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Folgen der Ukraine-Krise: Preisexplosion bei Energiekosten in den Kliniken


Anteil Energieaufwand am Gesamtaufwand des Klinikums Stuttgart 2019-2022; eigene Darstellung

Am Beispiel des Klinikums Stuttgart werden die dramatischen Auswirkungen auf die Wirtschaftsplanung der Krankenhäuser deutlich

Die Krankenhäuser in Deutschland haben in der bisher fast 27 Monate andauernden Coronapandemie unter zahlreichen zum Teil schwerwiegenden Belastungen gelitten. Dies betrifft sowohl die massiv sinkenden Erlöse, die durch die diversen Maßnahmen des Bundes und der Länder nur teilweise kompensiert wurden, als auch drastische Kostensteigerungen in nahezu allen Bereichen: angefangen bei den etwa zwei Drittel der Gesamtaufwendungen ausmachenden Personalkosten bis hin zu den signifikant angestiegenen Materialkosten. In diesem Zusammenhang besonders hervorzuheben sind die Preisentwicklungen für Persönliche Schutzausrüstung (PSA) zu Beginn der Pandemie. Hinzu kam auch ein Mengeneffekt aufgrund des gestiegenen Bedarfs und eventuelle Lagerkosten. So betrug die Inflationsrate im März 2022 7,4 %, ein Wert der zuletzt Anfang der 80er Jahre des vorherigen Jahrhunderts verzeichnet wurde.

Weitere dynamische Kostensteigerungen gibt es zudem verstärkt im Energiesektor. Dabei betrifft die dramatische Entwicklung der Energiepreise sowohl Privathaushalte als auch Unternehmen. Zum Teil sind an dieser Stelle Steigerungen von über 100 % zu beobachten. Da die Energiekosten für die volkswirtschaftliche Leistungserbringung so bedeutend sind, weist das Statistische Bundesamt oft neben der zuvor genannten Inflationsrate einen separaten „Energiepreisindex“ aus. Der von Russland geführte Krieg gegen die Ukraine lässt die Preise für Öl und Gas in die Höhe schnellen. Diese Verwerfungen auf dem Energiemarkt haben zudem sogar Energiequellen verteuert, die auf den ersten Blick nicht von den osteuropäischen Konflikten betroffen sind. Im Fall der Holzpellets liegt das zum Beispiel an der plötzlich massiv gestiegenen Nachfrage; bei Fernwärme an der sogenannten „Faktor-Kopplung“ an den Gaspreis.

Strom und Gas prägen mit 80 % den Energieaufwand

Das Klinikum Stuttgart mit seinem Gesamtumsatz von über 600 Mio. € im Jahr verzeichnete in den Jahren 2018 bis 2019 zwischen 9,9 Mio. € und 10,2 Mio. € Energiekosten. Zu diesen Energiekosten zählen typischerweise neben Strom, Fernwärme, Heizöl, Gas und sonstigen Brennstoffen wie Diesel Notstrom auch die Kostenarten Kaltwasser und Abwasser. Die wesentlichen und den Aufwand prägenden Kosten sind dabei landläufig Strom und Gas, die den gesamten Energieaufwand mit über 80 % bestimmen. In Bezug auf den Gesamtaufwand und den Umsatz bedeutete dies einen relativen Anteil von ca. 1,5 %. Im Krisenjahr 2020 war es sogar deutlich weniger, da die Energiekosten aufgrund eines Angebotsüberhangs deutlich niedriger waren (siehe Abbildung). Für viele Verbraucher war dieser Sachverhalt beispielsweise anhand der niedrigen Dieselpreise an den Tankstellen mit Preisen unter einem Euro pro Liter ersichtlich. Im Gegensatz dazu weisen Tankstellen heute den doppelten Preis mit mindestens zwei Euro pro Liter aus.

In der Hochrechnung für die gesamten Energiekosten geht das Klinikum Stuttgart heute von einer Erhöhung um 100 % bis 125 % aus. Neben der aus diesem Anstieg offensichtlichen Dramatik wird das Problem zusätzlich verschärft: Da die Preise für Öl und Gas vor allem seit dem Kriegsbeginn in der Ukraine am 24. Februar 2022 massiv angestiegen sind, konnte diese Preisexplosion in den Wirtschaftsplänen der Unternehmen wie auch der Krankenhäuser, die idealerweise vor Eintritt in das neue Kalenderjahr erstellt werden, nicht berücksichtigt werden. Auch die im November 2021 vereinbarten Landesbasisfallwerte berücksichtigen diese drastische Entwicklung nicht. Insofern werden viele Häuser und Unternehmen allein aufgrund der Energiepreisentwicklung und unabhängig von den sonstigen nach wie vor vorhandenen Problemen wie Nachfrage, Arbeitsmarkt für Fachkräfte etc. ins Defizit rutschen, beziehungsweise einen Nachtragswirtschaftsplan erstellen müssen.

Versorger sind gezwungen, langfristige Verträge zu kündigen

Selbst Krankenhäuser, die über Verträge oder Mehrjahresvereinbarungen vertraglich ihre Preise abgesichert haben, sind vor dieser Marktentwicklung nicht gefeit. Versorger, die noch im Jahr 2020 Vereinbarungen bis Ende 2023 abgeschlossen haben, sehen sich gezwungen, diese Verträge selbst zu kündigen, um nicht ihrerseits in massive Defizite und damit potenziell die Insolvenz zu rutschen. Im Bürgerlichen Gesetzbuch ist für solche Fälle der § 313 beschrieben, der von einer „Störung der Geschäftsgrundlage“ handelt. Und selbst wenn der Abnehmer auf seinen alten Vertrag beharrt und auf Lieferung zu den zuvor verhandelten Preisen besteht, wird dies in dem Moment ein Muster ohne Wert, wo der Versorger – aus welchem Grund auch immer – die Lieferung einstellen muss.

Zusätzlich zu den beschriebenen Kostensteigerungen ist die vom Bundeswirtschaftsministerium ausgerufene „Gas-Frühwarnstufe“ zu berücksichtigen. Diese besagt, dass es im Falle einer Mangelsituation sogenannte „geschützte Verbraucher“ gibt, die bevorzugt beliefert werden. Im Umkehrschluss existieren dann natürlich auch Verbraucher, die nachrangig behandelt werden. Zu den „geschützten Verbrauchern“ gehören neben Privathaushalten auch Sozialeinrichtungen sowie Krankenhäuser.

Sollte es dennoch zu einer Abschaltung oder einem Stromausfall kommen, sind die Notstromaggregate von Krankenhäusern in der Regel darauf ausgelegt für 36 bis 48 Stunden die Versorgung aufrecht zu erhalten. Oftmals produzieren Krankenhäuser zudem mit Blockheizkraftwerken einen Teil der benötigten Wärme und des benötigten Stroms auch selbst. Zu bedenken ist jedoch, dass diese Blockheizkraftwerke mit Gas betrieben werden und dies daher nur dann eine wirkliche Rückfallposition darstellt, wenn die Versorgung mit Gas gesichert ist. Einige Heizkessel sind darüber hinaus noch zusätzlich darauf ausgelegt im Notfall auch mit Öl zu laufen, aber auch hier ist die Verfügbarkeit des Rohstoffes der limitierende und entscheidende Faktor für den Betrieb. Die Hoffnung bleibt, dass dies nur theoretische Not-Szenarien sind.

Das Klinikum Stuttgart, ein Krankenhaus der Maximalversorgung, bietet mit den drei Häusern Katharinenhospital, Krankenhaus Bad Cannstatt und dem Olgahospital ein umfassendes medizinisches Angebot aus einer Vielzahl an Fachrichtungen. In über 50 Kliniken und Instituten werden jährlich rund 90 000 Patienten stationär und etwa 500 000 ambulant behandelt. Das Klinikum Stuttgart verfügt über 2 200 Planbetten und tagesklinische Behandlungsplätze und beschäftigt insgesamt rund 7 000 Mitarbeiter. Träger der wirtschaftlich selbstständigen gemeinnützigen Kommunalanstalt des öffentlichen Rechtes ist die Landeshauptstadt Stuttgart.

Anschrift des Verfassers

Dr. Alexander Hewer, seit April 2017 Kaufmännischer Vorstand des Klinikums Stuttgart, zuvor Leiter des Geschäftsbereichs Finanzen und Abteilung Einkauf an der Charité – Universitätsmedizin Berlin, Klinikum Stuttgart, Sattlerstraße 25, 70174 Stuttgart; https://www.klinikum-stuttgart.de/ueber-uns/struktur/krankenhausleitung