Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat die zentralen Eckpunkte seiner Notfallreform vorgelegt. Ziel seiner großangelegten Notfallreform soll es sein, dass Hilfesuchende bereits am Telefon oder vor Ort im Krankenhaus verstärkt in eine nahe Praxis geschickt werden. Viel stärker als bisher sollen Patienten auch direkt telemedizinisch betreut werden. Bei einem gemeinsamen Pressegespräch am 16. Januar in den Räumen der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Berlin gemeinsam mit dem Vorsitzenden der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Berlin, Dr. Burkhard Ruppert, präsentierte Lauterbach seine Pläne.
Patientinnen und Patienten mit akuten Beschwerden sollten demnach künftig seltener in der Notaufnahme eines Krankenhauses behandelt werden. Zudem sollen die KVen mehr mit den Rettungsleitstellen vernetzt werden und wie „kommunizierende Röhren“ zusammenarbeiten.
Die Notaufnahmen sollen künftig in neue Integrierte Notfallzentren (INZ) aufgehen. Pro 400 000 Einwohner solle es ein Zentrum geben, kündigte Lauterbach an. Zu diesen Zentren soll auch je eine ambulante Notdienstpraxis in unmittelbarer Nähe gehören. Die Einschätzung, wo die Patienten versorgt werden sollen, soll an einem gemeinsamen Tresen stattfinden.
Im Kern ziele die Reform darauf ab, dass die Patienten dort behandelt werden, wo es am besten und schnellsten gehe, so Lauterbach. „Das muss nicht immer das Krankenhaus sein“, sagte der Politiker. „In vielen Fällen ist die notdienstliche Akutversorgung sehr viel sinnvoller.“ Häufig genüge auch der Besuch der Hausarztpraxis am nächsten Tag.
Lauterbach kündigte mit der Notfallreform „eine große Reform“ an, mit der Geld gespart und gleichzeitig die Versorgung verbessert werden könne. Denn 25 bis 30 % der Fälle, die in den Kliniken landeten, gehörten dort nicht hin, sagte Lauterbach.
Die Eckpunkte im Einzelnen:
In Kürze solle dazu ein Referentenentwurf der Bundesregierung vorgelegt werden. Das Gesetz solle bereits im Januar 2025 in Kraft treten.
In den Räumen der Berliner KV lobte Lauterbach das Notfall-Modell, das die Berliner KV realisiert habe. Dieses wolle er als Blaupause zu 80 % für ganz Deutschland kopieren.
In Berlin werden Patienten, die die 116117 anrufen, an die Leitstelle des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes (ÄBD) weitergeleitet. Beschwerden werden mit einem standardisierten medizinischen Ersteinschätzungsverfahren bewertet, um die Patienten danach in die richtige Versorgung zu weiterzuleiten. „Das kann ein ärztliches Beratungsgespräch am Telefon sein, der Besuch einer KV-Notarztpraxis, ein Hausbesuch durch den fahrenden Dienst, ein Akuttermin in einer Praxis oder der Besuch einer Praxis an einem Folgetag“, so die KV.
Allerdings kämpft die Berliner KV gerade selbst darum, ihren ÄBD wie gewohnt zu erhalten, der rund um die Uhr bei akuten Erkrankungen, die keinen Notfall darstellen, helfen soll. Der Grund: Sogenannte Poolärzte, die auf Honorarbasis arbeiten, dürfen nicht mehr eingesetzt werden. Auch die elf Notdienstpraxen der Berliner KV, die die Rettungsstellen der Kliniken entlasten sollen, sind davon betroffen. Ein anderes Problem, mit dem die KV kämpft: „Die ambulante Notfallversorgung ist seit Jahren defizitär und der Fachkräftemangel spitzt sich weiter zu“, so der KV-Chef.
Das geplante INZ-Modell werde in Berlin ebenfalls längst gelebt. Mit einem gemeinsamen Tresen von Klinik und KV-Praxis gebe es sechs KV-Notdienstpraxen für Erwachsene und für Kinder und Jugendliche in der Hauptstadt, so die KV. Mit den Rettungsleitstellen der Feuerwehr stehe die KV ebenfalls im engen Austausch.
Auch die DKG sieht dringenden Handlungsbedarf für eine Reform der ambulanten Notfallversorgung und hat bereits in der Vergangenheit Reformvorschläge unterbreitet. Mit ihren Mitgliedsverbänden hatte die DKG ein Konzept entwickelt, das eine umsetzbare, auf bestehenden Kooperationen aufsetzende Reform ermöglicht. „Mit unseren Vorschlägen zeigen wir die Bereitschaft, die Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Ärzten zu intensiveren und eine gleichberechtigte Kooperation einzugehen“, sagte Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der DKG.
Das Reformpapier der DKG steht hier.
Tanja Kotlorz