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Regierungskommission legt Krankenhauskonzept vor: „Weniger Ökonomie, mehr Medizin“


Nicht weniger als eine Revolution der stationären Versorgung verspricht Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach im Rahmen seiner geplanten Krankenhausreform. Vorschläge hierfür hat nun die 17-köpfige „Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung“, die der Gesundheitsminister im Mai dieses Jahres ins Leben gerufen hatte, zum Nikolaustag am 6. Dezember 2022 vorgelegt. Den Empfehlungen der Experten zufolge, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit – und weitgehend auch ohne Beteiligung der Krankenhäuser – Eckpunkte einer Reform entworfen haben, soll „die Behandlung von Patientinnen und Patienten in Krankenhäusern künftig mehr nach medizinischen und weniger nach ökonomischen Kriterien erfolgen.“

Hierfür empfiehlt die Kommission eine Neuordnung der Krankenhausfinanzierung. Das neue System soll den Vorschlägen nach aus zwei Säulen bestehen: einer leistungsunabhängigen Vorhaltefinanzierung, die an die Versorgungsstufe einer Klinik und an die verschiedenen Leistungsgruppen gekoppelt ist, und einer mengenabhängigen Komponente (R-DRG). Damit soll der ökonomische Druck gemindert werden. 40 % der Betriebskosten sollen künftig durch Vorhaltepauschalen, 60 % weiter über Fallpauschalen abgerechnet werden. In einigen Bereichen, wie etwa der Kindermedizin, soll die Vorhaltefinanzierung sogar bis zu 60 % betragen.

Ausgenommen sollen Grundversorgungskliniken mit ambulant-stationärer Versorgung sein. Hier soll es sachgerecht kalkulierte Tagespauschalen für die Akutpflege geben, einschließlich aller anderen Personal- und Sachkosten.

Krankenhaus-Versorgungsstufen

Künftig sollen Krankenhäuser in drei Level eingeordnet und entsprechend gefördert werden:

I.            Grundversorgung – medizinisch und pflegerische Basisversorgung, zum Beispiel grundlegende chirurgische Eingriffe und Notfälle.

II.           Regel- und Schwerpunktversorgung – Krankenhäuser, die im Vergleich zur Grundversorgung noch weitere Leistungen anbieten.

III.          Maximalversorgung – zum Beispiel Universitätskliniken.

Für jede Ebene sollen einheitliche Mindestvoraussetzungen gelten, also einheitliche Standards für die apparative, räumliche und personelle Ausstattung.

Den Krankenhäusern des Levels I wird eine besondere Bedeutung zugemessen. Sie müssen flächendeckend eine wohnortnahe Versorgung garantieren. Sie werden daher unterteilt in Krankenhäuser, die Notfallversorgung sicherstellen (Level I n) und solche, die integrierte ambulant/stationäre Versorgung anbieten (Level I i). Krankenhäuser des Levels I i soll eine Schlüsselrolle auf dem Weg zur Überwindung der zu häufig noch stationärer-ambulant getrennten Gesundheitsversorgung zukommen. Deshalb empfiehlt die Regierungskommission, sie sektorenübergreifend regional zu planen, sie vollständig aus dem DRG-System herauszunehmen und über Tagespauschalen zu vergüten. Zudem soll durch entsprechende gesetzliche Änderungen ermöglicht werden, dass sie unter pflegerischer Leitung stehen können.

Einführung von definierten Leistungsgruppen

Die lediglich grobe Zuweisung von Fachabteilungen (wie „Innere Medizin“) zu Krankenhäusern soll durch genauer definierte Leistungsgruppen abgelöst werden (zum Beispiel „Kardiologie“). Behandlungen sollen künftig nur noch abgerechnet werden können, wenn dem Krankenhaus die entsprechende Leistungsgruppe zugeteilt wurde. Voraussetzung für die Zuteilung ist die Erfüllung genau definierter Strukturvoraussetzungen für die jeweilige Leistungsgruppe, etwa bezüglich personeller und apparativer Ausstattung. Je nach Komplexität wird für jede Leistungsgruppe festgelegt, ob sie an Krankenhäusern aller drei Level erbracht werden darf oder nur an Krankenhäusern höherer Level (II und III oder nur III). Das Konzept sieht 128 definierte Leistungsgruppen vor - eine äußerst feingliedrige Differenzierung. Für jede Leistungsgruppe wird ein Vorhalteanteil festgelegt. Damit gehen die Vorschläge sogar weit über die novellierte Krankenhausplanung des Landes Nordrhein-Westfalen hinaus, das Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) bereits im Sommer 2021 vorstellte. Für die Krankenhausplanung in NRW sind 67 Leistungsgruppen vorgesehen.

