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Politik

„G-BA katapultiert die Psychiatrie um 40 Jahre zurück“

„G-BA katapultiert die Psychiatrie um 40 Jahre zurück“

Die Welt schaut neidvoll auf Deutschlands Krankenhäuser. Das Standardrepertoire der einheimischen Kritikercommunity überzeugt nicht mehr. Zu viele, zu teure Krankenhäuser, unnötige Leistungen, unzulängliche Qualität – das zieht nicht mehr. Bertelsmann irrt. Flächendeckende Daseinsvorsorge ist eben doch anspruchsvoller als Spiele auf der grünen Wiese.

Corona bestätigt fulminant, dass Krankenhäuser das medizinische Rückgrat der Daseinsvorsorge und die Rettungsstellen im Katastrophenfall sind. 80 % durchschnittliche Bettenauslastung bedeuten Reservekapazitäten. Auch wenn es die Autoren der Zentralisierungsphilosophie nicht wahrhaben wollen, die Existenz von vielen auch kleinen, Krankenhäusern hilft, räumliche Infektionsherde besser einzugrenzen.

So schlimm Corona auch ist: Die Pandemie muss als Chance zur ordnungspolitischen Neuausrichtung der Krankenhauspolitik genutzt werden. Die Blaupause ist leicht skizziert: Viele gut ausgestattete und flächendeckend verfügbare Krankenhäuser sind etwas Gutes. Die kalte, willkürlich zuschlagende Strukturbereinigung über unzureichende Finanzierungen bei Personal und Investitionen und mittels erwürgenden Regulierungen muss beendet werden. Die Deckelung über die Grundlohnrate muss durch eine bedarfsorientierte Mittelbereitstellung abgelöst werden. Der realistische Investitionsmittelbedarf von sechs bis acht Mrd. € muss gesetzlich abgesichert finanziert werden. Das ist allemal günstiger als Lockdown mit Milliarden-Ausgleichsbedarf und ausfallenden Steuermitteln.

Die Hoheit über die Krankenhausplanung muss den Ländern vollumfänglich zurückgegeben werden. Sie haben die medizinische Versorgungssicherheit im Katastrophenfall zu gewährleisten. G-BA-Vorgaben können und dürfen da nur Orientierungsfunktion haben. Gänzlich abzuschaffen sind die GBA-Qualitätsindikatoren für die Krankenhausplanung. Die coronabedingt ausgesetzten G-BA Richtlinien mit unzähligen Datenerfassungen dürfen nicht ohne kritische Überprüfung wieder aktiviert werden. Es muss eine unabhängige Instanz zur Begrenzung der Bürokratie im Gesundheitswesen geschaffen werden. Am besten ein eigener Normenkontrollrat.

Überzogene und nicht realisierbare Personalvorgaben müssen durch das ersetzt werden, was derzeit allen ausreicht: nämlich Vertrauen in die Verantwortung der Träger der Krankenhäuser zur Stellung der Personalressourcen, die für die Versorgung der Patienten im jeweiligen Krankenhaus erforderlich sind. Dabei sind die Krankenhäuser bereit, sich an einem allgemeingültigen Personalbemessungsinstrument zu orientieren. Hausindividuell adaptierte PPR 2.0: ja – bundeseinheitliche Pflegeuntergrenzen: nein

Infrage gestellt werden muss, ob es tatsächlich klug ist, jede möglicherweise auch ambulant erbringbare Leistung aus den Krankenhäusern über MDK-Prüfungen und Sanktionen herauszuprügeln. Letztlich gehen so stationäre Kapazitäten verloren, die im Epidemiefall gebraucht werden. Es gibt keine logische Begründung für Vergütungsgleichheit, wenn potenziell ambulant erbringbare Leistungen stationär erbracht werden. Denn die Krankenhausvergütung muss immer auch Elemente für die Vorhaltekosten enthalten. Wer die leichten Fälle rauszieht, gefährdet Versorgungskapazitäten und verteuert die schweren Fälle – also Hände weg von Hybrid-Fallpauschalen. Die Logik der Daseinsvorsorge durch leistungsstarke Krankenhäuser gebietet, Krankenhäuser viel offensiver für ambulante Leistungen zuzulassen. ASV muss in so vielen Versorgungsbereichen wie nur möglich eingeführt werden. Ebenso muss die ambulante Notfallversorgung ans Krankenhaus, aber ohne die INZ-Philosophie.

Dass Vorhaltefinanzierung gut begründet sein kann, ist derzeit selbstredend. Das Fallpauschalensystem mit auf Durchschnittskosten basierenden und belegungsabhängigen Erlösen kann als Optionsmodell noch eine Zukunft haben. Zur Absicherung der Daseinsvorsorgefunktion wird es aber nicht an allen Standorten die erforderlichen Finanzierungsmittel beisteuern können. Mehr Möglichkeiten zur Berücksichtigung regionaler und hausindividueller Versorgungserfordernisse sind erforderlich. Die Option zur Selbstkostenerstattung eingeschlossen.

DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum