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Reform im Blindflug?


DKG-Vorstandsvorsitzender Dr. Gerald Gaß. Foto: Lopata

Die Gesundheitsversorgung der Patienten und das Vertrauen der Bürger in das Gesundheitssystem steht auf dem Spiel, warnt Dr. Gerald Gaß. Eine Krankenhausreform müsse in einem geordneten Prozess umgesetzt werden, „nicht im Blindflug“, so der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) im Rahmen einer Pressekonferenz am 7. Mai. Im Blindflug aber wolle Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) offenbar seine als „Revolution“ angekündigten Reformpläne mit dem KHVVG durchziehen. Ohne eine vom Minister angekündigte Auswirkungsanalyse und gegen entgegen der verfassungsmäßigen Verantwortung der Bundesländer für die Krankenhausplanung riskiere Lauterbach mit seinen Reformplänen eine Verschlechterung der Gesundheitsversorgung in Deutschland.

Mit seinem Reformentwurf hatte Lauterbach die Länder mit einem nicht zustimmungspflichtigen Gesetzentwurf aus dem parlamentarischen Verfahren gekickt. In einem offenen Konflikt haben sich alle 16 Bundesländer gemeinsam gegen den vom Bundesgesundheitsminister geplanten Umbau der Krankenhauslandschaft positioniert.

Sowohl die Länder als auch die DKG sehen im Gesetzentwurf, der nun am 15 Mai 2024 im Bundeskabinett beschlossen werden soll, erhebliche Risiken für die Patienten: so werde die angestrebte Konzentration der Krankenhausversorgung nicht zu einer Verbesserung für die Patienten führen. Im Gegenteil, prognostiziert Gaß: „Es drohen Engpässe, lange Wege und Wartezeiten für die Patienten.“

Die Reform der Krankenhausfinanzierung werde dazu führen, dass Kliniken, die im Zuge der Konzentration zusätzliche Fälle aufnehmen, Einbußen erleiden werden. Eine Klinik, die mehr Leistungen anbieten soll und muss, wird in dieser Systematik bestraft, wenn sie nur eine Steigerung von bis zu 20 % erzielt. Dies führe zur gleichen Systematik, die bereits aus dem niedergelassenen Bereich bekannt ist: „Die Quartalslogik der niedergelassenen Ärzte, Behandlungen zu schieben, ergibt sich aus genau solchen ökonomischen Fehlanreizen. Und sie wird sich im stationären Bereich zwangsläufig ebenfalls durchsetzen müssen. Krankenhäuser werden faktisch durch das politisch gesetzte Finanzierungssystem gezwungen, ihre Behandlungszahlen in bestimmten Zeiträumen und Referenzjahren standortbezogen aus wirtschaftlichen Gründen zu optimieren, wenn sie überleben wollen. Das ist das Gegenteil von Patientenorientierung“, so Gaß.

Patienten aus ländlichen Regionen müssten künftig deutlich längere Wege zurücklegen – nicht nur für komplexe Behandlungen. Auch für die Basis- und die Notfallversorgung werde es enger: „Die Finanzierungsreform bringt keine Existenzsicherung für kleine Krankenhäuser“, so der DKG-Chef. Sie verlieren die komplette Refinanzierung für nicht mehr erbrachte Leistungen. Würden die im KHVVG-Entwurf vorgesehenen neuen Mindestfallzahlen nicht erreicht, würden die Kliniken die kompletten Vorhaltezahlungen für die entsprechende Leistung verlieren. „Das bedeutet negative Anreize und Effekte - das Gegenteil vom dem, was mit der Reform angestrebt wurde.“

Vebeto-Auswirkungsanalyse bestätigt Kritik

Die grundsätzliche Kritik an der Vorhaltefinanzierung, die schon in der Auswirkungsanalyse von Vebeto im Januar vorgestellt wurde, bleibt bestehen. Denn an den Regelungen hat sich im Gesetz, anders als vom Minister angekündigt, nichts geändert. Die Erlöse eines Krankenhauses hängen maßgeblich von der Anzahl der behandelten Patienten ab und werden nicht durch eine Vorhaltefinanzierung grundsätzlich gesichert. Denn auch diese bleibt abhängig von den Fallzahlen. „Bei einem Krankenhaus mit Unterdeckung wird sich, wenn sich die Fallzahl nicht ändert, auch die Unterdeckung bestehen bleiben. Ein Rückgang der Fallzahlen wird gar nicht abgefedert, wenn er im gesamten Bundesland passiert. Auch die Leitungskonzentration wird nicht voll finanziert. Fällt eine Leistungsgruppe weg, gibt es ebenfalls keine Abfederung“, skizziert Dr. Hannes Dahnke, CEO der Vebeto GmbH.