Die Regierungskommission empfiehlt, die Regelungen in Konvergenzphase von fünf Jahren schrittweise einzuführen. Damit bleibe Krankenhäusern, Ärzten, Krankenkassen und Ländern ausreichend Zeit, sich auf das veränderte Finanzierungssystem einzustellen.

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Auftrag der Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung

Laut Koalitionsvertrag sollte die Regierungskommission Empfehlungen für eine Weiterentwicklung der Krankenhausfinanzierung vorlegen, die das bisherige System um ein nach Versorgungsstufen (Primär-, Grund-, Regel-, Maximalversorgung, Universitätsklinika) differenziertes System erlösunabhängiger Vorhaltepauschalen ergänzt. Die Regierungskommission wurde im Mai 2022 eingesetzt und hat seitdem zu verschiedenen Themen (u. a. auskömmliche Finanzierung von Pädiatrie und Geburtshilfe, Krankenhaustagesbehandlung) Stellungnahmen vorgelegt, die im Krankenhauspflegeentlastungsgesetz umgesetzt wurden.

Die Stellungnahme der „Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung“ steht unter folgendem Link zum Download bereit: www.bundesgesundheitsministerium.de/krankenhauskommission-stellungnahme-krankenhausverguetung.pdf

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DKG: Krankenhausreform darf nicht auf struktureller Unterfinanzierung aufsetzen

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) begrüßt, dass mit den Vorschlägen der Expertenkommission Krankenhausreform nun endlich die Reformdiskussion eingeleitet werde. Aber: „Die grundsätzlich richtigen Gedanken der Kommission basieren aber auf einer falschen Grundprämisse. Die Reform soll nach Vorstellung der Kommission die aktuellen Mittel nur umverteilen. Basis sind die Zahlen aus dem Jahr 2021. Damit basiert die Finanzreform aber bereits auf einer strukturellen Unterfinanzierung und ist damit im Prinzip schon zu Beginn zum Scheitern verurteilt. Das Erlösvolumen der Krankenhäuser muss zum Start der Finanzierungsreform sachgerecht und vollständig ausfinanziert werden. Das heißt konkret, dass die aktuelle Basis inflationsbedingt um mindestens 15 Mrd. € bei den Betriebskosten und jährlich 4 Mrd. € bei den Investitionskosten aufgestockt werden muss“, erklärt der DKG-Vorstandsvorsitzende Dr. Gerald Gaß.

Bei allen Einzelvorschlägen brauche es nun ein tragfähiges Gesamtkonzept für eine Reform, die insgesamt auch mit den Ländern konsentiert werden muss. „Es dürfen jetzt keinesfalls einzelne Regelungen vorgezogen und mit der Brechstange umgesetzt werden, bevor die Reform insgesamt vereinbart ist. Denn ständig einzelne Veränderungen herauszulösen, führt zu mehr Verwerfungen als zu Fortschritt im System. Deshalb wird es Zeit, Finanzierung, Planung, Entbürokratisierung und Personalfragen zusammen zu denken und zusammen zu reformieren. Nur so kann eine nachhaltige konsistente Reform gelingen“, so Gaß.

Gerade in der Finanzierungsfrage werden sich die Reformvorschläge aus Sicht der Krankenhäuser daran messen lassen müssen, ob sie tatsächlich nachhaltig eine Verbesserung für die Versorgung der Patienten, die Krankenhäuser und die dort Beschäftigten bringen. Die Reform solle dazu beitragen, dass die Krankenhausversorgung und -vergütung nachhaltig stabilisiert wird. Die von der Regierungskommission vorgestellten Veränderungen in der Finanzierung bedeuten, anders als von Minister Lauterbach wiederholt angekündigt, nicht die Abschaffung noch Überwindung des Fallpauschalensystems, sondern die auch von der DKG geforderte Ergänzung der DRGs um eine leistungsunabhängige Vorhaltefinanzierung. Komplett soll der Leistungsanreiz aus dem reformierten Vergütungssystem jedoch nicht gestrichen werden.

Das Fazit der DKG zu den Vorschlägen der Kommission lautet: Grundsätzlich richtige Gedanken zur Novellierung der Finanzierung, aber deutlich zu kurz gesprungen, weil die Hybrid-DRGs zur Ambulantisierung am Krankenhaus, die strukturelle Unterfinanzierung und die Defizite bei der Investitionsförderung schlicht ausgeblendet werden. In der Krankenhausplanung verliert sich die Kommission in kleinteiligen Planungsvorgaben und Regelungen und erschwert damit die Einigung zwischen Bund und Ländern. Die nächsten Monate werden von einem nicht einfachen Diskussionsprozess von Bund, Ländern und den umsetzenden Verbänden und Akteuren geprägt sein. Wir Krankenhäuser stehen für diesen Prozess bereit. Aber uns läuft auch die Zeit davon. Krankenhäuser brauchen verlässliche Perspektiven und Planungssicherheit. Die aktuelle Lage ist eher trostlos“, erklärt Gaß.

DKG-Vorschlag mit drei Säulen: Vorhaltefinanzierung, adäquate Vergütung klinisch-ambulanter Leistungen, bedarfsgerechte Investitionskostenfinanzierung

Die DKG hat selbst drei wesentliche Säulen der Finanzierung vorgeschlagen: Demnach soll zum einen das leistungsbezogene Entgeltsystem umgehend mit einer Komponente flankiert werden, die die Vorhaltefinanzierung berücksichtigt. Die DKG schlägt dafür Vorhaltepauschalen vor, die den Krankenhäusern Sicherheit geben, und sieht hier durchaus Schnittmengen zum Reformvorschlag der Kommission.

Die zweite Säule ist die adäquate Vergütung von klinisch-ambulanten Leistungen. „Das bedeutet aber, dass die gerade in einer Nacht-und-Nebel-Aktion im Krankenhauspflegeentlastungsgesetz beschriebenen Hybrid-DRGs noch einmal überprüft werden müssen. Zu diesem Komplex kommt kein Vorschlag der Kommission, was angesichts der Chancen einer klinisch-ambulanten Versorgung am Krankenhaus eher enttäuschend ist. Ein zukunftsfähiges Vergütungssystem muss also die Vorhaltung von bedarfsnotwendigen Versorgungsangeboten stärker als bisher berücksichtigen, die Notfallversorgung der Bevölkerung zu jeder Zeit sicherstellen, die ambulanten Behandlungsmöglichkeiten der Krankenhäuser stärker nutzen und die notwendige Flexibilität bieten, in den Regionen gleichwertige Lebensverhältnisse zu erreichen“, so Gaß.

Die dritte Säule ist eine Investitionskostenfinanzierung, die die tatsächlichen Bedarfe deckt. Auch die Regierungskommission beklagt den eklatanten Mangel bei der Investitionsförderung der Länder. Hier springt, so die DKG, die Kommission aber zu kurz. Es reiche nicht, das Problem zu benennen und auf eine notwendige Lösung in der Zukunft zu verweisen. Nachhaltige und auskömmliche Investitionsfinanzierung sei der Ausgangspunkt für eine patientenorientierte, moderne und effiziente Krankenhausversorgung. Die unzureichende Investitionsförderung sei eine der Hauptursachen für die angespannte wirtschaftliche Lage vieler Krankenhäuser und die knappe Personaldecke. Die DKG schlägt ein Anreizsystem vor, das jene Länder durch Kofinanzierungen des Bundes belohnt, die Investitionsmittel in einer Höhe zur Verfügung stellen, die dem tatsächlichen Investitionsbedarf nahekommt.

Der Geist kleinteiliger Regulierung

Zur Krankenhausplanung finden sich in den Vorschlägen der Regierungskommission Ansätze, die auch in den Vorschlägen der DKG zu finden sind. „Für uns war klar, dass regionale Versorgungsnetzwerke, die strukturiert miteinander arbeiten und dabei verschiedene Versorgungsebenen und Niveaus miteinander verbinden, zentrale Basis einer zukünftigen Versorgungsstruktur sein müssen. Krankenhäuser sind dabei die zentralen Knotenpunkte der regionalen Netzwerkstrukturen“, so Gaß.

Die Kommission verbinde die Finanzierungsreform mit einer neuen Krankenhausplanung und will über die bundeseinheitliche Definition der Versorgungsstufen (Level) hinaus auch festlegen, welche Leistungsgruppen in den verschiedenen Versorgungsstufen zulässigerweise behandelt werden. Dieser sehr weitgehende Eingriff in das Krankenhausplanungsrecht der Bundesländer dürfte mit den dort Verantwortlichen kaum zu konsentieren sein. Die DKG plädiert für einen bundeseinheitlichen Orientierungsrahmen und vergleichbare Maßstäbe, wobei für die landesspezifischen Besonderheiten und die regionalen Versorgungsnotwendigkeiten aber ein ausreichender Handlungsspielraum bestehen bleiben soll. „Die Vorschläge der Kommission zur Krankenhausplanung atmen den Geist der kleinteiligen Regulierung und erschweren damit ohne Not die Umsetzung der angestrebten Finanzierungsreform“, so Gaß.

An dem Verfahren der Einsetzung der Expertenkommission am Beginn des Reformprozesses, ohne die für die Krankenhausplanung verantwortlichen Bundesländer und die Vertreter der Krankenhäuser einzubeziehen, gab es heftige Kritik von Seiten der Länder und Krankenhausverbände. „Einen Konsens zu finden, mit den Ländern und denen, die die Reform am Ende umsetzen müssen, hätte am Anfang des Prozesses stehen müssen“, kritisierte Gaß einmal mehr am Tag der Verkündung im Rahmen des KGNW-Forums in Düsseldorf. Er sprach von der Regierungskommission als „Blackbox“.

Karl Lauterbach, der sich gern als Bollwerk gegen Partikularinteressen von Lobbyisten geriert, sagte bei der Pressekonferenz zur Vorstellung der Kommissionsvorschläge: „Hätten wir die Lobbygruppen mitgenommen, wäre nichts herausgekommen.“ Zudem betonte er, selbst die ehrgeizigste Krankenhausplanung der Länder sei nicht ehrgeizig genug.

NRWs Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann, der eine Reform der Krankenhausplanung in NRW längst in Angriff genommen hat, forderte mit Nachdruck: „Krankenhausplanung muss Ländersache bleiben“. Eine Krankenhausplanung vom „Grünen Tisch in Berlin“ aus könne den Bedürfnissen der unterschiedlichen Regionen mit gewachsenen Strukturen und nicht gerecht werden. Die Einbindung der beteiligten Krankenhäuser und ihrer Expertise hätte in NRW am Anfang des Prozesses gestanden. „Mit meinem Demokratieverständnis ist es nicht vereinbar, wenn Planungen, die die wichtigsten öffentlichen Einrichtungen betreffen, von Gremien ohne demokratische Legitimation vorgenommen werden“, so der NRW-Gesundheitsminister. Die Politik und ihre gewählten Vertreter müssten ihre Entscheidungen den Menschen in den Regionen gegenüber nachvollziehbar begründen und rechtfertigen.

Seine Amtskollegin aus Niedersachsen, Gesundheitsministerin Daniela Behrens (SPD), begrüßt die vorgestellten Pläne für eine Krankenhausreform von Gesundheitsminister Lauterbach und der Regierungskommission „in weiten Teilen“, und erklärt: „Insbesondere der Umstieg auf Vorhaltepauschalen, die in vielen Bereichen an die Stelle der Einzelfallabrechnungen des DRG-Systems treten sollen, hat das Potenzial, wirtschaftlichen Druck von den Kliniken zu nehmen. Dies käme unmittelbar den Patientinnen und Patienten zugute. Mit der Eingruppierung aller Krankenhäuser in drei Versorgungsstufen der Grund-, Schwerpunkt- und Maximalversorgung folgt der Bund mit seinem Vorschlag einem Modell, das wir bei der Novelle unseres Krankenhausgesetzes für Niedersachsen in diesem Jahr bereits beschlossen haben.“ Behrens sieht Niedersachsen mit seinem Krankenhausgesetz in einer Vorreiterrolle, insbesondere bei der Überwindung der starren Grenzen von ambulanter und stationärer Versorgung auf der Ebene der Grundversorger. „Die Vorschläge der Regierungskommission müssen nun möglichst schnell in einen konkreten Gesetzentwurf münden, damit sie zwischen Bund und Ländern gemeinsam im Detail beraten und offene Fragen geklärt werden können. Niedersachsen wird sich an diesem Prozess sehr konstruktiv beteiligen“, so Behrens.

Weitere Stimmen

Bernadette Rümmelin, Geschäftsführerin des Katholischen Krankenhausverbands Deutschlands (kkvd), erklärt zu den Vorschlägen der Regierungskommission: „Das wäre ein wichtiger Fortschritt, mit dem die Daseinsvorsorge und gleichwertige Lebensverhältnisse in der Gesundheitsversorgung gut abgesichert werden können. Wichtig ist, dass die Patientinnen und Patienten sowie ihre bestmögliche Versorgung wieder ins Zentrum rücken. Gleichzeitig ist es sinnvoll, die Wirtschaftlichkeit nicht völlig außer Acht zu lassen. Diesem Prinzip folgen die freigemeinnützigen Einrichtungen von je her, vor allem da kirchliche Krankenhäuser gerade auch in strukturschwachen Regionen die Gesundheitsversorgung sicherstellen. Daher fühlen wir uns mit den Vorschlägen der Regierungskommission bestärkt und unterstützt.

Eine endgültige Bewertung des neuen Konzepts hängt davon ab, wie es umgesetzt wird und wie die regionalen Besonderheiten in den Bundesländern darin abgebildet werden. Zudem wird es einen Systemwandel nicht zum Nulltarif geben. Daher ist wichtig, dass die erforderlichen Investitionen über einem Strukturfonds finanziert werden. Doch auch kurzfristige Finanzierungsmaßnahmen sind erforderlich, zumal die Vorhaltepauschalen erst ab 2024 gezahlt werden sollen. Die zugesagten Hilfen zum Energiekosten- und Inflationsausgleich werden nicht ausreichen, um alle bedarfsnotwendigen Kliniken sicher durch das Jahr 2023 zu bringen. Es muss sichergestellt werden, dass die für 2023 prognostizierten Personalkostensteigerungen über den Veränderungswert hinaus refinanziert werden, damit die Kliniken nicht weiter in finanzielle Schieflage geraten und damit der kalte Strukturwandel keine schlimmen Lücken reißt. Schließlich dürfen die neuen Krankenhausstrukturen nicht zu einem starren System werden. Sie müssen über die notwendige Flexibilität verfügen, um sich an die Demografie, an Krisen und Innovationen anpassen zu können.“

Die vorgelegten Empfehlungen zur übergreifenden Krankenhausreform seien eine gute Grundlage für die Evolution des Gesundheitssystems, sagt Christoph Radbruch, Vorsitzender des Deutschen Evangelischen Krankenhausverbandes (DEKV): „Bei der Umsetzung der Vorschläge ist aber ein Praxischeck der Auswirkungen auf die Versorgung vor Ort zwingend nötig. Ferner braucht es ausreichend Zeit für eine sorgfältige Prüfung der Versorgungs- und Finanzauswirkungen dieser neuen Finanzierungsmaßnahmen. Auch müssen wir uns die Zeit für eine eingehende gesellschaftspolitische Debatte mit unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen nehmen. Ihre heterogenen Perspektiven auf die stationäre Versorgung sind regelhaft zu hören. Der Bundesgesundheitsminister muss dafür Raum geben. Denn bei den krankenhausregulatorischen Maßnahmen liegt meist die Tücke im Detail. Mögliche Fehlanreize zeigen sich häufig erst zeitversetzt und Lücken in der Regelung treten erst bei der Praxisanwendung hervor.“

Die bestmögliche und verlässliche Versorgung der Patientinnen und Patienten muss im Zentrum jeder Krankenhausreform stehen. „Ein klares Leitbild, für welchen Bedarf die Krankenhäuser eine umfassende Gesundheitsversorgung sicherstellen sollen, ist Voraussetzung für eine in die Regionen passende Krankenhausplanung. Mit der in Nordrhein-Westfalen gewählten Planungssystematik, die jetzt in regionalen Verhandlungen mit Leben gefüllt wird, kann genau dies gelingen: Wir wollen ein zukunftsfähiges Angebot sicherstellen, dass den Menschen echte Daseinsvorsorge bietet und zugleich den Zugang zu Spitzenmedizin ermöglicht“, erklärte Ingo Morell, Präsident der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen, anlässlich der am Dienstag vorgestellten Reformvorschläge der Regierungskommission zur Krankenhausversorgung. Die Konzepte der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforderten eine kritische Prüfung. Gerade aus nordrhein-westfälischer Sicht werde es entscheidend sein, den hier mit allen Beteiligten erzielten Konsens über die neue Krankenhausplanung nicht zu gefährden. „Mit dem an medizinischen Überlegungen orientierten Konzept von Leistungsgruppen und Leistungsbereichen als Grundlage der Krankenhausplanung haben die Beteiligten hier in NRW den richtigen Weg für eine zukunftsfeste Gesundheitsversorgung beschritten“, betonte KGNW-Präsident Morell. Das beinhalte auch den umfassenden Blick auf die jeweilige Situation in den Regionen, die beispielsweise mit teils sinkender Praxisdichte nicht nur aus Klinikperspektive betrachtet werden dürften: „Diese Perspektive kann keine vom grünen Tisch in Berlin kommende Planung einnehmen. Ein drastisches Beispiel sind die akuten Probleme in der Kinder- und Jugendmedizin. Deshalb müssen die Bundesländer hier weiter die Entscheidungsgewalt behalten. Nordrhein-Westfalen ist bereits entscheidende Schritte gegangen.“

Die Regierungskommission begründet ihre Reformvorschläge nach eigener Darstellung auf wissenschaftlicher Basis. Welche evidenzbasierten Quellen genutzt wurden, ist bisher unklar. KGNW-Präsident Morell betonte: „Eine Krankenhausreform kann nur mit den Ländern, mit den Beteiligten der Selbstverwaltung und insbesondere mit den Krankenhäusern zum Erfolg werden. Dass der Bundesminister die Akteure und die Beteiligten als Lobbyisten abstempelt und sie außen vor halten will, ist in keiner Weise nachvollziehbar und wirkt nicht vertrauenserweckend. Ohne die Erfahrung der Praktiker wird es nicht gelingen, ein funktionierendes Konzept umzusetzen.“ Das gelte umso mehr, als die Regierungskommission einen sehr tiefgreifenden Umbau der Krankenhauslandschaft anstrebe. Diese Reform dürfe aber nicht die Trägervielfalt bei den Krankenhäusern gefährden.

Auch die privaten Krankenhausträger sehen in den Kommissionsempfehlungen positive Elemente und „durchaus kluge neue Impulse“. Dies gelte vor allem für den Fokus auf mehr ambulante Versorgung, die geplanten Vorhaltepauschalen und auch für die stärkere Gewichtung auf Behandlungs- und Ergebnisqualität. Entscheidend seien letztlich aber nicht die Ankündigungen, sondern die gesetzgeberische Umsetzung. Ob eine zentrale Regulierung der Versorgungsstufen aus Berlin am Ende zum Versorgungsauftrag des einzelnen Krankenhauses aus der Krankenhausplanung passe, müsse sich erst zeigen. Entlastungen für die angespannte wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser ergeben sich auch nicht aus einer Umverteilung der bisher unterfinanzierten Betriebs- und Investitionskosten. Insofern wird zusätzliches Geld nötig sein.

Die Krankenhäuser in privater Trägerschaft betreiben mittlerweile jedes dritte Krankenhaus in Deutschland – in allen Versorgungsstufen vor allem auch in ländlichen Regionen. Thomas Lemke, Vizepräsident des BDPK, betonte, dass private Krankenhausträger weiterhin ihren Beitrag zur Sicherstellung zu einer hochwertigen Patientenversorgung in Deutschland leisten werden: „Eine hohe medizinische und pflegerische Versorgungsqualität der Patienten an unseren Standorten, die gemessen und für die Patienten nachvollziehbar sein muss sowie die Sicherstellung der Versorgung an unseren Standorten bleiben unsere Handlungsmaxime. Wir private Krankenhausträger werden unseren Beitrag zu einer Reform des Krankenhauswesens leisten und konstruktiv daran mitarbeiten.“

Der Verband der Ersatzkassen e. V. (vdek) unterstützt die Kommissionsvorschläge, die Versorgung zukünftig über Versorgungsstufen und Leistungsgruppen zu organisieren: „Nur bedarfsgerechte und qualitativ hochwertige Krankenhäuser sollten künftig für die Versorgung der Bevölkerung in Frage kommen. In der Praxis wird es darauf ankommen, eine solche qualitätsorientierte Versorgung konsequent in der Landeskrankenhausplanung umzusetzen“, so Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des vdek.

Katrin Rüter