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Neustart für die Pflege


Präsentation der Eckpunkte des Pflegekompetenzgesetzes. V. l. Bundesärztekammerpräsident Dr. Klaus Reinhardt, Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, Präsidentin des Deutschen Pflegerats Christine Vogler, Pressesprecher Hanno Kautz. Foto: Kotlorz

Während sich die Gespräche zur Krankenhausreform zwischen Bund und Ländern weiter verzögern, demonstrierte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bei der Vorstellung der Eckpunkte des geplanten Pflegekompetenzgesetzes einen Neustart mit demonstrativer Geschlossenheit. Es habe eine breite Unterstützung und „eine gute Diskussion“ für den „Neustart für die Pflege gegeben“, so der Minister bei seiner Pressekonferenz am 19. Dezember. Sein Ziel: Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels soll der Pflegeberuf mehr Rechte und Kompetenzen erhalten. Dadurch soll die Profession Pflege attraktiver und die Ärzte auch ein Stück weit entlastet werden. Sogar die Ärzteschaft scheint mit den Plänen einverstanden zu sein.

Mit am Tisch saßen bei den Beratungen zu dem Pflegekompetenzgesetz neben dem BMG die Bundesärztekammer, die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG), der Deutsche Pflegerat, die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der Hausärzteverband, zählte Lauterbach auf.

Die Notwendigkeit der Kompetenzsteigerung der Pflege stehe nicht in Frage, betonte Ärztekammerpräsident Dr. Klaus Reinhardt. Die Präsidentin des Deutschen Pflegerats, Christine Vogler, sprach von einem „Quantensprung zur Aufwertung des Pflegeberufs“. Jahrzehntelang habe die Pflege bereits mehr Rechte und Kompetenzen angemahnt.

Lauterbach kündigte an, bereits „in den nächsten Wochen“ einen Gesetzentwurf vorzulegen, der bis zum Sommer 2024 vom Kabinett beschlossen werden soll.

Dem Eckpunktepapier zufolge ist unter anderem vorgesehen, dass Pflegekräfte - je nach ihrem Ausbildungsstand - mehr Verantwortung bei der Wundversorgung übernehmen und pflegerische Leistungen, Hilfsmittel oder sogar bestimmte Arzneien eigenständig verschreiben dürften. Dadurch soll verhindert werden, dass etwa für einen künstlichen Darmausgang, einen Blasenkatheter, eine Wundversorgung oder ein spezielles Krankenbett erst die Verschreibung eines Arztes abgewartet werden müsse. „Die Pflegekraft soll selbst Dinge verschreiben können und auch Budgetverantwortung übernehmen“, kündigte Lauterbach an.

„Damit sparen wir unglaublich viel Ressourcen“, sagte Vogler. Zugleich schaffe man einen „hochattraktiven Beruf“ und sichere eine „bessere Versorgung“.

Reinhardt sah das Vorhaben eher als Entlastung für die Ärzteschaft. Es gehe nicht darum, die Versorgung „billiger“ zu machen, sondern eine verantwortungsvolle Versorgung auch in Zukunft zu sichern.

Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels müssten künftig weniger Ärzte eine größere Zahl von Menschen behandeln. Auch Lauterbach versicherte: „Da geht niemandem etwas verloren.“ Angesichts des Fachkräftemangels in der Pflege soll der Beruf durch die geplante Reform attraktiver werden - auch für Arbeitskräfte aus dem Ausland. „Pflege darf weniger als sie kann - das ist ein riesiges Problem“, sagte Lauterbach.

Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) lobt die Eckpunkte zur Erweiterung der Befugnisse von Pflegefachpersonen.  „Die Eckpunkte zeigen, dass Bundesgesundheitsminister Lauterbach den Stellenwert professioneller Pflege für die Gesundheitsversorgung der Menschen in Deutschland sieht und jetzt die überfälligen Weichen stellt. Das ist ein großer Sprung, der uns zuversichtlich für das kommende Jahr stimmt“, sagte Bernadette Klapper, Bundesgeschäftsführerin des DBfK. Besonders positiv hervorzuheben sei, dass die Kompetenzerweiterung in der Pflege in einem vierstufigen Modell angedacht ist, dass Pflegefachpersonen mit Ausbildungsabschluss, weiteren Fortbildungen und akademischen Abschlüssen berücksichtigt, wodurch gleichzeitig ein durchlässiges Karrieremodell entstehe.

Auch die AOK begrüßte die geplante Ausweitung der Kompetenzen von Pflegeberufen. Jens Martin Hoyer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes: „Die verschiedenen Gesundheitsberufe müssen bereit sein, stärker als bisher interprofessionell im Team zusammenzuarbeiten und im Sinne der Optimierung der Versorgung Aufgaben entsprechend umzuverteilen.“

Als "Meilenstein der Pflegepolitik" bezeichnete der Katholische Krankenhausverband Deutschlands (KKVD) die neue Initiative. Es ist absurd, dass hochqualifiziertes Pflegefachpersonal nicht alle Kompetenzen in die Versorgung einbringen darf. Das Gesundheitssystem ist wie eine Autobahn, auf der manche Gesundheitsberufe mit angezogener Handbremse unterwegs sind. Wir verlieren Geschwindigkeit und Qualität, was wir uns in Zeiten des demografischen Wandels eigentlich nicht erlauben können“, sagte Bernadette Rümmelin, Geschäftsführerin des KKVD.

Die Verzögerung der Klinikreform begründete Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach damit, dass das Krankenhaustransparenzgesetz noch nicht verabschiedet wurde. Das Gesetz wird im zweiten Anlauf nun im Februar beraten. In dem Gesetz seien Grundlagen für Zahlungen an die Kliniken, die für die  Klinikreform relevant seien gelegt, so Lauterbach. Ohne das Krankenhaustransparenzgesetz sei die Klinikreform seiner Ansicht nach nicht möglich. „Für die Krankenhäuser wäre es eine Katastrophe, wenn sich das Transparenzgesetz weiter verschiebt“, sagte Lauterbach.

Dagegen hatten der Bundesrat das Transparenzgesetz blockiert und in den Vermittlungsausschuss geschickt. Auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) sieht das Transparenzgesetz kritisch. „Das vom Bundesgesundheitsministerium auf den Weg gebrachte Krankenhaustransparenzgesetz greift massiv in die Länderhoheit ein, weil es bereits 2024 den Krankenhausstandorten Leistungsgruppen zuweist und damit zwei Jahre früher als die Länder im Rahmen ihrer Krankenhausplanung tätig werden können“, sagte der DKG-Vorstandsvorsitzender Dr. Gerald Gaß. „Doch damit nicht genug: Aus diesen Leistungsgruppen nach den Regeln des Bundesgesundheitsministers konstruiert er dann auch noch die von den Ländern immer klar abgelehnten Krankenhauslevel und verstößt damit eklatant gegen die Vereinbarungen im Eckpunktepapier vom 10. Juli 2023“, betonte der DKG-Vorstandsvorsitzende.

Anbei die Eckpunkte zum Pflegekompetenzgesetz des BMG in der Übersicht:

  • Pflegekräfte sollen gemäß ihren Qualifikationen auch in der Versorgung mehr Kompetenzen bekommen.
  • In der häuslichen Krankenpflege sollen Pflegefachkräfte perspektivisch auch Leistungen verordnen können (z.B. Wundversorgung, Salben, Katheter).
  • Auch bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit könnten die in der Versorgung tätigen Pflegefachkräfte einbezogen werden.
  • Die Schaffung eines für Deutschland neuen Berufsbildes, das sich in anderen Ländern schon durchgesetzt hat: die Advanced Practice Nurse. Wer die Ausübung von Heilkunde in einem Masterstudium gelernt hat, soll sie auch eigenverantwortlich ausüben können, so z.B. die Verordnung von häuslicher Krankenpflege, von Hilfsmitteln oder womöglich von bestimmten Arzneimitteln.
  • Pflege braucht eine stärkere Stimme und mehr berufspolitische Kompetenzen.

Tanja Kotlorz