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„Zeitenwende für die Krankenhäuser“


DKG-Präsident Ingo Morell, VKD-Präsident Dr. Josef Düllings, Dr. Sabine Berninger vom Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe, Kongresspräsident PD Dr. Michael A. Weber und DKG-Pressesprecher Joachim Odenbach. Foto: krü

Ob die „Zeitenwende“, die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach angekündigte Revolution der Versorgung, eine Wende zum Besseren für die Kliniken in Deutschland bedeutet – die meisten Besucher und Diskutierenden des 46. Deutschen Krankenhaustages, der heute (13. November 2023) eröffnet wurde, sehen das pessimistisch.

Das der Gesundheitsversorgung in Deutschland angesichts der finanziellen Misere ein Kliniksterben droht, das sieht auch Karl Lauterbach. Er bedaure dies, unterstrich der Minister auch zur Eröffnung des diesjährigen Kongresses. „Offenbar spüren sie aber keinen Handlungsdruck“, sagte der Kongresspräsident des Deutschen Krankenhaustages, PD Dr. Michael A. Weber bei der Begrüßung des live per Video zugeschalteten der Bundesgesundheitsminister. Die geplante Krankenhausreform soll es richten, so Lauterbach. Entökonomisierung und Entbürokratisierung versprach der Gesundheitsminister.

Kliniksterben und Krankenhausreform

NRWs Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann hält es für angezeigt, die derzeitige finanzielle Situation der Krankenhäuser von der Reform trennen. „Bis die Krankenhausreform greift, fließt noch viel Wasser den Rhein hinunter“, so Laumann. Er fordert eine Refinanzierung der Tarifsteigerungen im Krankenhaus. „Wir können mit Insolvenzen keine Krankenhausreform machen.“

Die Krankenhäuser erwarten dringend ein Vorschaltegesetz, dass die Gegenfinanzierung der stark gestiegenen Tarif- und Sachkosten für die Kliniken regelt. Fachkräftemangel, das umstrittene Transparentsgesetz und die Rolle der Level 1i-Häuser waren die Hautthemen am ersten Tag des 46. Deutschen Krankenhaustages in Düsseldorf.  

„Die Kliniken sehen sich wie nie zuvor mit riesigen Herausforderungen durch Demografie, Personalmangel und Finanznöte konfrontiert. Dies erfordert mehr denn je effiziente Strukturen in der stationären Versorgung zu schaffen. Für die dazu nötigen Reformen besteht eine hohe Veränderungsbereitschaft bei den Kliniken“, erklärte PD Dr. Michael A. Weber, zugleich Präsident des Verbands leitender Krankenhausärztinnen und -ärzte (VLK), bei der Eröffnungspressekonferenz des diesjährigen Krankenhaustages. Gleichzeitig erwarteten die Kliniken von der Politik Antworten auf die Frage, wo die Perspektiven liegen, und Unterstützung für den nötigen enormen Transformationsprozess. „Wir erleben aber, dass unsere Gremien ausgegrenzt und die in den Kliniken geleistete Arbeit schlechtgeredet werden. Zusätzlich streiten sich die Akteure in Bund und Ländern und setzen die Kliniken einem hohen finanziellen Druck aus. Wenn sich hier nicht rasch etwas ändert, wird aus dem jetzigen Personalmangel eine Personalflucht und aus der Strukturreform ein unstrukturiertes und unkontrolliertes Krankenhaussterben auch systemrelevanter Standorte. Damit wird eine Reform der aktuellen Strukturen konterkariert“, warnte Weber.

