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Editorial

Die Politik muss aufwachen!

In den letzten Tagen ist die Frist abgelaufen, bis zu der die Krankenhäuser alle Unterlagen für die bevorstehenden Strukturprüfungen des Medizinischen Dienstes einreichen mussten. Was ursprünglich von der Politik als Entlastung der Krankenhäuser geplant war, hat sich zu einem großen Ärgernis und einer echten Bedrohung auch für etablierte Leistungsbereiche entwickelt. Man wollte wegkommen von der permanenten Einzelfallprüfung und dem kleinteiligen Streit bei der Erbringung und Abrechnung von OPS-basierten Komplexbehandlungen und mit einer jährlichen Überprüfung der grundsätzlichen Strukturvoraussetzungen Klarheit schaffen.

Aber wie so häufig in den vergangenen Jahren haben die die Krankenkassen diesmal im Zusammenspiel mit dem Medizinischen Dienst die Gelegenheit genutzt, diese Strukturprüfungen zu einem Strukturbereinigungsinstrument umzufunktionieren. Über den Erfolg der politischen Initiative zur Loslösung des Medizinischen Dienstes aus den Fängen der Krankenkassen mag man an dieser Stelle sicher auch noch einmal nachdenken.

Mit einem Gesetzesparagraphen, der in seiner konkreten Formulierung wohl gut gemeint aber nur bedingt gut gemacht war, nahm das Unheil seinen Anfang. Der Medizinische Dienst auf Bundesebene (MDS) erhielt den Auftrag, eine Richtlinie für die neuen Strukturprüfungen zu erarbeiten, die aber nicht auf Augenhöhe mit den Kliniken und durch einen fairen Mitbestimmungsauftrag abzuarbeiten war. Der Entwurf dieser Strukturprüfungsrichtlinie, die die Medizinischen Dienste quasi alleine erarbeitet haben, lag dem Bundesgesundheitsministerium über Monate zur Prüfung vor und wurde von den Fachleuten der DKG an vielen Stellen gegenüber dem Ministerium kritisch kommentiert. Erst kurz vor Fristablauf hat das BMG dann quasi ohne nennenswerte Änderungen diesen umstrittenen Entwurf genehmigt. Man mag dies auf die Überlastung des Ministeriums durch die andauernde Pandemie erklären, aber die Folgen für die Krankenhäuser und Ihre Patientinnen und Patienten sind gravierend.

Neben der vom Bundesgesundheitsministerium gegen den Widerstand der DKG in Kraft gesetzte Richtlinie stellte sich der MDS zu allem Überfluss auch noch die Aufgabe, einen internen Begutachtungsleitfaden zu erarbeiten, der die Auslegungen einzelner OPS-Kriterien ohne jede Abstimmung mit der DKG und den betroffenen medizinischen Fachgesellschaften vornahm. So entstanden dann quasi durch die Hintertür neue Interpretationen der OPS-Kriterien, die an anderer Stelle und in der Vergangenheit nie diskutiert und entschieden wurden.

Auf kaltem Weg und jenseits aller etablierten Mitspracherechte in der Selbstverwaltung haben die Kostenträger im Schulterschluss mit dem Medizinischen Dienst so versucht, über nochmals verschärfte Auslegungen der OPS-Kriterien in die Leistungserbringung der Krankenhäuser einzugreifen.

Nur durch den massiven Protest einer Vielzahl betroffener Klinikstandorte und dem kollektiven Aufschrei der Verbände, Fachgesellschaften und der DKG ist es gelungen, Gehör beim Ministerium zu finden und den umstrittenen Begutachtungsleitfaden entscheidend korrigieren zu lassen. Nun liegt der Auftrag beim BfArM, die Definition zur Auslegung verschiedener OPS-Kriterien klarzustellen und so streitige Auslegungen vor Ort und eigenmächtige Interpretation des MD zu verhindern.

Es ist an der Zeit, dass die Politik erkennt, dass hinter diesem Machtspiel der Krankenkassen bedeutende Versorgungsstrukturen, zum Beispiel in den Bereichen Schlaganfall und Geriatrie liegen, die in höchstem Maße relevant für die Versorgung und jetzt gefährdet sind. Spätestens dann, wenn von den medizinischen Diensten Negativbescheide an die Krankenhausstandorte gehen, wird die Politik erkennen, dass wieder einmal gute Absichten in der Gesetzgebung durch das Verhalten der Kostenträger in der Selbstverwaltung und die dortigen Machtverhältnisse ins Gegenteil verkehrt wurden. Wenn zukünftig die komplexe Schlaganfallversorgung oder die qualitativ hochwertige geriatrische Behandlung nur noch an sehr wenigen Standorten angeboten werden kann, werden die Menschen vor Ort spüren, wie die Versorgung ausdünnt wird und sich verschlechtert.

Es muss jetzt darum gehen, auch durch die Kommunikation der konkreten Problemlage vor Ort in den Regionen gegenüber der Politik deutlich zu machen, dass wir mit der Leistungsverhinderungsstrategie der Krankenkassen dabei sind, das Vertrauen der Menschen in eine verlässliche Gesundheitsversorgung zu verspielen.

Dr. Gerald Gaß, DKG-Vorstandsvorsitzender