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Interviews und Meinungen

„Die Mitarbeiter in den Krankenhäusern warten auf die versprochenen Verbesserungen“


Quelle: kkvd/Jens Jeske

Interview mit DKG-Präsident Ingo Morell

Wie ist die Lage in den Kliniken gegenwärtig? Die Situation der Kliniken ist und bleibt auch in den kommenden Monaten angespannt – und das in jeder Hinsicht. Wir haben seit Wochen eine extrem hohe Belastung durch die Versorgung von Covid-Patienten, sowohl auf den Intensiv- als auch auf den Infektionsstationen. Diese psychische und physische Belastung ist für das Personal immens, denn gerade auf den Infektionsstationen ist die Betreuung eines Covid-Patienten sehr pflegeintensiv. Hinzu kommt, dass für die Krankenhäuser seit dem 1. Januar die finanzielle Sicherheit nicht gegeben ist. Viele Kliniken müssen Liquiditätsengpässe befürchten. Die Regelversorgung ist deutlich reduziert, ein normaler Alltag des Krankenhauses findet nicht statt. Das beginnt damit, dass Krankenzimmer aufgrund der Hygienebestimmungen oft nur noch eingeschränkt genutzt werden können. Und es hört bei sehr restriktiven Besucherregelung und dem aufwendigen Infektionsschutz für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht auf.

Wie steht es um die Regelversorgung?

Die Regelversorgung ist schon seit Wochen keine Regelversorgung mehr. In nahezu allen Regionen musste sie eingeschränkt werden. Anders als im März hat die Regierung die Krankenhäuser aber nicht aufgefordert, die Regelversorgung bundesweit herunterzufahren. Auch in vielen Bundesländern gibt es keine Landesverordnung, die das Herunterfahren eindeutig vorgibt. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Regelversorgung sind deutlich: Die in der Pandemie notwendigen Hygieneanforderungen erschweren die Belegung von Krankenzimmern. Die Pflicht, bei Verdacht auf Covid-Infizierung ganze Teams von Mitarbeitern in die Quarantäne schicken zu müssen, wirkt sich spürbar auf die Belegung im Krankenhaus aus. Erkrankungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erschweren die Situation zusätzlich. Die Freihaltung von Krankenzimmern für mögliche Covid-Erkrankte reduziert weiter die Möglichkeit einer Belegung. Die Zurückhaltung der Patienten, die Krankenhausaufenthalte mittlerweile wieder oft verschieben, ist auch wieder spürbar.

Laut aktuellem DKI-Barometer beurteilt nicht einmal jedes fünfte Krankenhaus seine wirtschaftliche Lage als gut. Droht ausgerechnet jetzt eine Pleitewelle der Kliniken?

Wir sollten uns vor Augen führen, dass schon 2019 fast jede zweite Klinik rote Zahlen geschrieben hat. Und für 2020 erwarten nun nur noch rund 30 % der Krankenhäuser ein positives Jahresergebnis. Nicht mal jedes fünfte Krankenhaus gab an, dass seine wirtschaftliche Lage gut sei. Und eine Verbesserung erwartet auch kaum jemand. Corona verschärft diese Situation. Wir verzeichnen noch immer eine chronische Unterfinanzierung der Investitionen, die die Bundesländer gesetzlich verpflichtet sind, zu tragen. 2020 kamen noch erhebliche Coronabedingte Erlösausfälle und Mehrkosten hinzu. Ich spreche nicht davon, dass wir jetzt eine Insolvenzwelle durch die Kliniklandschaft erleben werden, aber die wirtschaftlichen Nöte der Krankenhäuser sind manifest.

Sind die Versprechen der Politik, die durch Corona bedingten Defizite der Krankenhäuser auszugleichen, erfüllt worden?

Eigentlich hatte die Politik seinerzeit versprochen, dass kein Krankenhaus durch Corona schlechter gestellt werden wird als vorher. Das hat sich nicht erfüllt. Richtig ist, dass der Rettungsschirm voraussichtlich für das Jahr 2020 funktionieren wird und der Ganzjahreserlösausgleich den Kliniken Möglichkeiten schafft. Trotzdem fallen aber Erlöse aus beispielsweise ambulanten Leistungen weg. Problematischer ist aber das jetzt laufende Jahr. Flächendeckend stehen die Krankenhäuser vor Problemen. Eine seriöse Leistungsplanung für die Wirtschaftspläne der Krankenhäuser ist aufgrund der genannten Rahmenbedingungen kaum möglich. Ausgleichzahlungen werden aufgrund der Finanzierungssystematik im Budgetbereich nur sehr zeitverzögert zur Zahlung kommen können. Wir haben eine Situation, in der nahezu alle Krankenhäuser Liquiditätsprobleme melden. Die Regelversorgung muss überall zurückgefahren werden. Allerdings sind erst ab einer bestimmten Inzidenz Ausgleichszahlungen vorgesehen, die wiederum nur an bestimmte Krankenhäuser fließen dürfen. Das ist nicht hinreichend, denn wir brauchen Planungssicherheit, und wir brauchen wirtschaftliche Sicherheit für das ganze Jahr 2021. Für uns steht fest, dass bei Liquiditätshilfen auf der Basis des gesamten Jahres Erlösausgleiche berechnet werden müssen. Dazu haben wir ein Konzept vorgestellt.

Das Krankenhaus-Barometer des DKI dokumentiert seit Jahren: Der Fachkräftemangel an den Kliniken ist allgegenwärtig. Personaluntergrenzen verschärfen das Problem. Gibt es eine Lösung?

Die Untergrenzen verschärfen die Situation natürlich besonders in einer Pandemie. Deshalb war es ja im März auch vollkommen richtig, dass der Minister die Untergrenze erst einmal ausgesetzt hat. Um bei der Personalplanung flexibel auf den derzeitigen starken Anstieg der Patienten mit einer Covid-19-Erkrankung reagieren zu können, müssten die starren Pflegepersonaluntergrenzen erneut ausgesetzt werden. Wer in einer Pandemie das knappste Gut, nämlich das Personal, künstlich und bürokratisch weiter verknappt, handelt gegen die Interessen der Versorgungssicherheit. Grundsätzlich ist das Thema Fachkräftemangel aber natürlich vielschichtig und ein Problem, was vor Corona schon vorhanden war. In der Pandemie werden die Auswirkungen zum Beispiel auf den Intensivstationen nur sehr deutlich. Wir haben ein neues Pflegepersonalbemessungsinstrument vorgestellt, das wir gemeinsam mit Verdi und dem Pflegerat entwickelt haben. Allein aus der Konstellation der drei Beteiligten kann man sehen, dass wir es uns nicht leicht gemacht haben. Aber die Politik hat es bis dato nicht umgesetzt. Noch wichtiger aber ist, dass wir wieder mehr Menschen für den Pflegeberuf begeistern müssen. Dafür gibt es aber nicht die einfache monokausale Lösung.

Die im Herbst 2020 gestartete Kampagne der DKG „Fair diskutieren, entscheiden, handeln“ setzt sich vor dem Hintergrund der Pandemie für eine lösungsorientierte konzertierte Zusammenarbeit der Akteure des Gesundheitswesens „auf Augenhöhe“ ein, auch gibt es konkrete Vorschläge der DKG zur Bewältigung der Pandemie. Werden die Krankenhäuser gehört?

Ich glaube, allgemeiner Konsens ist, dass die Krankenhäuser das Rückgrat der medizinischen Versorgung sind. Und gerade das hat diese Pandemie unter Beweis gestellt. Im Endeffekt sind die Krankenhäuser ein oder vielleicht sogar der Grund, warum sich die meisten Menschen während der Pandemie in Deutschland gut aufgehoben gefühlt haben und auf die Frage, in welchem Land sie lieber sein würden, keine Antwort geben können. Die hochwertige Krankenhausversorgung ist ein Gut, das auch die Politik wertschätzt und wertschätzen muss. Unser Ziel muss aber sein, auch nach der Pandemie in einem konstruktiven Dialog zu bleiben. Wir müssen lösungsorientiert in eine konstruktive Krankenhaus-Politik einsteigen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Krankenhäusern warten auf die versprochenen Verbesserungen.