Ingo Morell, Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), forderte einen vollen Inflationsausgleich für die Kliniken, um die klaffende Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben wieder zu schließen und die Insolvenzgefahr zu bannen. Wie dramatisch die Situation ist, belegt eine aktuelle Umfrage des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI). Die Kliniken stehen demnach vor großen finanziellen Belastungen durch die Weihnachtsgelder. Zwar werden nahezu alle Häuser die Weihnachtsgelder pünktlich und in vollem Umfang zahlen. Aber 80 % sehen, dass sich die Liquiditätslage stark verschärfen wird, und 60 % können die Zahlungen nicht aus vorhandenen Mitteln leisten, sondern brauchen Zuschüsse, entweder vom Träger oder Kredite von den Banken, in einigen Fällen sogar beides“, warnte Morell. Dass die Maßnahmen des Bundes für eine bessere Liquidität nicht ausreichend seien, zeigt sich auch. Nur sechs %  der Kliniken erwarten, dass sich die Lage durch die Erhöhung des Pflegeentgeltwertes verbessern wird, immerhin 23 %  erwarten dies durch die schnelle Zahlung der Pflegebudgets. Aber mehr als drei Viertel sehen keinen positiven Einfluss. Nur sehr wenige Kliniken erwarten, dass sich durch die Maßnahmen ihr Insolvenzrisiko relevant reduziert. Die Auswirkungen auf die Versorgung werden ebenfalls in dieser Umfrage deutlich. 23 %  der Allgemeinkrankenhäuser werden den Leistungsumfang (zum BeispielVerschiebung planbarer Operationen) reduzieren müssen, 42 %  das Leistungsangebot (zum Beispiel vorübergehende Schließung einzelner Stationen). 49 %  der Allgemeinkrankenhäuser und 50 %  der Psychiatrien sehen sich gezwungen, Personal abzubauen. 8 bzw. 10 %  sehen die Schließung von Standorten als zwingend an. „Und 90 %  der Kliniken nennen die nicht referenzierten Kostensteigerungen als maßgebliche Hauptursache ihrer Probleme, sogar noch weit vor dem Fachkräftemangel“, so der DKG-Präsident.

Dr. Sabine Berninger, Vorsitzende des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe (DBfK) Südost, machte deutlich, dass der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen wirksame Maßnahmen erfordert. „Digitalisierung und Zuwanderung aus dem internationalen Raum werden in der Pflege nur begrenzt Abhilfe schaffen. Damit Anwerbung und Bindung in der Pflege überhaupt gelingen, müssen wir unsere Hausaufgaben machen“, forderte die Pflegedirektorin des KJF Klinik Josefinum. Dazu gehöre, die vorhandenen und brachliegenden Kompetenzen der Pflegefachpersonen zu nutzen und zu steigern sowie der Pflege mehr Eigenständigkeit und Verantwortung zuzutrauen. Gleichzeitig müsse eine höhere Quote akademisch qualifizierter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erreicht werden. Vor diesem Hintergrund begrüßte Berninger das beschlossene Pflegestudiumsstärkungsgesetz, das die Finanzierung von dualen primärqualifizierenden Studiengängen sichert. Berninger hob zudem die Bedeutung der Vernetzung von ambulanter Versorgung, Krankenhausversorgung, Rehabilitation und Langzeitpflege hervor. „Hier liegt ein Schlüssel, damit eine Krankenhausreform in Deutschland gelingen kann“, so die Vertreterin der Arbeitsgemeinschaft christlicher Schwesternverbände und Pflegeorganisationen Deutschlands und des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe.

Level 1i und die Pflege

Im Gegensatz zu den meisten Klinikmanagern hebt Dr. Berninger das Konzept der Level 1i-Krankenhäuser hervor: Diese neue Versorgungsform sei besonders interessant für die professionelle Pflege: Hier wurden erweiterte Kompetenzen und die Leitung dieser Häuser durch qualifizierte Pflegefachpersonen im Reformkonzept angedacht.  „Dies haben wir begrüßt, insbesondere in ihrer Bedeutung für das regionale Umfeld, wo solche Krankenhäuser ggf. auch als Primärversorgungszentrum funktionieren könnten“, so Berninger.

Erwartungsgemäß hat das Vorhaben für große Wellen in der Krankenhauslandschaft und in den Bundesländern gesorgt, die auch bei weitem noch nicht alle geglättet sind. Enttäuschend für die Pflege sei dann die weitere Entwicklung der Debatten, in der die angedachte Rolle für die Pflege wieder verschwand. „Primärversorgungszentren bzw. Level 1i-Krankenhäuser schließen eine Versorgungslücke und sind deshalb notwendig“, so die Forderung Berningers. Ihr Versorgungsschwerpunkt liege wesentlich auf komplexen Pflegebedarfen. „Eine Leitung durch qualifizierte Pflegefachpersonen muss möglich sein“, fordert die Pflegedirektorin.

„Nach der Corona-Pandemie, einer massiv gestiegenen Inflation ohne hinreichenden Inflationsausgleich, den anstehenden Tariferhöhungen und einer seit Jahrzehnten zu niedrigen Investitionsförderung trifft es viele Häuser jetzt besonders hart. So darf es nicht weitergehen“, erklärte Dr. Josef Düllings, Präsident des Verbandes der Krankenhausdirektoren Deutschlands (VKD). Zwar sei eine Krankenhausreform für die Zukunftsfähigkeit der Patientenversorgung in Deutschland unbestritten und notwendig. Der VKD hätte bereits auf dem Krankenhaustag 2019 ein „Zukunftskonzept Deutsches Krankenhaus“ gefordert. Bislang sei davon allerdings wenig in Gesetzesform angekommen. Düllings forderte, die Landesbasisfallwerte und Psychiatrieentgelte systematisch an die tatsächlichen Kostensteigerungen bei den Betriebskosten anzupassen und eine bedarfsgerechte Finanzierung der Investitionskosten. Zudem sei die Entbürokratisierung durch Abbau von Überregulierung und die Bekämpfung des Fachkräftemangels entscheidend. Auch müsse die Digitalisierung weiter gestaltet und staatlich finanziert werden. „Nach internationalen Erfahrungen ist dies ein Prozess von über zehn Jahren“, machte der VKD-Präsident deutlich.

Düllings kritisierte im Zusammenhang mit Forderungen zur Bekämpfung des Mangels an Pflegekräften die Generalistik: Er warb für flexible Qualifikationsregelungen, insbesondere sollten wieder getrennte Pflegeausbildungen für Kinderkrankenpflege und Altenpflege möglich werden. In der Kinderkrankenpflege hätten sich im Zuge der Generalistik große Engpässe ergeben. Hier widersprach Dr. Sabine Berninger: „Die Generalistik ist richtig und unverzichtbar!“

Klinikvertreter und Politik werden im Rahmen der Auftaktveranstaltung des 46. Deutschen Krankenhaustages sowohl die aktuellen Entwicklungen als auch die Anforderungen für den Kliniksektor und die Erwartungen der Krankenhäuser für die laufende Legislaturperiode debattieren. „Zeitenwende für Krankenhäuser“ lautet das Motto des Kongresses, der vom 13. bis 16. November 2023 im Rahmen der weltweit größten Medizinmesse MEDICA in Düsseldorf stattfindet.

Die Besucher des Deutschen Krankenhaustages können sich an den vier Kongresstagen auf spannende Debatten mit hochkarätigen Referenten aus Politik, Kliniken, Krankenkassen und Wissenschaft freuen. Der diesjährige Kongresspräsident PD Dr. Michael A. Weber wird die breite Themenpalette des Kongresses im Rahmen der Eröffnungsveranstaltung vorstellen. Ein weiteres Highlight ist die Veranstaltung „Finanzierung im Krankenhaus“ unter der Leitung der stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Prof. Dr. Henriette Neumeyer am Montagnachmittag. Die Besucher erwartet ein hochkarätiges Expertenforum für Information und Diskussion rund um die zukünftige Klinikvergütung.

Der Deutsche Krankenhaustag dient einmal mehr auch als Plattform für einen Erfahrungsaustausch und Diskussionen rund um die Pflege im Krankenhaus unter der Leitung von Dr. Sabine Berninger, Vorsitzende des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe (DBfK) Südost und Pflegedirektorin der KJF-Klinik Josefinum. Es werden in den Sessions aktuelle Fragen wie „Wer braucht welche Krankenhausversorgung?“ oder „Welche pflegerischen Kompetenzen braucht das Krankenhaus der Zukunft?“ intensiv diskutiert. Unter dem Motto „Moderne Medizin – Zeitenwende in der Medizin?“ greift das VLK-Symposium unter Leitung von Kongresspräsident PD Dr. Michael A. Weber neueste Entwicklungen im Bereich der Intensiv-, Notfall- und Transplantationsmedizin am dritten Kongresstag auf. Ein wissenschaftliches Symposium in Kooperation mit dem German Medical Award liefert am Nachmittag fachlichen Input für Medizinerinnen und Mediziner und damit auch Fortbildungspunkte. Am vierten Kongresstag haben die Besucher Gelegenheit, sich intensiv mit dem Thema „Zeitenwende für die Krankenhäuser“ vor allem aus Sicht der Praktiker, der Manager von Kliniken und Rehabilitationseinrichtungen zu informieren. Im Zentrum dieses Tages stehen beispielsweise die Finanzierungsreform der Kliniken und die Frage, ob damit immer die richtigen Prioritäten gesetzt werden, die Dr. Josef Düllings, Präsident Verband der Krankenhausdirektoren Deutschlands, in seinem Vortrag aufgreifen wird. Darüber hinaus stehen Themen wie die aktuelle Krankenhausplanung in Nordrhein-Westfalen oder Gegenwart und Zukunft der Krankenhausversorgung in Europa auf dem Tagungsprogramm.

Detaillierte Informationen zum Kongressprogramm und weitere Informationen finden Sie unterwww.deutscher-krankenhaustag.de. Die kostenlosen Tickets für Besucher des 46. Deutschen Krankenhaustages sind über den Ticketshop der MEDICA erhältlich.

Katrin Rüter