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Politik

Zukunftsfähige Krankenhausversorgung?

Zukunftsfähige Krankenhausversorgung?

Stimmen zur Studie der Bertelsmannstiftung

Sabine Dittmar, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion

„In Deutschland gibt es zu viele Krankenhäuser: Diese Diagnose ist nicht neu, leider fehlen auch bei der Bertelsmann-Studie die Therapievorschläge“, sagt Sabine Dittmar , gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion: „Klar ist, dass wir auf Spezialisierung setzen müssen, um die Qualität zu verbessern. Aber pauschal einfach die Hälfte der Kliniken zur Disposition zu stellen, geht an den wirklichen Problemen vorbei.“ Bei der medizinischen Infrastruktur seien gleichwertige Lebensverhältnisse in der Stadt und auf dem Land unverzichtbar. „Auch in der Fläche müssen Krankenhäuser für alle Menschen gut erreichbar sein. Hier geht es eher darum, dass wir Krankenhäuser zum Beispiel durch Sicherstellungszuschläge erhalten, auch wenn sie wegen geringer Auslastung nicht wirtschaftlich betrieben werden können.“ Völlig anders sei die Situation in den Ballungsräumen: „Dort gibt es zu viele kleine Krankenhäuser, die zum Teil gleiche Leistungen anbieten und sich obendrein gegenseitig die knappen Fachkräfte abwerben. Hier gibt es ganz sicher Spielraum für Konzentration. Dadurch könnten wir sowohl die Arbeitsbedingungen als auch die Versorgungsqualität verbessern. Allerdings können die Länder mit ihrer Krankenhausplanung die notwendigen Strukturveränderungen nur gemeinsam mit den Krankenhausträgern umsetzen. Auf dem Land ist viel Gespür gefragt, um tragfähige Lösungen zu erarbeiten – auch unter Nutzung der Digitalisierung.“

Erwin Rüddel (MdB, CDU/CSU), Vorsitzender des Ausschusses für Gesundheit: „Im ländlichen Bereich Krankenhausplanung und ambulante Planung zusammenzuführen“

„Es gibt zu viele Krankenhäuser in Deutschland“, sagt Erwin Rüddel. Gleichzeitig mahnt der Vorsitzende des Ausschusses für Gesundheit im deutschen Bundestag, es dürfe nicht zu einem Kahlschlag in der Krankenhauslandschaft kommen. „Wir brauchen mehr Spezialisierung, um die Qualität in der stationären Versorgung zu sichern. Gleichzeitig brauchen wir die Krankenhäuser in der Fläche, auf dem Land, um die stationäre Notfallversorgung und die ambulante Versorgung zu gewährleisten.“ Hier seien die Länder gefordert, konsequent eine aktive Krankenhausplanung zu gestalten und auch auszufinanzieren.

Im ländlichen Bereich gelte es, Krankenhausplanung und ambulante Planung zusammenzuführen. „Gerade im ländlichen Raum müssen Kliniken für die ambulante Leistungserbringung stärker geöffnet und Sektorengrenzen überwunden werden“, so Rüddel.

Rudolf Henke (CDU/CSU), Mitglied des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestages und 1. Vorsitzender des Marburger Bundes: „Daseinsvorsorge statt Profitorientierung.“

„Planungsentscheidungen werden in den Ländern getroffen und nicht am grünen Tisch der Bertelsmann-Stiftung“, so Rudolf Henke (CDU/CSU), Mitglied des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestages und 1. Vorsitzender des Marburger Bundes. „Es lässt sich aus der Warte von Ökonomen leicht von Zentralisierung und Kapazitätsabbau fabulieren, wenn dabei die Bedürfnisse gerade älterer, immobiler Menschen unter den Tisch fallen, die auf eine wohnortnahe stationäre Grundversorgung angewiesen sind. Versorgungsprobleme werden nicht dadurch gelöst, dass pauschal regionale, leicht zugängliche Versorgungskapazitäten ausgedünnt werden.“

Strukturelle Probleme wie sie in der Notfallversorgung zutage treten, seien längst erkannt, an Konzepten werde intensiv gearbeitet. „Die Krankenhausversorgung als ein zentrales Element der Daseinsfürsorge braucht zweifellos Steuerung. In erster Linie müssen die Länder ihre Kompetenzen in der Planung wieder stärken.“

Um eine gute stationäre Versorgung sicherzustellen, seien deutlich erhöhte Investitionen in Krankenhäuser für Umstrukturierungen, neue Technologien und Digitalisierung notwendig. Dazu sei es dringend erforderlich, dass die Länder ihrer Investitionsverpflichtung vollumfänglich nachkommen. Für die Implementierung neuer digitaler Technologien sei zusätzlich der Einsatz von Bundesmitteln unabdingbar: „Was wir nicht brauchen, ist eine weitere Zurichtung der Krankenhauslandschaft im Sinne einer profitorientierten Konzernbildung.“

Harald Weinberg, gesundheitspolitischer Sprecher der Fraktion „die Linke“ im Deutschen Bundestag: „Der Markt ist blind gegenüber Versorgungsnotwendigkeiten.“

„Wir hatten das Thema ja schon 2016 mit der Leopoldina-Studie, nach der wir in Deutschland mit rund 300 bis 400 Krankenhäusern auskommen könnten“, so Weinberg. „Damals wurde ein unpassender Vergleich mit Dänemark aufgemacht und mal so einfach die Situation in einem Land mit knapp sechs Millionen Einwohnern und einer starken Zentralregierung auf Deutschland mit über 80 Millionen Einwohnern und einem Föderalismusgebot mit Verfassungsrang übertragen.“

Die aktuelle Bertelsmann-Studie argumentiere etwas anders: „Sie nimmt die Folgen eines ruinösen Wettbewerbs, in den die Krankenhäuser mit der DRG-Finanzierung 2003 getrieben worden sind, nun als Begründung für die Schließung von etwa 60 % der Krankenhäuser. Ja, es ist wahr: Mehr als die Hälfte der Häuser schreiben rote Zahlen. Ja, es ist wahr: Die Krankenhäuser konkurrieren um Pflegekräfte, Ärzte, Patienten. Und ja, es ist wahr: Krankenhäuser neigen dazu, die Dinge anzubieten und zu tun, die von der Diagnoseorientierten Fallpauschale her am lukrativsten vergütet werden. Die geheime Agenda dieser Finanzierungsform war immer, die Anzahl der Krankenhäuser zu reduzieren, ohne sich die Hände schmutzig zu machen. Der ,Markt‘ sollte das regeln. Nun ist der Markt leider blind gegenüber Versorgungsnotwendigkeiten. Aber immerhin: Bertelsmann macht aus einer ,geheimen Agenda‘ nun ein offenes Programm“, so der Gesundheitspolitische Sprecher der Fraktion „die Linke“ im Deutschen Bundestag. Notwendig sei eine gestufte Versorgung: Mit Hochleistungsmedizin in den Universitätskliniken, mit Maximalversorgern in den größeren Städten, mit Regelversorgung und Schwerpunktversorgung in den mittleren Städten und mit einer Grundversorgung, möglichst sektorübergreifend, im ländlichen Raum. „Dazu muss die DRG-Finanzierung ersetzt werden durch eine echte Selbstkostenfinanzierung, die es kleinen Krankenhäusern möglich macht, mit einer Grundversorgung im stationären Bereich und Öffnung für ambulante Versorgung finanziell über die Runden zu kommen, ohne nach lukrativen DRG-Behandlungen zu schielen.“

Maria Klein-Schmeink, gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag und Mitglied im Gesundheitsausschuss: „Bedarfsgerechtigkeit und Qualität sind entscheidend.“

„Wir fordern seit Langem eine sektorübergreifende Versorgungsplanung ein, die die ambulanten und stationären Kapazitäten zusammen betrachtet und darauf aufbauend eine bedarfsgerechte Versorgung sicherstellt.“ Ein wesentliches Problem sei der unglückliche Mix von Zuständigkeiten zwischen Bund, Ländern und Krankenkassen: „Hier wollen wir Grünen den Ländern mehr Möglichkeiten zur koordinierten regionalen Versorgung einräumen. Zugleich müssen bundesgesetzlich Rahmenbedingungen für eine Finanzierung sektorübergreifender Versorgungsformen etwa in Gesundheitsregionen geschaffen werden.“ Dazu gehöre immer auch die Frage der Erreichbarkeit von Versorgungsstrukturen.

Statt eines rein ökonomisch getriebenen Wettbewerbs um Patienten mit lukrativem Behandlungsbedarf im Krankenhausbereich sei eine kriteriengeleitete Planung zur gestuften und koordinierten Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung und eine dies unterstützende Krankenhausfinanzierung gefragt. „Es darf nicht sein, dass zum Beispiel Geburtshilfeabteilungen wegen ihrer im Vergleich zu ihren Vorhaltekosten schlechten Refinanzierung verschwinden, obwohl sie regional versorgungsrelevant sind. Wir brauchen vielmehr eine rational nach Kriterien von Qualität und Erreichbarkeit gesteuerte Versorgung“, so Klein-Schmeink. Da können die gerade aktualisierten Sicherstellungszuschläge für versorgungsrelevante kleine Krankenhäuser nur ein erster Baustein sein.

„Die Konzepte für die Notfallversorgung, die Geburtshilfe und die Versorgung älterer Menschen mit geriatrischem Bedarf müssen dringend modernisiert und in Versorgungsverbünde eingebettet werden. Seit Jahren ungelöst ist der Finanzierungsstau bei den Krankenhausinvestitionen und immer dringlicher auch bei den notwendigen Investitionen für die Digitalisierung. Auch hier brauchen wir endlich eine Lösung. Wir schlagen vor, dass sich die Krankenkassen beteiligen und für je einen Euro, den die Länder investieren, einen zusätzlich beisteuern“, so Klein-Schmeink.

Prof. Dr. Andrew Ulmann (FDP), Mitglied des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestages

Andrew Ullmann begrüßt die Ergebnisse der Bertelsmann-Studie und verlangt eine zügige, grundlegende Strukturreform: „Nur auf diesem Weg können wir den unsäglichen Dreiklang von Über-, Unter- und Fehlversorgung zerschlagen. Wenn wir eine bessere Versorgung der Patienten wollen, dann müssen wir endlich bedarfsgerechte und moderne Krankenhausstrukturen schaffen und einen wirklichen Qualitätswettbewerb in der Versorgung sicherstellen. Daher ist ein Konzentrationsprozess bei Akutkrankenhäusern unerlässlich. Da bin ich ganz auf der Seite der Studienautoren. Gleichzeitig braucht es aber eine Stärkung des Rettungsdienstes, der ambulanten Versorgung und der Reha-Einrichtungen.“

Eugen Brysch, Deutsche Stiftung Patientenschutz: „Kein Konzept, sondern Kahlschlag.“

"Über die Hälfte der Krankenhäuser zu schließen, ist kein Konzept, sondern Kahlschlag“, sagt Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz. „Das mag wissenschaftlich begründet sein, wäre für die Menschen aber verheerend.“ Denn es gehe nicht immer nur um komplizierte Operationen mit Maximalversorgung. Vielmehr müssten auch die Patienten gut behandelt werden, die keine Maximaltherapie benötigen und dennoch ins Krankenhaus gehen müssen. Zu dieser Gruppe gehörten besonders alte, pflegebedürftige und chronisch kranke Menschen. „Schließlich machen die schon heute mehr als 60 % der Krankenhauspatienten aus. Dazu braucht es eine gut erreichbare Grundversorgung vor Ort ebenso wie eine Hochleistungsmedizin in der Region“, so Brysch. Hier sei es Aufgabe von Bund und Ländern, einen Zukunftsplan Krankenhausversorgung zu entwickeln.

Bundesärztekammerpräsident Dr. Klaus Reinhardt

„Die von der Bundesregierung eingesetzte ,Kommission gleichwertige Lebensverhältnisse‘ hat gerade erst die Bedeutung der Daseinsvorsorge und Sicherung einer gut erreichbaren, wohnortnahen Gesundheitsinfrastruktur herausgestellt und das Bundesgesundheitsministerium die Förderung von 120 kleineren Kliniken bundesweit beschlossen. Da ist es schon mehr als befremdlich, wenn die Bertelsmann-Stiftung jetzt pauschal die Schließung von 800 Krankenhäusern fordert“, so Bundesärztekammerpräsident Dr. Klaus Reinhardt.

Gerade im ländlichen Raum müsse die flächendeckende Versorgung der Patienten sichergestellt werden. Deshalb müssten mehr als bisher die sektorübergreifende Versorgung gemeinsam mit den niedergelassenen Ärzten ausgebaut werden. „Wir müssen auch sogenannte Mitversorgeraspekte berücksichtigen. In Hamburger Krankenhäusern werden ja auch Patienten aus dem weiteren Umland behandelt. Das alles zeigt, dass man diese Fragen nicht vom grünen Tisch aus entscheiden kann. Diese Fragen müssen vor Ort und von den Landes- und Kommunalpolitikern gemeinsam mit den Ärzten diskutiert werden.“ Und schließlich dienten Kliniken und Praxen nicht nur der regulären medizinischen Versorgung, so Reinhardt, sondern müssten auch aufgestellt sein für die medizinische Versorgung in Krisenfällen wie Epidemien und Großschadensereignissen. „Wer auch immer mit welchen Ideen den Krankenhaussektor verändern will, muss dem grundgesetzlichen Auftrag der Daseinsvorsorge, der Gleichheit der Lebensverhältnisse und dem Feuerwehr-Prinzip der Krankenhäuser im Katastrophenfall gerecht werden. Vor allem aber müssen wir Optionen diskutieren, wie wir der zunehmenden Behandlungsbedürftigkeit in unserer Gesellschaft bei gleichzeitigem Fachkräftemangel begegnen wollen. Auch wenn wir die Zahl der Krankenhäuser reduzieren, reduzieren wir dadurch ja nicht die Zahl der Behandlungsfälle“, mahnt Reinhardt.

VLK-Präsident Priv. Doz. Dr. Michael A. Weber: „Wir brauchen eine seriöse Diskussion, die den enormen Versorgungsauftrag kleinerer Häuser anerkennt und honoriert.“

„Warum jetzt dieser erneute Aufschrei nach einem Kahlschlag der Strukturen? Ist man an einem konstruktiven Dialog nicht interessiert?“ – so fragt Dr. Michael A. Weber, Präsident des Verbands der Leitenden Krankenhausärzte Deutschlands e.V. (VLK). „Wenn man die von der Bertelsmann Stiftung ausgewählten Experten sieht, verwundert es nicht, denn sie vertreten diese Thesen gemeinsam mit den Krankenkassen seit geraumer Zeit“, so Weber. „Nach dem Prinzip, Aussagen regelmäßig zu wiederholen, bis die Illusion der Glaubwürdigkeit entsteht, hat man hier erneut medienwirksam Botschaften lanciert, die der Fachmann schwer und der Laie gar nicht durchschaut.“ Anhand von komplexen Diagnosen wie Operation eines Pankreaskarzinoms, Herzinfarktbehandlung oder Hüft-Reoperationen, für die kleinere Krankenhäuser natürlich nicht geeignet sind, werde deren gesamte Existenzberechtigung hinterfragt. „Verschwiegen wird, dass diese ganz andere Versorgungsaufgaben wie die Behandlung älterer multimorbider Patienten mit Herzinsuffizienz, Pneumonie oder anderen Erkrankungen haben, die sie qualitativ hochwertig und wohnortnah erfüllen“, so der VLK-Präsident weiter. Diese machten aber einen großen Teil unseres Versorgungsbedarfes aus. „Dabei haben sie den großen Vorteil, dass ihre Besetzung mit Pflegekräften in aller Regel deutlich besser und stabiler ist als die an großen Zentren. Das kommt den Patienten sehr zugute.“

Es sei ein Irrglaube, dass die Pflegekräfte dieser Häuser, so man sie schließt, an die großen Zentren wechseln. Sie würden eher ihrem Beruf, aber nicht ihrer Region den Rücken kehren. „Dann stehen wir ohne Versorgungsmöglichkeit da. Die großen Kliniken haben dafür dann erst recht keinen Platz mehr. Sie sind schon jetzt häufig abgemeldet und nicht willens, solche Patienten aufzunehmen.“

Die Diskussion über die Herzinfarktsterblichkeit zeige, wie unlauter die Kampagne geführt wird. Akute Herzinfarkte primär in Kliniken mit einer 24h/7d Herzkatheterbereitschaft einzuliefern, mache Sinn und rettet Menschenleben. „Daraus die Schlussfolgerung zu ziehen, dass man die anderen ohne Herzkatheter deswegen schließen sollte, ist Nonsens. Man beruft sich auf die OECD-Daten zur Herzinfarktsterblichkeit, in denen Deutschland einen hinteren Platz einnimmt, obwohl unsere Kliniken mit Herzkatheterbereitschaft einen internationalen Spitzenplatz belegen.“

Der Grund liege auch in der unterschiedlichen Eintragung der Todesursache in den Sterblichkeitsregistern der OECD-Länder. „Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen.“ Im Gegensatz dazu belegen die Zahlen des Deutschen Herzberichtes 2017 eine Halbierung der Herzinfarktsterblichkeit in deutschen Kliniken seit 1990 ähnlich wie in Dänemark in den vergangenen Jahren. „Hier wird ein Problem hochstilisiert, das so gar nicht existiert!“, so Weber. Zusätzlich gibt es enorme Unterschiede in der Sterblichkeit zwischen den einzelnen Bundesländern, am ehesten durch sozioökonomische Unterschiede getriggert. Die Situation sei also äußert komplex und schwer zu interpretieren. „Es ist unseriös, alle diese Faktoren zu verschweigen und monokausal darzustellen.“

Weber fordert eine seriöse Diskussion, die den enormen Versorgungsauftrag kleinerer Häuser anerkennt und honoriert, dass in Zeiten einer immer kritischer werdenden ambulanten Versorgung auf dem Land nur diese Kliniken ihn noch sicherstellen können: „Strukturreform ja, aber mit Augenmaß. Versorgung der komplexen Eingriffe in Zentren ja unbedingt, aber der übrigen Fälle wohnortnah und wenn möglich integrierend sektorenübergreifend. Was wir nicht brauchen, ist eine Kampagne.“

Der SVR-Ratsvorsitzende Prof. Dr. Ferdinand Gerlach: „Schließungen von nicht bedarfsnotwendigen Kliniken sind im Interesse besserer Versorgungsqualität sinnvoll.“

Der Sachverständigenrat Gesundheit (SVR) bekräftigt im Zusammenhang mit der Diskussion um die Bertelsmann-Studie seine Forderung nach einer Neuordnung der Krankenhauslandschaft. Prof. Dr. Ferdinand Gerlach verweist auf das SVR-Gutachten 2018, das eine umfassende Analyse der Krankenhausversorgung enthält. Vor allem in heute überversorgten Ballungsgebieten könne durch die Konzentration auf leistungsstarke, gut ausgestattete Krankenhausabteilungen eine noch höhere Qualität angeboten werden. „Wir haben uns bewusst nicht auf Zahlen festgelegt, aber Umwandlungen und Schließungen von nicht bedarfsnotwendigen Kliniken sind im Interesse besserer Versorgungsqualität sinnvoll“, so der Ratsvorsitzende.

Dr. Hans-Heinrich Aldag, Vorsitzender der NKG: „Flächendeckende Krankenhausversorgung darf nicht infrage gestellt werden!“

Die Niedersächsische Krankenhausgesellschaft (NKG) unterstreicht die Bedeutung der schnellen Erreichbarkeit von Krankenhäusern im Flächenland Niedersachsen und warnt mit Blick auf die Bertelsmann-Studie, die Notwendigkeit einer solchen flächendeckenden Krankenhausversorgung infrage zu stellen.

Bei Zentralisierungsbestrebungen sei eine systemische Analyse der Gesundheitsversorgung notwendig, betont Dr. Hans-Heinrich Aldag, Vorsitzender der NKG, und fordert eine Betrachtung von Prozessen und Schnittstellen. Nicht zuletzt bedeute jede Form von Standortentwicklung gewaltige Investitionsanstrengungen weit über die bisherigen Fördermittel der Länder und des Bundes hinaus.

Beim Vergleich mit anderen Ländern, wie er auch in der Studie vorgenommen wird, müsse zudem immer das gesamte Gesundheitssystem betrachtet werden: „Gibt es eine freie Arzt- und Krankenhauswahl, wie es bei uns der Fall ist? Ist es ein staatliches bzw. zentral gesteuertes System? Wie ist der Rettungsdienst ausgestaltet? Gibt es Wartezeiten im Krankenhaus?“ Das alles sind zentrale Fragen, die ebenfalls berücksichtigt werden müssen. Insofern greife eine simple Erklärung „weniger Krankenhäuser gleich bessere Qualität“ viel zu kurz.

Die NKG werde sich weiterhin für eine gute flächendeckende Erreichbarkeit von Krankenhäusern stark machen. Dies entspreche auch der Zielsetzung des Koalitionsvertrags zwischen SPD und CDU, der in der Wohnortnähe eines Krankenhauses insbesondere in den ländlichen Regionen eine wichtige Rolle sehe. Der flächendeckende Zugang zu medizinischer Versorgung sei ein entscheidendes Qualitätsmerkmal.

VKD-Präsident Dr. Josef Düllings: „Effekthascherei!“

Strukturen müssten den Notwendigkeiten in den jeweiligen Regionen entsprechend weiterentwickelt, ambulante und stationäre Leistungen endlich besser miteinander vernetzt werden: „Gerade in ländlichen Regionen sind die Krankenhäuser Anker einer funktionierenden Gesundheitsversorgung. Sie übernehmen vielfach schon jetzt Leistungen, für die der niedergelassene Bereich zwar zuständig ist, die er aber vor allem durch den Ärztemangel nicht zeitnah zur Verfügung stellen kann. Diese Strukturen zu zerschlagen, wäre abenteuerlich, so Düllings. Vielmehr müssten diesen Kliniken die Verantwortung für die ambulante Versorgung übertragen werden, die von den Kassenärztlichen Vereinigungen schon seit Langem nicht mehr sichergestellt werden kann.“

Der VKD wehrt sich in diesem Zusammenhang auch gegen das Schlechtreden kleiner Krankenhäuser, die häufig neben der geprüft guten Grundversorgung für die Patienten in ihren Regionen vielfach auch hochspezialisierte Leistungen anbieten und international anerkannte Experten beschäftigen. „Klein ist keinesfalls gleich schlecht“, so Dr. Düllings.

Ingo Morell, Katholischer Krankenhausverband Deutschlands e. V. (kkvd): „Abgehoben und realitätsfremd.“

Ingo Morell, stellvertretender Vorsitzender des kkvd: „Die Studie ist abgehoben und realitätsfremd. Mit der konkreten Versorgungssituation vor Ort haben diese Zahlenspielereien nichts zu tun. „Eben wurde noch über die Daseinsvorsorge und gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Regionen diskutiert, jetzt wollen die Studienautoren die Krankenhausversorgung an wenigen Großkliniken konzentrieren. Das wird für die Patienten längere Wege, Versorgung im Akkord und weniger menschliche Zuwendung in der Pflege bedeuten.“

Morell weiter: „Als Trost für längere Wege eine bessere Behandlungsqualität zu versprechen, ist Augenwischerei. Auch in den Kliniken der Grund- und Regelversorgung vor Ort ist eine hohe Qualität Standard. Wo es auf Spezialwissen ankommt, ist Zentralisierung schon heute geübte Praxis.“ So bestehe in der Modellregion der Studie bei Herzinfarkt und Schlaganfall längst die klare Absprache, dass Patienten gezielt an entsprechend ausgestattete Krankenhäuser gebracht werden. Solche Verbünde bestehen in vielen Regionen Deutschlands, werden in der Studie aber anscheinend nicht berücksichtigt. Für die Nachsorge wird zudem auch in Zukunft ein Krankenhaus in erreichbarer Nähe benötigt.“

Schließlich würde die empfohlene Reduzierung von Kliniken eine Verdopplung der Behandlungsfälle pro Krankenhaus bedeuten. In der Studie wird argumentiert, die stationären Fallzahlen könnten durch mehr ambulante Behandlungen von heute 19,5 Millionen pro Jahr auf 14 Millionen gesenkt werden. Gleichzeitig wird jedoch eingeräumt, dass die ambulanten Strukturen diese Patienten derzeit nicht aufnehmen können.

„Nur eine rigide Patientensteuerung wird die Fallzahlen in den Kliniken deutlich reduzieren. Doch das würde die Patienten Wahlfreiheit und Souveränität kosten. Eine Zentralisierung auf wenige Großkliniken setzt zuerst enorme Startinvestitionen für den Umbau voraus. Zudem wäre die bisherige Trägervielfalt in der Krankenhauslandschaft gefährdet. Klar ist, dass nicht alle heutigen Standorte erhalten bleiben können. Doch ist ein dichtes Netz an Krankenhäusern der Grund- und Regelversorgung unverzichtbar, um die schnelle Erreichbarkeit und Versorgung in der Fläche zu sichern. Das ist gerade für die wachsende Zahl älterer Menschen wichtig, die mehrfach erkrankt und nur eingeschränkt mobil sind“, so Morell abschließend.

Der DEVK-Vorsitzende Christoph Radbruch: „Dass große Krankenhäuser bessere Leistungen als kleinere Kliniken erbringen, ist nicht zu beweisen.“

Christoph Radbruch, Vorsitzender des Deutschen Evangelischen Krankenhausverbandes e. V. (DEKV): „Größe und Anzahl von Krankenhäusern sind nur ein Faktor unter vielen, um eine patientenzentrierte und bedarfsgerechte medizinische Versorgung zu gewährleisten. Die Schlussfolgerung, dass große Krankenhäuser bessere Leistungen als kleinere Kliniken erbringen, ist nicht zu beweisen. Es ist ein Irrtum, dass die Maximalversorger die Mengen haben. Im evangelischen Krankenhausbereich gibt es viele kleine Spezialisten. Ihre Patientenzahlen für bestimmte Fachabteilungen liegen höher als die der Universitätskliniken.“ Radbruch nennt als Beispiel das Evangelische Diakoniekrankrankenhaus Freiburg mit seiner Viszeralchirurgie: Jährlich würden dort 2 896 Patienten behandelt, hingegen 2 800 im Universitätsklinikum.

Qualität hänge auch davon ab, dass die Fachabteilungen gut miteinander kooperieren und zusammenarbeiten. „Da sind kleinere Krankenhäuser oft im Vorteil. Zudem sind bei der stationären Bedarfsplanung regionale Besonderheiten und gewachsene Strukturen zu berücksichtigen. Das gilt insbesondere für ländliche Gebiete und auch die stetig wachsende Zahl älterer Patienten, denen lange Wege nicht zugemutet werden können, darf nicht aus den Augen verloren werden“, so Radbruch.

Ralf Heyder, Generalsekretär des Verbands der Universitätsklinika Deutschlands (VUD) Deutsche Hochschulmedizin: "Strukturreform der Krankenhauslandschaft ist notwendig."

Die Deutsche Hochschulmedizin bekräftigt angesichts der aktuellen Diskussion um die Schließung von Krankenhäusern ihre Forderung nach einer Strukturreform der Krankenhauslandschaft. „Die Diskussion darüber, dass wir zu viele Krankenhäuser haben, ist alles andere als neu. Es geht aber nicht vorrangig darum festzulegen, wie viele Krankenhäuser genau schließen müssen. Wichtig ist, dass wir die Strukturen verändern und eine an dem Bedarf der Patienten ausgerichtete Krankenhausplanung vornehmen“, sagt Ralf Heyder, Generalsekretär des Verbands der Universitätsklinika Deutschlands (VUD). „Dass die Studie der Bertelsmann-Stiftung das Thema wieder auf die aktuelle Agenda bringt, ist in jedem Fall hilfreich“, so Heyder. „Der Fachkräftemangel, sowohl im ärztlichen wie auch im pflegerischen Bereich, ist schon heute spürbar und wird sich noch dramatisch verschärfen. Daher brauchen wir dringend zukunftsfähige regionale Konzepte, die neben dem Zugang zur Versorgung auch deren Qualität sowie Sicherstellung umfassender als bislang in den Blick nehmen“, so Frank Wissing vom Medizinischen Fakultätentag (MFT), „ein „Weiter so“ darf es nicht geben, daher ist die angestoßene Diskussion wichtig.“