Auch die vom Minister immer wieder betonte Existenzsicherung für Grundversorgungskrankenhäuser in den Flächenländern kann die Finanzreform nicht leisten. Erlösverluste bei einem allgemeinen Rückgang der Patientenzahl werden nur bedingt oder beim Verlust von Leistungsgruppen überhaupt nicht aufgefangen, die Konzentration von Leistungen in größeren Krankenhäusern wird sogar finanziell bestraft. Von Entbürokratisierung kann gar nicht gesprochen werden, bleibt doch das existierende DRG-System vollumfänglich erhalten und wird sogar um neue komplexe Regulierungen erweitert.

Diese Fehlanreize werden vor allem in den komplexeren Leistungsgruppen zu Wartelisten führen, fürchtet Gaß. Die Auswahlmöglichkeit der Patienten für einen möglichen Behandlungsort werde sich deutlich reduzieren. Zugleich werde diese Konzentration den Fachkräftemangel noch weiter befördern. „Das Personal ist keine Verfügungsmasse, die den Strukturüberlegungen am grünen Tisch folgt. Die Logik, das Personal von geschlossenen Standorten automatisch zu anderen Standorten wechseln wird, ist schlicht und ergreifend falsch. Weitere Wege für die Beschäftigten durch sehr umfassende Konzentrationsprozesse werden uns Personal in der Patientenversorgung kosten. Konzentration ist dort richtig, wo sie den Patienten dient. Konzentration um der Konzentration willen aber verschlechtert die Patientenversorgung“, so der DKG-Vorstandsvorsitzende.

Auch werde der Fachkräftemangel dadurch verschärft, dass das Gesetz neue bürokratische Aufgaben bereithalte. Das Versprechen des Ministers, mit dem Gesetz für eine Entbürokratisierung zu sorgen, werde in keiner Weise erfüllt.

Gerade in ländlichen Gebieten werde die Reform eine Verschlechterung der Versorgung mit sich bringen. Dem Anspruch, die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Stadt und Land zu sichern, werde der Entwurf nicht gerecht. „Für die Patienten bedeutet das, dass sich nicht nur die Wege für komplexe Erkrankungen deutlich verlängern werden, auch die Basisversorgung an vielen Standorten wird nicht mehr möglich sein. Defizite in der Finanzierung und verschärfte Vorgaben beim Personal sowie fehlende Gestaltungsmöglichkeiten der Länder sind dafür die Ursache“, sagte der DKG-Vorstandsvorsitzende.

Laut dem Referentenentwurf sollen die Bundesländer zwar verantwortlich sein für die Zuweisung von Leistungsgruppen zu den Standorten, dies würde vom Bund aber faktisch durch neu festgelegte Mindestfallzahlen ausgehebelt. Standorten, die in einzelnen Jahren diese Mindestfallzahlen unterschreiten, streicht der Bund dann die Vorhaltefinanzierung. Das ist existenzbedrohend und wird gerade für Patienten in dünner besiedelten Regionen zum Problem, da die Krankenhäuser diese Leistungsgruppen aufgrund des unkalkulierbaren Risikos nicht erbringen können.

Lauterbachs Reform mit ihrem Übermaß an Zentralisierung sei der falsche Ansatz, so der DKG-Vorstandsvorsitzende Gaß zusammenfassend: „Patienten drohen vielfach Versorgungslücken. Wertvolle Strukturen werden zerschlagen, Gelder verbrannt. Die Bürokratie wird weiter zunehmen. Es ist nicht verwunderlich, dass die Länder einhellig über alle Parteigrenzen hinweg in ihrer Stellungnahme den bisherigen Reformentwurf ablehnen. Es ist an der Zeit, dass die Bundespolitik sich dieser Wirklichkeit stellt und endlich in ein konstruktiven Reformprozess einsteigt. Der Minister hat durch die Verschiebung der Kabinettssitzung die Chance, die wesentlichen Kritikpunkte auszuräumen und auf die Länder zuzugehen. Dann besteht die Hoffnung, dass eine gemeinsame Reform mit einem Gesetz gelingt, dem die Länder insgesamt zustimmen können“, so Gaß. krü