fachabteilung für Herzchirurgie immer noch gerechtfertigt ist oder andere Formen der Kooperation zwischen Kardiologie und Herzchirurgie inzwischen vertretbar sind. Wir sind gespannt auf entsprechende Analysen der IQTIG-Daten, welche diesen Aspekt untersuchen.

Literatur

1) K.H. Kuck, K. Bestehorn, H. Möllmann, A. Zeiher: TAVI: Volumen und Mortalität-eine Analyse der IQTIG Daten 2018/2019 Vortrag Sitzung TAVI 87. DGK Jahrestagung am 6. April 2021 16:45Uhr, https://dgk.meta-dcr.com/jt2021/ crs/tavi-volumen-und-mortalitat-eine-analyse-der-iqtig-daten-2018-2019, abgerufen 7. April 2021

2) M.A. Weber, Ch. Stellbrink, V. Schächinger, H.M. Hoffmeister: Mindestmengen G-BA: Sündenfall TAVI das Krankenhaus 8.2020, Seite 652–654 3) K. Bestehorn, H. Eggebrecht, E. Fleck et al.: Volume-outcome relationship with transfemoral transcatheter aortic valve implantation (TAVI): insights from the compulsory German Quality Assurance Registry on Aortic Valve Replacement (AQUA). EuroIntervention 2017; 13:914–920 

4) K. Kaier, V. Oettinger, H. Reinecke et al.: Volume-outcome relationship in transcatheter aortic valve implantations in Germany 2008-2014: a secondary data analysis of electronic health records. BMJ Open 2018;8:e020204. doi:10.1136/bmjopen-2017-020204

5) K.H. Kuck, S. Bleiziffer, H. Eggebrecht et al.: Konsensuspapier der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) und der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG) zur kathetergestützten Aortenklappenimplantation (TAVI) 2020. Kardiologe 2020; 14:182–204

6) K.H. Kuck, H. Eggebrecht, A. Elsässer et al.: Qualitätskriterien zur Durchführung der kathetergestützten Aortenklappenimplantation (TAVI). Kardiologe 2016; 10:282-300

Anschrift der Verfasser

Priv. Doz. Dr. med. Michael A. Weber, Verband der leitenden Krankenhausärzte Deutschlands e.V., Tersteegenstr. 9, 40674 Düsseldorf, weber@vlk-online,de/Prof. Dr. med. Christoph Stellbrink, Arbeitsgemeinschaft leitende kardiologische Krankenhausärzte, Klinik für Kardiologie und Internistische Intensivmedizin, Klinikum Bielefeld Mitte, Teutoburger Straße 50, 33604 Bielefeld, christoph.stellbrink@klinikumbielefeld.de/ Prof. Dr. med. Volker Schächinger, Arbeitsgemeinschaft leitende kardiologische Krankenhausärzte, Medizinische Klinik I –Kardiologie, Angiologie, Intensivmedizin, Herz-Thorax-Zentrum Fulda, Pacelliallee 4, 36043 Fulda, volker.schaechinger@ klinikum-fulda.de/Prof. Dr. med. Hans Martin Hoffmeister, Berufsverband Deutscher Internisten e.V., Klinik für Kardiologie und Allgemeine Innere Medizin, Klinikum Solingen, Gotenstr. 1, 42653 Solingen, hoffmeister@klinikumsolingen.de